Es war ein »Rendezvous für die Geschichte«, das Treffen von Tassos Papadopoulos und Rauf Denktash, Führer der griechischen wie türkischen Zyprioten, mit Kofi Annan in Den Haag, denn ein Ergebnis blieb aus. Zypern bestätigte sich erneut als »Friedhof der Diplomatie«. Die UNO hatte einen Plan ausgearbeitet, wie die seit 1974 geteilte Insel noch vor dem EU-Beitritt wiedervereinigt werden kann. Nach dem Scheitern der Gespräche wird nur der griechisch-zypriotische Teil der Insel am 16. April die Aufnahmeunterschrift leisten.
Annan hatte in einem cleveren Schachzug beide Seiten keineswegs dazu aufgefordert, seinem Wiedervereinigungsplan zuzustimmen. Sie sollten in Den Haag lediglich ihre Bereitschaft erklären, seinen Plan in beiden Teilen Zyperns
n Zyperns am 30. März zur Volksabstimmung vorzulegen. Doch Denktash winkte ab, da ihm wesentliche Teile dieses Planes missfielen. Der erst Mitte Februar neu gewählte Präsident der griechischen Zyprioten, Tassos Papadopoulos, sagte in letzter Minute »Ja« zu einem solchen Referendum, forderte aber »kleinere« Veränderungen am Plan und mehr Zeit. Er schien froh zu sein, dass Denktash ablehnte und somit die Griechen nicht für das Scheitern der UN-Vermittlung verantwortlich gemacht werden konnten. Eine Alternative - dieser Plan oder ein besserer - bestand nicht mehr nach monatelangen Verhandlungen. Das von der UNO intendierte Projekt sah die Bildung eines Bundestaates mit schwacher Zentralregierung und großen Veto-Rechten für die Minderheit vor. Auf der Insel leben etwa 80 Prozent Zypern-Griechen und 20 Prozent Zypern-Türken. Letztere hätten einen Teil der Gebiete, die von der türkischen Armee 1974 besetzt wurden, an die griechische Seite zurückgeben müssen. Damit wäre für etwa 90.000 der seinerzeit geflohenen zirka 200.000 Griechen eine Rückkehr in ihre Heimatdörfer möglich gewesen - weitere 60.000 sollten in den nächsten 15 Jahren folgen. Da aber nicht ausnahmslos allen Flüchtlingen eine solche Perspektive geboten wurde, verwarf die Führung der Zypern-Griechen die Rückwanderungsszenarien in Gänze. Schließlich hatte Papadopoulos erst vor wenigen Wochen die Präsidentschaftswahlen gewonnen, weil er sich als energisch und kompromisslos profiliert hatte. Größte Partei in seinem Wahlbündnis ist übrigens die kommunistische Partei AKEL, die einst als verständigungsbereit galt, inzwischen aber nationalistischer geworden ist.Rauf Denktash seinerseits hatte stets den Gebietsaustausch und das Rückkehrrecht für die griechische Volksgruppe moniert. Drohend malte er die schleichende Übernahme des zypern-türkischen Teils der Republik durch die Griechen an die Wand und setzte sich schließlich mit seinem Nein zum UN-Plan und zur Volksabstimmung gegen die Meinung einer Mehrheit der Zypern-Türken durch. 70.000 hatten im Januar noch für eine Unterstützung des Annan-Planes demonstriert und sahen eine Wiedervereinigung als große Chance. Denn wirtschaftlich und sozial liegt der türkische Norden danieder und könnte durch die EU-Mitgliedschaft und entsprechende EU-Gelder einen Aufschwung erwarten.Doch der interne Druck auf Denktash war groß, nicht zuletzt deshalb, weil im Mutterland Türkei die Auffassungen in der Regierung geteilt waren, wie man verfahren sollte. Letztlich haben sich Erneuerer und Beharrer in Ankara darauf geeinigt, jetzt noch nicht den Trumpf »Zypern« aus der Hand zu geben, sondern ihn sich für weitere Stationen auf dem Weg in die EU zu erhalten. Dass die Erneuerer um den künftigen Premier Erdogan ein solches Vorgehen akzeptiert haben, hängt wohl auch mit dem drohenden Irak-Krieg zusammen. Aus Angst, die USA zu verprellen, sind sie bereit, ihr Land gegen den Willen einer Mehrheit in der Bevölkerung und im Parlament als Aufmarschgebiet einer zweiten US-Front zur Verfügung zu stellen. Noch eine innenpolitische Kontroverse meinte sich Erdogan jetzt nicht leisten zu können.Auch die griechische Führung der Insel ist nicht unschuldig. Seit Jahrzehnten suggerieren die Spitzenpolitiker der Bevölkerung, dass eine Wiedervereinigung ohne Kompromisse nicht nur gerecht, sondern auch möglich ist. Eine offensive Politik für eine Verständigung haben sie nicht betrieben und auch nicht in der eigenen Bevölkerung zu verankern versucht - das nützte dem Hardliner Denktash. Es ist kein Zufall, dass nur eine kleine Gruppe von Friedensaktivisten im griechischen Teil für ein klares Ja zum Annan-Plan auf die Straße ging, während die Mehrheit eher desinteressiert und skeptisch war. Den Zypern-Griechen geht es wirtschaftlich gut, der Tourismus floriert, die Aufnahme in die EU ist nicht von einer vorherigen Wiedervereinigung abhängig. Die Flüchtlinge haben sich längst im zypern-griechischen Teil etabliert. Es bestand und besteht also keine unmittelbare Notwendigkeit, sich für eine Wiedervereinigung ein Bein auszureißen.Wie schon so oft in der Geschichte Zyperns wird jetzt erst einmal eine Verhandlungspause eintreten. Spätestens wenn die Türkei offizielle Beitrittsverhandlungen mit der EU zu führen beginnt, dürfte das Thema wieder verhandelt werden. Bis dahin bleibt ein anachronistischer Stacheldraht, der mitten durch das Land geht.