Afrika den Afrikanern

KONGO-KINSHASA Die UNO sieht sich außerstande, mit einer Peace Keeping-Mission den Krieg im um die "Region der Großen Seen" einzudämmen

Diesen Kongo-Gipfel in New York hat der kongolesische Präsident Laurent-Désiré Kabila ausnahmsweise einmal nicht erbost verlassen, wie das sonst seine Art ist. Geländegewinne für den Frieden im Herzen des schwarzen Kontinents lassen sich dennoch nicht vermelden. Im UN-Hauptquartier waren die Mitglieder des Sicherheitsrats vor Wochenfrist vergeblich bemüht, mit den Staatschefs Angolas, Kongos, Mosambiks, Ruandas, Sambias, Simbabwes, Ugandas wie den Außenministern Namibias und Südafrikas per Diplomatie den Krieg im Kongo zu beenden. Statt dessen gab es die üblichen Schuldzuweisungen. Für Kabila sitzen die Urheber des Konflikts allein in Kigali, Kampala und Washington - letzteres wegen amerikanischer Waffenlieferungen an Ruanda und Uganda -, während die Rebellen des Rassemblement Congolais pour la Démocratie (RCD) das Drama vorzugsweise als internes Problem des Kongo betrachten.

Der Bürgerkrieg hatte am 2. August 1998 begonnen - ein knappes Jahr später, am 10. Juli 1999, konnte mit dem Abkommen von Lusaka endlich ein Waffenstillstand zwischen Kongo-Kinshasa, seinen Alliierten Angola, Simbabwe, Namibia und den Feinden des kongolesischen Staatschefs - Ruanda und Uganda - unterzeichnet werden. Die drei Fraktionen des RCD folgten mit ihren Unterschriften im August. Dabei galt der Konsens nicht nur für eine unbefristete Feuerpause, sondern ebenso für den Rückzug aller ausländischen Streitkräfte, eine Demilitarisierung des RCD, eine (mögliche) Peace Keeping-Mission von UNO und OAU sowie freie Wahlen. Die Tinte war noch nicht trocken, als der Vertrag schon verletzt wurde - ausnahmslos von allen Konfliktparteien. Zusätzlich lieferten sich kurzzeitig auch ugandische und ruandische Truppen im Kongo blutige Gefechte, weil man sich unterschiedlichen Ausläufern des RCD verbunden fühlte.

Dabei haben die Komplikationen bei der Friedenssuche viele Gründe: Der Konflikt hat geopolitische Dimensionen, an vielen Schauplätzen in der Region der Großen Seen überlagern sich widersprüchliche Entwicklungen, die von teilweise äußerst egozentrischen Politikern repräsentiert werden: Von Laurent-Désiré Kabila beispielsweise, der sich nach seinem Sieg über Diktator Mobutu im Mai 1997 - seinerzeit dank freundlicher Protektion Ruandas und Ugandas - zum Präsidenten erheben konnte. Ausgestattet mit der Vorliebe für eine Amtsführung, die allzu offensichtlich mit Gepflogenheiten des ancien régime kokettierte. So wurde über "Volkskomitees" die gesamte Bevölkerung in ein uniformes, gleichgeschaltetes Staatswesen eingebunden. Das musste bedrückende Erinnerungen an Mobutus Einheitspartei Mouvement Populaire de la Révolution (MRP) wecken. Für Politiker, die schon immer zu diesem Herrschaftsprinzip der Patronage in Opposition gestanden hatten, war Kabilas Post-Mobutismus eine bittere Erfahrung. Viele tauchten daraufhin erneut in die Illegalität ab. Zu diesem innenpolitischen Konflikt gesellte sich bald der außenpolitische Eklat: Kabila versuchte, Ende Juli 1998 Ruanda und Uganda mit ihren Militärkontingenten brüsk aus dem Land zu werfen und verschaffte so der inneren Opposition den bis dato fehlenden Flankenschutz aus der Nachbarschaft.

Man muss dazu wissen, dass Ruandas Führung bis heute im Banne des Genozids von 1994 steht und selbstverständlich alarmiert ist, wenn die Täter von damals (Hutu-Milizen, Soldaten der einstigen Armee des ruandischen Diktators Habyarimana) inzwischen auf seiten der kongolesischen Regierungstruppen kämpfen. Ohne Garantien für die Sicherheit des Minderheitsvolkes der Tutsi und die jetzige Regierung in Kigali kann es daher keinen Ausgleich mit Kabila geben. Eine Verständigung zwischen den Völkern der Hutu und Tutsi gilt sogar als eine der Schlüsselfragen, die über den Verlauf des Krieges im Kongo entscheiden.

Während des New Yorker Gipfels, der besonders auf Betreiben der USA zustande gekommen war, zeigten sich die meisten afrikanischen Staatschefs zwar willens, das Abkommen von Lusaka künftig zu respektieren. Doch um es einhalten zu können, halten ausnahmslos alle die Entsendung eines UN-Friedenskorps für unabdingbar - teilweise jedoch in der sicheren Gewissheit, dass es vorerst nicht dazu kommt. Eine solche Mission müsste aus 500 unbewaffneten Militärbeobachtern und mindestens 5.000 Soldaten bestehen. Allerdings konnte sich der Sicherheitsrat jetzt lediglich dazu aufraffen, "die Entsendung von Militärbeobachtern unter Berücksichtigung ihrer Sicherheitslage" zu prüfen. Die USA haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die Teilnahme an einem UN-Afrika-Korps strikt ausschließen. Im Gedächtnis haftet noch das Desaster der Somalia-Mission von 1992/93, zum anderen existieren in der Administration erkennbar divergierende Auffassungen über das weitere Vorgehen im Kongo. Skeptiker im State Department stellen - nicht zu Unrecht - die Frage, ob Blauhelm-Formationen in einem Land von der Ausdehnung Westeuropas, in dem riesige Flächen von tropischen Wäldern bedeckt sind und die vorhandene Infrastruktur diesen Namen nicht verdient, wirklich eine Mission erfüllen können oder eher hoffnungslos scheitern müssen. Schließlich resultiert die Skepsis auch aus dem Wissen um die selbstsüchtigen Interessen der einzelnen Konfliktparteien. Von den involvierten Staaten denkt jeder an eigene Ziele, wenn ein Bekenntnis zum Lusaka-Abkommen formuliert wird. Zwar mahnte UN-Generalsekretär Kofi Annan die Kombattanten, sie seien mit einer erstrangigen Herausforderung konfrontiert, ohne guten Willen in Afrika ließe sich kein multilaterales Engagement fordern. Doch ist die Schwelle zum Verstoß gegen den Waffenstillstand von Lusaka so hemmungslos gesenkt worden, dass gegenseitiges Vertrauen als unerschwinglicher Luxus gilt. Angesichts der Verstrickung so vieler Staaten in den Konflikt will niemand das Risiko eingehen, errungene Positionen aufzugeben. Dieser Umstand ließ im übrigen auch Südafrikas Außenministerin Nkosazana Zuma zögern, mit einem eigenen Militärkontingent den ersten Schritt zu einem afrikanischen Friedenskorps im Kongo zu gehen.

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