Da ist vor einigen Wochen die in ihrer Auflagenhöhe stetig sinkende Neue Revue relauncht worden, und das Ergebnis ist zumindest ungewöhnlich: statt der zu erwartenden Fokussierung auf weitere Tittenbilder versucht sich die Neue Revue einen Anstrich des Seriösen zu geben und hat die Seiten mit den "Schönen Mädchen" ein wenig zugunsten von Polit-Gossip reduziert. Heraus gekommen ist dabei unter der Regie des ehemaligen Kohl-Wahlkämpfers Peter Bartels eine Art Focus oder Stern für Arme. Doch konnte sich die neueste Neue Revue bislang mit keiner Autorin und keinem Autor schmücken, die beziehungsweise der ansatzweise etwas Neues oder Spektakuläres hätte liefern können. Das hat sich seit der vorvergangenen Woche entscheidend geändert, denn Peter Bartels hat die Ex-Grüne und profilierte Fischer-Kritikerin Jutta Ditfurth für eine exklusive Serie über die Bündnisgrünen gewinnen können. Und zumindest auf Seiten der Medienredaktionen hat die Neue Revue damit für Aufmerksamkeit gesorgt wie in den vergangenen zehn Jahren nicht.
Ditfurth wurde zu Beginn dieser Serie mit einem einfühlsamen Portrait dargestellt, und die Serie begleiten seitdem private Bilder der Ditfurth, die mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun haben. Vielmehr zeigen sie die Autorin beim Arbeiten oder aber mit lässig über die Schulter geworfenem Mantel und einem daneben stehenden "Hübsch!". Auf diese Weise - legt das Layout nahe - unterschreibt Ditfurth die Geschichte mit dem gesamten Gewicht ihrer Person. Entsprechend auch das Logo zur Serie: Man sieht die Ditfurth lächelnd ihren Mittelfinger präsentieren, über den dann verschämt ein kleiner Joschka Fischer montiert ist. Hihi.
Was Jutta Ditfurth mit aller Kraft vorbringt, ist zum größten Teil bereits aus dem Buch Wir sind die Wahnsinnigen von Christian Schmidt bekannt, beziehungsweise ist angesichts der bekannten linksradikalen Vergangenheit von Fischer nicht wirklich spektakulär: Fischer habe mit geklauten Büchern gehandelt, Fischer habe aus der Popularität Cohn-Bendits politischen Nutzen gezogen, Fischer habe sich bei einer Abstimmung explizit nicht gegen Gewalt ausgesprochen et cetera pp. Nichts also, was nicht den meisten Menschen mit einer linksradikalen Vergangenheit nachzurechnen wäre. Dennoch drängt sich die Frage auf, ob Ditfurth, die als weiterhin aktiver Teil der Linken diese Geschichte schon längst an anderer Stelle hätte erzählen können, ihre moralischen Bedenken gegen Fischer nicht allein deshalb mit Problemstellungen der bürgerlichen Rechtssprechung verwebt, um dem Neue Revue-Publikum die Realo-Gang um Fischer so oder so leidig zu machen - auch wenn Diebstahl und politisches Kalkül nicht wirklich ihre Vorwürfe sein dürften. Die reißerische Überschrift "Deutschland, das ist dein Außenminister" ist ihr demnach wahrscheinlich auch nicht von der Redaktion aufgezwungen worden, sondern mit Absicht gewählt. Es scheint, als wolle Ditfurth ihren Intimfeind auch bei jenen Leuten madig machen, die ihn seit der Kosovo-Bombardierung lieben gelernt haben - den Lesern einer sexistischen und reaktionären Zeitschrift wie der Neuen Revue eben. Mit politischem Kalkül ist dieses Verhalten kaum noch zu erklären; Rachsucht passt da schon besser.
Dementsprechend verblasst ihr eigentlicher Vorwurf, nämlich der, dass Fischer ein machtgeiler und illoyaler Egozentriker sei. Dem muss Fischer dann schon selbst entsprechen, indem er sich in eine Serie im Stern (und im Buch) mit seinem "langen Lauf zu mir selbst" darbietet. Wie vordem Jane Fonda oder Cindy Sherman gibt er anhand einer autobiographischen Erzählung Tipps zur Ernährung und zur richtigen Bewegung, um uns - ja, was eigentlich? Um seine Deutschen schlank zu machen fürs nächste Jahrtausend? Die Vokabel "Verschlankung", die man sonst nur im Zusammenhang mit Institutionen kennt, wendet Fischer jedenfalls genüsslich auf seinen Staatskörper an. Oder ist es Fischer darum zu tun, als westweltbekannter Politstar auch noch einen Bestseller für die unter ihrer Fresssucht leidende Westwelt geschrieben zu haben? Jedenfalls hat das Buch über seine reine Existenz hinaus kein weiteres Gewicht. Es ist wichtig, weil es von jemand Gewichtigem geschrieben wurde, die Figur des Autors überragt wortwörtlich das Buch.
Was aber treibt Grüne und Ex-Grüne dazu, im Augenblick des größten Interesses an ihren politischen Auffassungen nichts mehr als ihre privaten Ressentiments und Gefühle niederzuschreiben? Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Grünen - über ihre bewegte Vergangenheit hinaus - im aktuellen Politikbetrieb nichts Eigenes mehr anzubieten haben. Sie sind Rädchen in einer sie benutzenden Regierungs-Maschinerie und haben abseits der Oppositionsbänke kaum noch eine Chance mehr sich zu profilieren. Daher besinnen sie sich wie jeder Parvenü am Scheideweg auf ihre klassisch-bürgerliche Herkunft und betreiben Nabelschau. So hoffen sie, das auf dem Feld der Politik verlorene Renommee durch die Ausstellung von Intimität zurückerlangen zu können. In einer Zeit der Praktikantinnenwitze scheint das normal zu werden.
Dabei sind ihre Texte - schon von der Anlage des Textes her - nichts anderes als entsprechende Ergüsse von Helmut Berger, Romy Haag oder Ingrid Steeger. Von den ursprünglichen Kontexten entfremdet sind ihre Kriterien zur Beurteilung der Politik nur mehr die der Klatschspalten. Wie jene leben Joschka, Jutta und Co. inzwischen von einer bigotten Moral. Da diese Grünen allerdings Medienprofis sind, haben ihre kleinen Geschichtchen noch immer den Sound amtlicher Wahrheiten. So leisten die Repräsentanten (ex-)grüner Politik ihren Beitrag zur allgemeinen Vergossippung der Politikauffassung in der Bundesrepublik an vorderster Front!
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