Bei der Premiere gab es einen kurzen Moment, der an Harald Schmidts beste Zeiten erinnerte. Da blitzte jener anarchische Witz, jenes Spielen mit dem Medium Fernsehen auf, das Schmidt auszeichnete, als er noch nicht der gefallene Engel des Hochfeuilletons war, als er bei Sat.1 fast täglich auf Sendung ging und einmal eine legendäre Dreiviertelstunde lang den Bildschirm in Schwarz tauchte, um aus dem Dunkel zu moderieren. (Im Privatfernsehen!) Jene Zeit also, in der sich gebildete Menschen am nächsten Tag über Schmidts Witze vom Vorabend unterhielten.
Der gelungene Moment am Donnerstagabend war ein Zusammenschnitt aus einer Wahlkampfrunde, in der sich Jürgen Trittin, Guido Westerwelle und Oskar Lafontaine gegenüberstanden. Der Wahlkampf sei gar nicht inhaltlos, e
haltlos, erklärte Schmidt zunächst. Und als Beweis lief ein minutenlanges Filmchen, in dem sich die Politiker und Journalisten der Runde gegenseitig mit auswändig gelernten Zahlen bombardierten. Von Prozenten und Statistiken war unablässig die Rede. Die aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen und die Dauer der Montage entlarvten das Fakten-Auftrumpfen dabei als das, was es in den meisten Fällen ist: leeres Gedröhn – eine Simulation von Kompetenz, die nur darauf abzielt, Gegner und Zuschauer zu beeindrucken.Den Bildungsauftrag ernst nehmenEr wolle den Bildungsauftrag der ARD wieder ernst nehmen, hatte Schmidt vor der Premiere seiner Show angekündigt – und löste es an dieser Stelle auch wirklich ein, weil das Einspielfilmchen über den Lacher hinaus zeigte, wie Fernseh-Wahlkampf oft funktioniert.Allerdings war dies, wie gesagt, nur ein kurzer Moment in einer durchwachsenen Dreiviertelstunde. Da machte Schmidt mit grauem Bart lahme Witze über das Merkel-Steinmeier-Duell: "Es hat uns gefreut, mal den Ehemann von Frau Merkel kennenzulernen." Das wirkte, vorsichtig ausgedrückt, leicht abgehangen – hatten doch die fragenden Journalisten selbst schon während des Duell-Duetts am Sonntag den Vergleich mit dem alten Ehepaar angeführt. Da traten mehrere neue Mitstreiter Schmidts in unterschiedlichsten Rollen auf – etwa Katrin Bauerfeind, die es also von der Internet-TV-Show Ehrensenf über den Umweg 3Sat in die große Schmidt-Show geschafft hat, wohin sie wahrscheinlich immer wollte, aber wo sie bei der Premieren-Sendung auf die Rolle des schönen Accessoire beschränkt blieb. Und da war Trigema-Chef Wolfgang Grupp zu Gast, der wieder einmal viel Applaus dafür bekam, dass er immer noch in Deutschland produzieren lässt – und einige Lacher dafür, dass er sich als schwäbischer Macho outete, bei dem die Frau Anfang 20 sein muss, egal "wie alt ich bin".Schmidts Stand-Up-Witze wirkten aber matt, wenn die Sache sich dem Stahlbad der Ironie entzog – etwa bei dem Streit um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Oder wenn die Wirklichkeit kaum noch von der humoristischen Überdrehung zu unterscheiden ist. Wenn sich etwa ein Schmidt-Mitarbeiter als falscher Schweinegrippe-Patient in die Nachrichten der Senderkette ProSiebenSat.1 einschleicht, während man am selben Tag hört, dass sich ein taz-Journalist bei der Verbreitung einer Terror-Falschmeldung beteiligte, um anschließend einen Text zu schreiben, der die schlampigen Kollegen vorführt. Machen Journalisten ihre Nachrichten jetzt nur noch selbst, statt über ein Ereignis zu berichten? Was ist Spin? Was hat noch einen aufdeckenden Anspruch?Am deutlichsten zeigte sich die Herausforderung, vor der Schmidt in seinen folgenden Sendungen stehen wird, an der Verballhornung des neuen Merkel-Werbespots. Das Original lief nach den Tagesthemen, direkt vor Beginn der Schmidt-Show – und für einen Augenblick war man nicht ganz sicher, ob die Sendung nicht doch schon mit ihrem ersten Gag begonnen hatte. In dem Spot erzählt Merkel, dass sie nicht zur Kanzlerin geboren wurde (was in einer Demokratie eigentlich auch nicht üblich ist), dass sie gelernt hat, wie wichtig eine Frisur sein kann und wann man jubeln muss (Fußball-WM!). In der Schmidt-Show war dann derselbe Spot noch einmal zu sehen, nur dass Merkel darin gegen eine Glastür lief und am Schluss Frank-Walter Steinmeier ins Bild kam, um für die Fortsetzung von Schwarz-Rot zu werben. Das war nicht wirklich lustig, weil die Kanzlerin, die über ihre Frisur spricht, damit nicht zu überbieten ist.In einer Zeit, in der es bei Politikern zum guten Ton gehört, sich selbstironisch zu geben – und in der sich alle immer schon des Inszenierungscharakters öffentlicher Bilder bewusst sind, dürfte es für Schmidt schwer werden, immer die nötige humoristische Überdrehung zu liefern. Wie man am Donnerstagabend sehen konnte, läuft er sich erst so langsam wieder warm.