"Es lebe Álvaro Uribe Vélez - 2004 bis 2010 und viele Jahre mehr!" Die euphorischen Wünsche für den kolumbianischen Staatschef kommen aus seinem engsten Freundeskreis und sind die Schluss-Parole eines Drohbriefs an Menschenrechtsvereine und Gewerkschaften. Für die Verfasser ist der entschlusskräftige Hardliner "ihr" Präsident, der sein Law-and-Order-Credo zu Recht wie eine Monstranz vor sich her zu tragen pflegt. Auch wenn es vor den Wahlen am 28. Mai erneut Anschläge rechter Todesschwadronen gab, denen unter anderem zur Last gelegt wurde, die Schwester des Ex-Präsidenten César Gaviria (Partido Liberal/PL) entführt und ermordet zu haben.
Uribe Vélez heizte unter diesen Umständen seinerseits die Stimmung an und setzte die Opposition mit der linken Guerilla gleich: "Das Land wird wählen müssen, ob wir weiter fortschreiten mit der Verbesserung der demokratischen Sicherheit als Weg des Friedens oder ob wir zurückgehen und der verkleidete Kommunismus unser Vaterland in die Hände der FARC übergibt." Die Medien hatte er hinter sich, während des Wahlkampfes vermochte kein anderer Bewerber nur annähernd eine gleiche Präsenz zu beanspruchen.
Der Ausgang des Votums über die Präsidentschaft konnte insofern nicht weiter überraschen, eher die Nachdrücklichkeit der Entscheidung: Schon im ersten Wahlgang triumphierte Uribe mit 62 Prozent der Stimmen und bescheinigte den traditionellen Parteien in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht zu sein: Horacio Serpa, der Bewerber des Partido Liberal kam auf marginalisierende zwölf Prozent, im Unterschied dazu schlug sich der ehemalige Verfassungsrichter Carlos Gavíria für den linken Polo Democrático Alternativo mit 22 Prozent noch achtbar. Um so mehr umgibt sich Uribe nun mit einer Aura der Unersetzlichkeit, zu Lasten des ohnehin geschwächten Parteiensystems (s. Übersicht), das nur noch ein Schattendasein fristet und als Korrektiv einer gestärkten Exekutive ausfällt. In der zweiten Amtszeit Uribes, kommentiert die Zeitung El Tiempo in Bogotá, werde niemand mehr die notwendige Unabhängigkeit haben, um auch nur ansatzweise so etwas wie demokratische Kontrolle auszuüben.
Uribes Erfolg ist neben einer stringenten Sicherheitsphilosophie auch seinem Pakt mit der katholischen Kirche zu verdanken. Der präsidiale Feldzug gegen die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs wie gleichgeschlechtlicher Partnerschaften entzückte den Klerus und dominierte neben der Frage nach dem erlaubten Drogenquantum für den privaten Konsum den Wahlkampf mehr als alles andere. Der bewaffnete Konflikt mit der linken Guerilla oder das Freihandelsabkommen mit den USA spielten nur eine untergeordnete Rolle. Ohne Zweifel hat Uribes innere "Mobilmachung gegen den Terror", der er sich seit August 2002 im Amt des Staatschefs verschrieb, landesweit - vorrangig im urbanen Mittelstand - Eindruck hinterlassen. Polizei und Militär wurden beharrlich aufgerüstet, um besonders die größte Guerilla, die etwa 17.000 Kämpfer zählende Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) in ihren Refugien zu bedrängen. Mit der kleineren Formation, dem Ejército de Liberación Nacional (ELN), wird bereits seit mehr als einem Jahr auf Kuba über Waffenstillstand und Demobilisierung verhandelt.
Vor vier Jahren war Uribe mit dem Slogan "Harte Hand und großes Herz" angetreten - die "harte Hand" bekamen freilich weniger die Guerilleros zu spüren, als vielmehr Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften. Ein monatelanger Ausnahmezustand und Massenverhaftungen waren ebenso ein Phänomen der vergangenen vier Jahre wie gewaltsame Vertreibungen. Allein 2005 mussten über 300.000 Kolumbianer Haus und Hof verlassen - nicht allein, weil sie einem schwelenden Bürgerkrieg im Wege standen. Oft sorgten auch wirtschaftliche Interessen für den Exodus. Fast sieben Millionen Hektar Land wechselten so den Besitzer, wobei viele Latifundien deaktivierten rechten Paramilitärs zufielen - als Bonifikation gewissermaßen für den Rückzug aus dem "aktiven Dienst". Das "Gesetz für Frieden und Gerechtigkeit" sieht weder die Rückgabe dieser Ländereien noch eine Entschädigung der ursprünglichen Eigentümer vor.
Ohnehin hat der 2002 begonnene, schwer durchschaubare Prozess einer Entwaffnung der rechten bis ultrarechten Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) erhebliche Bedenken erregt. Als inoffizielle Alliierte staatlicher Sicherheitskräfte gehen mutmaßlich 70 bis 80 Prozent der registrierten Menschenrechtsverletzungen auf das Konto der "Unidas". Als Geste bei den "Friedensverhandlungen" mit der Regierung hatten die Paras zwar Waffendepots übergeben, aber auf so gut wie nichts von ihren kriminell erworbenen Pfründen verzichtet. Als Alvaro Uribe am 8. August 2002 erstmals für das höchste Staatsamt vereidigt wurde, war von einer Stärke der "Paras" in einer Größenordnung von 20.000 Mann die Rede, im Mai 2006 allerdings sahen sich nach offiziellen Angaben bereits 30.151 Männer demobilisiert. Ein wundersamer Zuwachs, der damit zu erklären ist, dass die AUC-Kommandeure nicht selten Jugendliche und Kriminelle aus den Armenquartieren zur Ausmusterung delegierten. Nach außen hin signalisierte dieser Schachzug, es seien doch viele Unbescholtene und Verführte unter den Gardisten der AUC - mit der in Lateinamerika verbreiteten Kultur der Straflosigkeit auch in diesem Fall nicht zu brechen, das sei vollauf berechtigt.
Kolumbiens Parteienspektrum - Parlamentswahlen März 2006
(in Klammern Senatswahl)
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