Alternativlos ist auch keine Lösung

Ton & Text Konkurrenz für die GEMA? Vielleicht. Irgendwann. Gegründet ist die potenzielle neue Musik-Verwertungsgesellschaft C3S jetzt immerhin schon mal

Tobias Holzmüller ist ein smarter junger Mann mit adretter auf ein bisschen wild getrimmter Frisur, modischer Dickrandbrille und FDP-Gedenk-Sakko. So stellt man sich einen jungdynamischen Anwalt vor – und siehe da, er ist Justiziar der GEMA.

Es ist gemeinhin nicht wirklich fair oder zielführend, die Botschaft am Äußeren zu bemessen; indes: Hier geht es um Musik, vorzugsweise um – im weitesten Sinne – Popmusik, und es gibt wenig andere Kunstformen, bei denen Form und Inhalt in einem innigeren Austausch stehen. Oft genug ist der Augenschein die Botschaft selbst. Was, muss man an dieser Stelle fragen, meint wohl einer der aussieht wie Holzmüller, und dessen Arbeitgeber die GEMA ist, über die C3S? „Wir sehen die C3S nicht als echte Alternative zur GEMA.“ Die Musikwoche, angestammtes Branchenblatt der Musikwirtschaft, hatte mal nachgefragt.

„Keine Alternative“ ist natürlich ausgemachter Quatsch. Holzmüller muss das wissen, denn es ist der eigentliche Sinn der C3S, eine Alternative zur GEMA zu bieten. Soeben wurde die neue Verwertungsgesellschaft förmlich gegründet, immerhin über 100.000 Euro Anschubfinanzierung hat die dahinterstehende Initiative per Crowdfunding eingesammelt. Die C3S – „Cultural Commons Collecting Society“ heißt das in der ausführlichen Variante – ist ein zukunftsträchtiges Thema. Das liegt vor allem daran, dass die GEMA selbst seit Jahr und Tag unablässiger Themenlieferant für jeden ist, der sich auch nur im Ansatz mit der zyklisch auf- und abwogenden „Urheberrechtsdebatte“ im Musikbereich beschäftigt. Am Beginn von Aufwärtswellen der nicht selten heftig geführten Diskussion steht nämlich ziemlich oft der Name GEMA. Beziehungsweise der Ärger über diese. Ob der jeweils berechtigt ist, steht dabei vielleicht auf einem anderen Blatt. An der Unzufriedenheit mit der in Deutschland schier allmächtig wirkenden Verwertungsgesellschaft für Komponisten und Textdichter ändert das nichts.

„Die C3S wird gemeinschaftlich von allen Mitgliedern auf Basis ihres vollen und gleichen Stimmrechts geformt. Jedem Mitglied steht es frei, der C3S nur ausgewählte Werke zur Verwertung und Verwaltung zur Verfügung zu stellen – die C3S beabsichtigt keine exklusive, personenbezogene Lizenzierung.“ So beschreibt die C3S ihre Lösung von zweien der Kernprobleme, die es derzeit mit der GEMA gibt. Mit der in der Satzung festgeschriebenen Klassen-Demokratie – nur Vielverdiener haben letztendlich wirksames Stimmrecht über die Arbeitsgrundlagen und die Verteilung der Einnahmen – und der kaum zu durchbrechenden Alles-oder-nichts-Lizenzierungspolitik sind immer mehr Urheber unzufrieden. Mit dem katastrophalen Image, das der GEMA anhaftet, sowieso. Nur: Wer mit seinen Werken auch Geld verdienen will, hatte bisher praktisch keine Wahl, außer GEMA-Mitglied zu werden. Eben das soll sich mit der C3S ändern.

