Vertrag ist in der Post

Ton & Text Die neuen GEMA-Tarife für DJs sind zwar jetzt amtlich und vielleicht sogar erträglich – aber deshalb noch lange nicht vertragsreif

Am Ende ging es dann doch recht flott. Zu flott sogar für die GEMA selbst, die ganz gern Verträge mit jedem DJ des Landes abschließen möchte. Indes: Die Hausjuristen kommen nicht hinterher mit der Formulierung des Kleingedruckten – so ungefähr lässt sich zumindest interpretieren, was man von der GEMA-Pressestelle hört. Dieses Kleingedruckte ist – man ahnt es – einer der komplizierten Knackpunkte der neuen „DJ Abgabe“. So nennen die Betroffenen gern den „Tarif VR-Ö“, der seit 1. April für all jene gilt, die mit gebrannten CDs oder Laptop auflegen. Theoretisch gilt, muss man hinzufügen. Denn praktisch scheint es eben doch nicht ganz einfach, rechtssicher und wasserdicht zu formulieren, was von der GEMA bisher immer recht schnippisch behauptet wurde: dass man sich per Vertrag selbstverständlich „Kontrollrechte“ einräumen lassen würde.

Von diesen Kontrollrechten wird man in nicht allzu ferner Zukunft sicher noch hören. Sie sind nach bisherigem menschlichem Ermessen so ziemlich das einzige Mittel, mit dem die GEMA überprüfen kann, ob DJs korrekt lizenzierte Musik verwenden. Ob und wann zum Beispiel Kopien von GEMA-pflichtiger Musik erstellt wurden, die zum öffentlichen Abspielen gedacht sind. Für solche Musik sind in Deutschland Gebühren für die Urheber fällig, das steht sehr zweifelsfrei im Urheberrechtsgesetz. Bisher wurden die im Rahmen eines so genannten „Laptopzuschlags“ von den Veranstaltern übernommen. Als Aufschlag auf die üblichen „Disco“-Gebühren, falls eben der DJ mit Laptop oder selbst zusammengestellten CDs auflegt. Dass bei dieser Abgabe breitflächig getrickst wurde, bestreitet – unter vier Augen, versteht sich – kaum ein Clubbetreiber. Jetzt ist die lästige Extra-Rechnung aber komplett vom Tisch, sie war wohl so etwas wie Verhandlungsmasse in den eh schon Wellen schlagenden Tarifstreitigkeiten zwischen Tanzveranstaltern und GEMA, die im letzten Jahr sogar in Demonstrationen ausarteten. Ausgemacht und damals wenig beachtet wurde diese Änderung im Dezember, etwas versteckt in der Ankündigung, man würde die Streitigkeiten in eine Schlichtung vertagen.

Jetzt sind die neuen Tarife amtlich, final zusammengeklöppelt gerade mal gut zwei Wochen vor dem Inkrafttreten. Und die gute Nachricht ist natürlich: Es ist nicht ganz so schlimm geworden, wie es am Anfang klang. Zwar bleibt es beim Grundpreis von 13 Cent zuzüglich Steuer pro Kopie für jedes zur Aufführung gedachte Musikstück. Allerdings gibt es eine ganze Reihe Einschränkungen und Auffangregelungen. Die wichtigste: Alles, was sich vor dem 1. April 2013 auf der Festplatte angesammelt hat, lässt sich noch bis Jahresende pauschal für 125 Euro weglizenzieren. Angesichts der schnell 10- oder 20.000 Tracks umfassenden Sammlung eines ganz normalen Laptop-DJs kann das eine drastische Ersparnis sein. Fein raus ist auch, wer nur nicht kostenpflichtige „originale“ Dateien, also bei iTunes oder Beatport gekaufte Tracks direkt verwendet, ohne sie dazu zu kopieren. Was – nun ja – etwas lebensfremd aber immerhin nicht gänzlich unmöglich klingt. Allerdings nur, bis zur nächsten neuen Festplatte oder dem Aufspielen eines Backups – dafür werden dann auf jeden Fall 125 Euro fällig.

