Ausgerechnet in Berlin, das als Hauptstadt von Filz und Korruption betitelt wird, richtete letzte Woche das Nationale Olympische Komitee (NOK) seinen Neujahrsempfang aus. Beherrschendes Thema war der Korruptionsskandal, der sich um die Vergabe der Olympischen Spiele rankt. Sechs seiner Mitglieder hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) wegen Vorteilsannahme bereits ausgeschlossen. Drei weitere traten von sich aus zurück. Und die Untersuchungen gehen weiter.
Inzwischen sind auch die Methoden ins Zwielicht geraten, mit denen sich Sydney unter anderem gegen Berlin als Austragungsort von Olympia 2000 durchsetzte. In Australien kamen Unterlagen ans Licht, in denen IOC Mitgliedern aus Kenia und Uganda angeboten wird, ihnen einen Aufenthalt in London sowie einen Fonds für afrikan
;r afrikanische Sportler zu spendieren.Bestätigt sich damit das Klischee vom gutgläubigen Deutschen, der durch schmutzige Tricks durchtriebener Ausländer aufs Kreuz gelegt wird? Soll sich Berlin dem gleichfalls unterlegenen Manchester anschließen, das bereits Wiedergutmachungszahlungen des IOC für seine gescheiterte Bewerbung fordert? Das sollten die Berliner besser bleiben lassen.Denn falls das IOC wie angekündigt seine Untersuchungen auf alle Bewerberstädte der jüngsten Vergangenheit ausdehnt, dürfte es auch in Berlin fündig werden. Entscheidende Akten wurden aber »per Reißwolf und durch Handzerreißen« vernichtet, wie es in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister hieß. Diepgen erklärte dazu locker: »Es war eine Dummheit, Akten auszusieben und zu vernichten«. Eine Dummheit, aber keine Straftat. Die Berliner hatten vorgebaut und sich des strengen Regelwerks der Landeshaushaltsordnung entledigt, indem sie die Bewerbung über zwei privatrechtliche Gesellschaften abwickelten: die zuerst gegründete Olympia GmbH, in die die öffentlichen Gelder flossen, und die später hinzugekommene Olympia Marketing GmbH, die private Sponsorengelder verwaltete.Der Berater Nikolaus Fuchs schildert den Grundgedanken so. Zuerst habe er Lutz Grüttke, den ersten Geschäftsführer der Olympia GmbH, über die Usancen einer Olympiabewerbung aufgeklärt: »Dazu brauchen Sie Handlungsfreiheit und Geld. Und Sie müssen frei sein von öffentlichen Kontrollen.« Dann seien sie zu Diepgen gegangen und hätten gesagt:»Bürgermeister, wir können die Spiele nur gewinnen, wenn wir das Spiel mitspielen. Dafür brauchen wir Geld, und das Geld kann nicht vom Staat kommen. Sonst bekommen Sie große Schwierigkeiten.« Daraufhin wurde die Olympia GmbH um die Marketing GmbH ergänzt. Zu ihren Gesellschaftern und Sponsoren zählten unter anderem Daimler-Benz, Bertelsmann, Lufthansa und die Berliner Hypothekenbank mit ihrem unvermeidlichen Vorstand, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Landowsky.Über die Marketing GmbH floß nun ein privater Geldstrom in die Bewerbung, der nicht der Kontrolle durch Parlament und Rechnungshof unterlag. Dabei investierten die Konzerne keineswegs echtes Geld. Vielmehr floß jede Mark aus der Marketing GmbH in Form von Aufträgen der Olympia GmbH an die Sponsoren zurück. Die Abschlußbilanz der beiden Gesellschaften zeigt es drastisch: Während die aus Steuergeldern finanzierte Olympia GmbH über 86 Millionen ausgab, schloß die private Marketing GmbH mit einer Million Mark Gewinn ab. Der Hauptzweck aber wurde erreicht. Gegenüber dieser Geldwaschanlage hatten der Landesrechnungshof, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß und die Justiz am Ende das Nachsehen.Einzig dem WDR-Magazin Monitor gelang es, andeutungsweise zu enthüllen, was verschleiert werden sollte: »Der Erfolg oder Mißerfolg einer Olympiabewerbung hängt ausschließlich davon ab, in welchem Ausmaß es gelingt, mit den Methoden des Âpersonal lobbying die Stimmen der IOC Mitglieder für sich zu gewinnen. Es ist unbedingt erforderlich, daß eine Art zentraler Datenbank existiert, in der die genauen Lebensumstände, politischen Grundauffassungen, sportpolitischen Abhängigkeiten, persönlichen Neigungen, Werthaltungen, Schwächen etc. bis ins Detail gespeichert und verknüpft sind.« Das vermeldete der Olympiaagent »Astrid«, seines Zeichens Professor an der Deutschen Sporthochschule und Vizepräsident der Deutschen Olympia-Gesellschaft.Berater Fuchs legte daraufhin eine entsprechende Datei an, die auch die Rubriken »Drogenkonsum«, »Sexuelle Neigung« und »Käuflich« umfaßte. Das hätte er nicht tun sollen. Daß es herauskam, kostete ihn den Job. Grüttkes Nachfolger Axel Nawrocki ließ ihn nach dem Monitor-Bericht eiligst fallen. Vor allem aber war es verkehrt, die IOC-Leute in Eigenregie bestechen zu wollen. Nach allem, was wir heute wissen, hätten die Berliner den Stimmenhändlern vertrauen müssen. Diese »Marketing-Berater« verkaufen en bloc zehn oder auch zwanzig IOC-Stimmen ihrer Klienten an den Meistbietenden. Waren die Berliner zu blöd, das System zu kapieren, zu mißtrauisch gegenüber den Zwischenhändlern oder zu geizig, ihnen Provision zu zahlen?Die Öffentlichkeit würde sicher gern mehr erfahren über die Umstände, unter denen die Berliner Olympia-Bewerbung Schiffbruch erlitt. Auch NOK Präsident Walter Tröger sagte anläßlich des Neujahrsempfangs: »Wir würden es begrüßen, wenn uns Diepgen, Grüttke oder Nawrocki derartige Angebote machen würden.« Er kann sicher sein, daß daraus nichts wird. Diepgen will Bürgermeister bleiben. Grüttke wurde sein Abschied - wie es hieß - durch »ein wirtschaftliches Arrangement« von Daimler-Benz vergoldet. Und Nawrocki hat alle Hände voll zu tun, sich auf dem Vorstandssessel der Deutschen Bahn AG zu halten, auf den er befördert wurde.Sein Problem: Die Katze läßt das Mausen nicht. Ein kostenloses Jahresticket für die Bahn schusterte er Diepgens Kanzleichef Volker Kähne zu, ein weiteres Detlef Prinz, dem Westberliner DGB-Jungstar der siebziger Jahre und Intimus des einstigen IGM-Vorsitzenden Steinkühler, der über Insider-Geschäfte an der Börse stolperte. Kähne hat das Ticket schlauerweise zurückgehen lassen, Prinz dummerweise nicht. An Berliner Verhältnisse kann man sich gewöhnen. Sie werden manchem sogar zur zweiten Natur.