Die Eckpunkte der Arbeit orientieren sich dabei ganz deutlich an den Mängeln der GEMA. Die hat einerseits das elektronische Zeitalter mit seinen Optionen der automatisierten Datenerfassung und -verarbeitung bisher weitgehend ignoriert und kommt mit den nach Bedarf variablen neuen Creative-Commons-Lizenzierungsarten nicht zurecht. „Werkbasierte Verwertung“, „vollständige Kontrolle über deine Werke“, „gleiche Stimmrechte für alle Mitglieder und Transparenz“, „geringer Verwaltungsaufwand“, „aktuelle Technologie“, „Rechtssicherheit“, „klare und akzeptable Tarife“ sind die Schlagworte, mit denen die C3S folgerichtig punkten will. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Ob die C3S jemals wirklich als ernstzunehmende Verwertungsgesellschaft mitspielen darf, kann derzeit noch niemand sagen. Denn erstmal muss man vom Deutschen Patent- und Markenamt zugelassen werden. Das ist die zuständige Aufsichtsinstitution, durch besonderen Antimonopolisierungseifer ist sie in all den Jahren der Kontrolle über die GEMA nicht aufgefallen. Genau genommen hatte man bisher den Eindruck, das Amt ließe die GEMA generell einfach machen. Allerdings: Bis jetzt ist auch so ziemlich jede gerichtliche Überprüfung der Kompetenzen und Aktionen der GEMA zu deren Gunsten ausgegangen. Besonders relevant ist dabei die so genannte „GEMA-Vermutung“, die davon ausgeht, dass jedes in Deutschland aufgeführte Musikstück in deren Zuständigkeit fällt.

Wer sich dem entziehen will, muss penibel nachweisen, dass die verwendete Musik nicht von durch die GEMA vertretenen Urhebern stammt. Mit einer funktionierenden C3S könnte diese essenzielle Grundlage aller Tarif-Diskussionen ins Wanken geraten. Dafür, und für die generelle Arbeitsfähigkeit, braucht es eine kritische Masse an Urhebern, die sich durch die C3S vertreten lassen. Die zu erreichen, ist das wichtigste aktuelle Ziel, schon, weil das auch ein wichtiges Kriterium für eine eventuelle Zulassung ist. Frühestens in zwei Jahren soll überhaupt erst der Antrag gestellt werden. Bis dahin gilt es, das Geschäftsmodell schlüssig darzustellen und die grundlegende Infrastruktur aufzubauen. Das kostet neben Zeit und Nerven vor allem auch Geld. Mit den bisher eingesammelten 100.000 Euro kommt man da nicht wirklich weit. Eine Finanzierungszusage über 200.000 Euro vom Land NRW wird erst aktuell, wenn der gleiche Teil als Eigenmittel aufgebracht werden kann. Klappt das nicht in absehbarer Zeit, wird es sehr, sehr mühselig.

Dass die GEMA die nächsten beiden Jahre nicht einfach so verschlafen wird, ist inzwischen auch schon klar. Gerade im Umgang mit Creative Commons-Lizenzen will sie sich öffnen, entsprechende Verhandlungen laufen schon. Außerdem wird derzeit massiv in die Datenverarbeitungs-Infrastruktur investiert. Wer guten Glaubens ist, könnte annehmen, dass dies ein großer Schritt hin zur Track-genauen Abrechnung wird. Die allgemein nur noch als Feigenblatt wahrgenommene Erfassung der wirklich in Deutschland aufgeführten Musik durch eingereichte Titel-Listen oder das undurchsichtige „DJ Monitoring“ dienten bisher als eine wichtige Begründung für die offensichtliche Schieflage bei der letztendlichen Gewinnausschüttung an die Urheber, von der systematisch die Großverdiener profitieren. Mit der Konkurrenz in Gründung hätte das alles natürlich nichts zu tun, hört man von der GEMA bei jeder Gelegenheit. Das muss man nun wahrlich nicht glauben. Bewegung ist also schon mal drin. Aber bis es mit der C3S wirklich los geht, werden auf jeden Fall noch ein paar mehr Justiziare gut zu tun haben.

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