Insgesamt lässt sich sagen: „Existenzbedrohend“ wird die GEMA-Rechnung zumindest in diesem Jahr wohl für keinen DJ. Wenn man bereit ist, sich auf einen Vertrag mit der GEMA einzulassen, den bis heute noch niemand kennt und der eben jene Kontrollrechte einräumen soll über deren Art und Umfang man immer noch nur spekulieren kann. Nur mit Vertrag gibt’s Pauschalen und Nachlässe. Wer den nicht unterzeichnen will, muss „Einzellizenzierungen“ vornehmen, eine Option, die eigentlich nur für Gelegenheits-DJs mit schmalem Repertoire in Frage kommt.

Viele Kritikpunkte an dieser Tarifreform bleiben über das Vertragsproblem hinaus bestehen: allen voran die Ausschüttung der Einnahmen nach dem unter massiver Kritik stehenden Verteilungsschlüssel der GEMA und das damit verbundene – streng geheime und demzufolge null transparente – „Diskothekenmonitoring“, mit dem angeblich statistisch zuverlässig gemessen wird, welche Musik wirklich auf den deutschen Tanzflächen gespielt wird, was wiederum niemand außer der GEMA selbst glaubt. Die finanzielle Bestrafung künstlerischer Vielfalt – schließlich kostet jeder Track, den man parat hat, um ihn eventuell zu spielen, was in der Regel den übergroßen Teil der Sammlung ausmacht, bares Geld. Die praktische Unmöglichkeit für den einzelnen DJ, zu wissen, welcher seiner Tracks am Ende wirklich GEMA-pflichtig ist und die durch die geltende „GEMA-Vermutung“ umgekehrte Beweislast im Falle „freier“ Musik. Die Meldepflicht für jeden DJ, egal ob er einmal zum Spaß oder an jedem Wochenende professionell auflegt, und der absehbar riesige bürokratische Aufwand, um all das auch zu verwalten, ganz sicher eine erstklassige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die GEMA-Bezirksdirektionen. Der Spaß, ausländischen DJs zu erklären, dass sie besser hierzulande keine Musik hin- und herkopieren sollten. Denn dann – so lässt die GEMA wissen – „muss der DJ die Lizenz für die in Deutschland vervielfältigten Werke auch in Deutschland erwerben“.

Und wie sieht das nun praktisch aus? Als halbwegs klar kalkulierender DJ wird man so viele Track-Kopien wie nur irgend möglich zum Pauschaltarif in die Vergangenheit datieren und ansonsten eine möglichst kleine Anzahl an Neulizenzierungen angeben. Konkret: maximal 500, die kosten dann 50 Euro, mehr anzugeben, dürfte kaum jemandem in den Sinn kommen. Natürlich wird all die Lizenziererei eine auch grundsätzlich rechtsstaatlich zumindest fragwürdige Dauereinladung zum Gemauschel und Geschummel. Wie sollte derlei denn schon bewiesen werden, selbst wenn sich die GEMA vertraglich wirklich das Recht zusichern lässt, den Laptop eines DJs ganz genau unter die Lupe zu nehmen? Irgendwann wird es vielleicht den einen oder anderen Pechvogel-Präzedenzfall geben, für die Masse wird das Risiko minimal sein. Im Gegenzug wird die GEMA noch genauer nachschauen, wer bei welcher Veranstaltung auflegt und nicht registrierte DJs mit Pauschal-Forderungen überziehen – so wie es mit nicht (oder oft genug vermeintlich nicht) korrekt angemeldeten Konzerten oder Raves jetzt auch schon ist. Nur viel öfter, schließlich gibt es deutlich mehr DJs als Veranstaltungen. Schlechte Stimmung auf allen Seiten ist jedenfalls vorprogrammiert. Und das Thema Kosten ist sowieso noch lange nicht vom Tisch. Denn nach der GEMA kommt die GVL. Die wird sich sicher auch noch ihre Gebühren bei den DJs holen wollen. Diesmal für die Interpreten.

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