Egal, was man tue, immer mache man es falsch, lamentierte Kristina Schröder kürzlich bei ihrer Buchvorstellung in Berlin. Diese Erfahrung der Familienministerin scheint sich nun zu bestätigen: Das Dresdner Verwaltungsgericht hat die von der CDU-Politikerin eingeführte und mit Verve verteidigte Extremismusklausel für rechtswidrig erklärt.
Der Verein Alternatives Kultur- und Bildungszentrum e.V. (AKuBiZ) hatte gegen den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge geklagt, weil ein Projekt des Vereins zwar als „demokratiefördernd“ anerkannt, ihm aber trotzdem der Zuschuss verweigert wurde. Eben weil der Verein die Klausel nicht unterschreiben wollte. Das Gericht gab dem Kläger nun in allen Punkten Recht.
Die Klausel sei ein Verstoß ge
n Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Danach müssen Verwaltungsvorschriften so deutlich und konkret wie möglich formuliert werden, um praktisch anwendbar zu sein. Das sei im Fall der Extremismusklausel nicht gegeben. Das Gericht musste ebenfalls prüfen, ob die Klausel gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt, wonach niemand wegen seiner politischen Meinung von staatlicher Seite benachteiligt werden darf. Eine Stellungnahme dazu wird im schriftlichen Urteil erwartet.Extremistische UmverteilungSo oder so ist das Urteil eine schallende Ohrfeige für Schröder. Nach ihrem Amtsantritt hatte sie vollmundig allen Extremisten, vor allem den Linksextremisten, den Kampf angesagt. Rund fünf Millionen Euro wurden seither in Präventionsprogramme gegen Linksextremismus gesteckt. Erfolglos, wie ein Evalutionsbericht des Deutschen Jugendinstituts (DJI) feststellte. Die Programme seien sozialwissenschaftlich nicht fundiert, da es kaum Informationen zum Phänomen “Linksextremismus” gebe. Auch inhaltlich wurden einzelne Projekte gerügt. In einer Broschüre, die Schüler für das Phänomen Linksextremismus sensibilisieren soll, wird zum Beispiel bereits die Äußerung als linksextremistisch bezeichnet, dass "durch radikale Umverteilung soziale Unterschiede beseitigt werden".Die Extremismusklausel, die von Schröders Ministerium „Demokratieerklärung“ genannt wird, wurde mit dem Verdacht begründet, zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechts würden von Linksextremisten unterwandert. Seither müssen Initiativen prüfen, ob Kooperationspartner, Referentinnen und Referenten sich den Zielen des Grundgesetzes verpflichtet fühlen. Keinesfalls dürfen sie den Anschein erwecken, „extremistische Strukturen“ zu unterstützen. Vereine und Initiativen, die das Bekenntnis nicht unterzeichnen, erhalten keine finanzielle Unterstützung mehr von staatlicher Seite.Die Klausel machte vor allem zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechts das Leben schwer. Dabei räumt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine SPD-Anfrage selbst ein, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass „Extremisten“ von den Staatsgeldern profitiert haben. Es gab also kein Extremismus-Problem bei den Projekten gegen Rechts. Trotzdem wollte Schröder nicht einlenken, zuletzt bekräftigte sie ihre Haltung dazu, nachdem die Terror-Anschläge der NSU bekannt geworden waren. „Die Klausel wird bleiben. Ich werde meinen Weg da unbeirrt fortsetzen“, sagte sie der Zeitung Die Welt .Brandstifter bei der FeuerwehrViele Initiativen sehen sich jedoch unter Generalverdacht gestellt, zur Bespitzelung ihrer Kooperationspartner gezwungen und zu einem seltsamen Demokratieverständnis genötigt. „Feinde der Demokratie sind nicht diejenigen, die aktiv für ihren Erhalt streiten, sondern diejenigen, die sie durch immer weitere Einschränkungen (...) abschaffen", heißt es auf der Seite des AkuBiZ. Der Verein aus dem sächsischen Pirna ist laut eigenen Angaben den Menschenrechten und humanistischen Grundsätzen verpflichtet und hatte bereits Ende 2010 den Demokratiepreis des Landes Sachsen abgelehnt, als die Preisträger erstmals die Extremismusklausel unterzeichnen sollten.Schröder hat immer gesagt, sie verstehe die Kritik an der Klausel und die ganze Aufregung darum nicht. Wer mit der Unterzeichnung ein Problem habe, „der demaskiert sich selbst“ – sei also auch schon ein Extremist. Sie würde auch keinem Pyromanen ein Feuerzeug in die Hand geben, nur weil der sich auch in der Freiwilligen Feuerwehr engagiere, erläuterte sie ihre Haltung. Zu ihrer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht erklärte eine Ministeriumssprecherin, man wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Bis dahin „bleibt die Demokratieerklärung Bestandteil unserer Bescheide“. Das AkuBiZ hingegen triumphiert – und mit dem Verein ein Großteil der Initiativen, die finanziell am Tropf des Staates hängen.Mehrheitlich haben sie, wenn auch zähneknirschend, die Klausel unterzeichnet, weil sie sonst ihre Arbeit nicht hätten fortsetzen können und ihre Jobs verloren hätten. Doch erklärt Steffen Richter vom AkuBiZ: „Uns ging es nie ums Geld, sondern um das grundsätzliche Demokratieverständnis hinter der Klausel.“