Aktuelle Kommentare zur US-amerikanischen Finanzkrise beziehen sich in den letzten Tagen immer häufiger auf die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1932, die ebenfalls in den Vereinigten Staaten ihren Ausgang nahm. In den USA ist eine Diskussion darüber in Gang gekommen, ob man die Wirtschaft noch den Marktgesetzen überlassen könne oder der Staat nicht vielmehr regulierend eingreifen müsse. Gestritten wird auch über die Maßnahmen zur Krisenbekämpfung: Ist es sinnvoll, große Bankunternehmen mit Krediten zu stabilisieren, oder sollen die Finanzhilfen nicht besser den "kleinen Leuten" zugute kommen? Die Regierung Bush, auf den Neoliberalismus eingeschworen, wäre zu einer massiven Staatsintervention zugunsten der großen Finanzinstitutionen bereit gewesen. Doch über die Wirksamkeit solcher Maßnahmen streiten sich die Experten.
Hoover: Alles unter Kontrolle
Um die vor allem wirtschaftstheoretisch fundierte Diskussion empirisch anzureichern, ist es sinnvoll, einen Blick zurück auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu werfen, mit der die US-Regierung damals die in den Vereinigten Staaten als "große Depression" bezeichnete Finanz- und Wirtschaftskrise zu bekämpfen versuchte.
Der Beginn der Krise wird in der Wirtschaftsgeschichte mit dem 29. Oktober 1929 datiert, als die Aktienkurse der führenden amerikanischen Unternehmen abstürzten. "Während des Zusammenbruchs des Aktienmarktes arbeiteten wir Tag und Nacht und versuchten, so viele Kunden wie möglich zu halten. Tag für Tag wurden weitere Maklerfirmen zahlungsunfähig", erinnerte sich der Bankier James P. Warburg. Die US-amerikanische Regierung war zunächst bestrebt, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Noch am 4. Dezember 1929 versuchte Präsident Hoover anlässlich der Eröffnung einer Konferenz der Handelskammern Optimismus zu verbreiten. Die Börsenkrise sei überstanden, die allgemeine wirtschaftliche Lage befriedigend, erklärte er. "Kapital, das vorher zu spekulativen Zwecken verwendet worden ist, fließt jetzt in die normalen Geschäftskanäle zurück."
Herbert Hoover, Republikaner und seit 1928 Präsident der USA, war ein überzeugter Wirtschaftsliberaler, der an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubte. Doch die Kurse an der Börse fielen weiter, wobei der Aktienkurs nur die gesamte Wirtschaftslage spiegelte. Die Produktion sank in allen Bereichen, gleichzeitig schnellten die Arbeitslosenzahlen in die Höhe. Unter diesen Umständen musste die Hoover-Regierung alle Anstrengungen unternehmen, den drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch aufzuhalten - und zwar mit Mitteln, die eigentlich nicht ins Arsenal der bis dahin herrschenden Laissez-faire-Politik gehörten.
Hoover lud zu einer Reihe von Konferenzen ins Weiße Haus. Er konferierte mit Industriemagnaten und Eisenbahnpräsidenten, mit Vertretern der Bauwirtschaft und der öffentlichen Versorgungsbetriebe, mit Gewerkschaftsführern und den Spitzen der Landwirtschaftsverbände. Sein Ziel war es, die Wirtschaft durch Bürgerschaften zu konsolidieren und den normalen Geschäftsgang aufrecht zu erhalten. Den Kongress setzte Hoover mit einer Reihe von Gesetzesvorlagen unter Druck: Ende 1929 etwa verlangte er niedrigere Einkommenssteuersätze. Das Parlament, aufgerüttelt durch die beunruhigenden Nachrichten, stimmte zu. Hunderte Millionen von Dollars wurden in eine Getreide- und Baumwollstabilisierungsgesellschaft gesteckt, um die Verkaufspreise der Farmer zu stützen.
Doch die einzige Wirkung, schrieb ein amerikanischer Wirtschaftshistoriker, war die Erhöhung der Staatsschuld. Die Finanzkrise dagegen wollte nicht enden. Bis Januar 1933 machten 5.000 Banken Pleite. In der Realwirtschaft hatte die Krise bereits 1930 zu einem Produktionsrückgang von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geführt, im Jahre 1931 waren es sogar 32 Prozent. Zwölf Millionen, ein Viertel aller Arbeitnehmer, waren ohne Job.
Staatskredit und Staatsverschuldung
Für die 1932 anstehenden Präsidentschaftswahlen hatten die Republikaner abermals Hoover nominiert. Gegen ihn gingen die Demokraten mit Franklin D. Roosevelt als Kandidat ins Rennen. So sah sich Hoover veranlasst, seine Bemühungen, der Wirtschaftskrise zu begegnen, zu intensivieren.Im Januar 1932 ließ er sich vom Kongress den Aufbau einer Wiederaufbaufinanzierungsgesellschaft (Reconstruction Finance Corporation, RFC) genehmigen, die die steuerfinanzierte Kreditvergabe an Banken, Bausparkassen und Versicherungsgesellschaften, Hypothekenbanken und landwirtschaftliche Kreditgesellschaften organisieren sollte. Im Juli wurde das Kreditvolumen der RFC erhöht und deren Aufgaben erweitert. Sie war nun auch beauftragt, Bundesstaaten sowie öffentlichen und privaten Institutionen Mittel zur Förderung von gemeinnützigen Projekten zu leihen.
In der Politik war die RFC allerdings umstritten. Die Demokraten kritisierten, diese Art der Kreditausgabe würde Banker und Industrielle stützen, die ihre unternehmerische Unfähigkeit bereits bewiesen hätten. Angesichts der massiven Kritik sah sich Hoover veranlasst, einige - weit geringer dotierte - Kreditvergaben, die beispielsweise den Farmern zugute kamen, zu starten. Weiterhin wurden so genannte Heimatkreditbanken eingerichtet. An ihnen sollten sich zwar Bausparkassen, Sparkassen und ähnliche Institute beteiligen, doch hauptsächlich flossen den neuen Banken Mittel aus dem Bundesfinanzministerium zu. Die Maßnahme zielte darauf ab, Kredite an Eigenheimbesitzer zu vergeben, wenn diese aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Lohnsenkungen - die Lohnsumme lag verglichen mit 1929 im Jahre 1931 bei nur noch 41 Prozent - die alten Kredite nicht mehr tilgen konnten.
Unter Hinweis auf dieses Programm versuchten die Republikaner die amerikanische Wählerschaft zu überzeugen, die Wirtschaftskrise erfolgreich zu managen. Doch je näher der Wahltermin, der 8. November 1932, rückte, um so mehr schienen die Wähler daran zu zweifeln, dass die Hoover-Regierung die Krise wirksam zu bekämpfen in der Lage war. Roosevelt dagegen versuchte erst gar nicht, mit konkreten Maßnahmen zu überzeugen, sondern versprach einen grundsätzlichen Wechsel in der Politik, einen neuen Kurs, der als New Deal in die Geschichte einging. Damit gewann Roosevelt die Wahlen.
"New Deal": Auch kein Gesamtkonzept
Die ihm übertragene Macht nutzten Roosevelt und seine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus zum raschen Handeln. Als der Kongress am 9. März, fünf Tage nach der Vereidigung des neuen Präsidenten, zu einer Sondersitzung zusammentrat, erließ er als erstes ein Bankennotstandsgesetz. Während die Bankgeschäfte für zehn Tage ruhten, wurden die in Schwierigkeiten geratenen Banken unter staatliche Aufsicht gestellt. Gleichzeitig wurde der RFC ermächtigt, von den als sanierungsfähig geltenden Banken Vorzugsaktien zu erwerben. Nur diese und die zahlungsfähigen Banken durften am 13. März ihre Schalter wieder öffnen.Insgesamt verabschiedete der Kongress während dieser historischen Sondersitzung an die zwanzig Gesetze. Verglichen mit Hoovers Krisenbekämpfung zeichnete sich der New Deal durch Reaktionsschnelligkeit und den Willen zur staatlichen Überwachung und Kontrolle der Wirtschaft mittels neu gegründeter Behörden aus. Die von Hoover geschaffene RFC blieb unter Roosevelt erhalten und wurde ausgebaut.
Ein Gesamtkonzept lag dem New Deal nicht zugrunde. Eine grundlegende Änderung des Wirtschaftssystems, etwa durch eine Verstaatlichung privater Unternehmen, war nicht beabsichtigt. In den ersten Jahren des New Deal suchte die Regierung die Gesundung der Wirtschaft vor allem in Kooperation mit den Unternehmern zu erreichen, durchaus mit Erfolg. Nach 1935 stärkte die Regierung den eingetretenen Aufschwung, indem sie die Kaufkraft erhöhte und die sozialen Sicherheitssysteme ausbaute. Eine mit den zwanziger Jahren vergleichbare Prosperität erreichte die amerikanische Wirtschaft vor dem Zweiten Weltkrieg indessen nicht mehr.
Ohne aus der 1929 in den USA einsetzenden Finanzkrise, der eine Krise der realen Wirtschaft folgte, unmittelbare Schlüsse für die heutige (Noch-)Finanzkrise ziehen zu wollen, lässt sich aus Hoovers vergeblichen Bemühungen doch resümieren, dass staatliche Intervention in Form von Finanzspritzen an Banken und Unternehmen allein nicht ausreicht, die Krise zu bewältigen. Statt Hoovers Spontanhilfen waren es die Aufsicht und Kontrolle besonders betroffener Wirtschaftsbereiche und die mittelfristige Abkehr von der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die Roosevelt den Erfolg brachten. "Wunder" im Sinne der Wiederherstellung der ökonomischen Prosperität, wie sie die USA in den neunziger Jahren erlebte, sind allerdings auch davon nicht zu erwarten.
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