Übertrieben hat es das Satire-Magazin „Extra 3“ dann doch – aber nur ein bisschen. „Yes he can Kanzler“ hatte die Redaktion der Sendung auf ein Plakat geschrieben, versehen mit einem Foto des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Doch hätte nicht Moderator Tobi Schlegel immer wieder vor dem Tempodrom wartende Genossen zu lauten „Yes he can“-Rufen animiert – man hätte übersehen können, dass es sich hier um Satire handelte. Zu offensichtlich hat die SPD bei den US-Demokraten abgekupfert. Das fängt beim rot gezeichneten Konterfeil Steinmeiers auf Postkarten und Plakaten an und endet beim Slogan des Tages: „Wir für Frank“ heißt es auf T-Shirts, Armbändern und sogar Fahrrädern – eine kleine Abwandlung des großen Vorbilds „Yes we can“.
Es ist nicht neu, dass die SPD versucht sich mit Barack Obama zu schmücken. Als die Kanzlerin im letzten Sommer beim Besuch des damaligen Präsidentschaftskandidaten noch fremdelte, stellte Steinmeier sich demonstrativ an seine Seite. Und schon vor ziemlich genau einem Jahr versuchte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bei einer Parteiveranstaltung die Genossen zu einem „Yes we can“-Sprechchor zu animieren – damals allerdings erfolglos. Dagegen ist die heutige Stimmung geradezu euphorisch.
Die SPD ist in Feierlaune an diesem Sonntag – und will es auch zeigen. Das neue Wahlprogramm steht. Der Vorstand hatte es noch am Vormittag einstimmig verabschiedet. Jetzt soll es der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dafür wurde das Berliner Tempodrom ordentlich aufpoliert. Eine runde Bühne steht in der Mitte der Halle. Große SPD-Würfel sehen leicht erhöht auf einem grauen Podest auf rotem Teppich. Dazwischen das Rednerpult mit dem Schriftzug: „Anpacken. Für unser Land“.
So entstehen die Bilder, die die SPD sich für ihren Feiertag wünscht. Frank-Walter Steinmeier, der Kandidat, eingebettet in einen Hintergrund aus Gesichtern. Menschlich soll er so wirken, nahbar aber doch führend. Ganz wie Obama eben.
Doch bevor die Krönungsmesse beginnen kann, wird erst einmal die Einheit der Partei beschworen. Gerade der immer wieder aufmuckende linke Parteiflügel wird eingebunden. Prominente Vertreter wie Andrea Nahles, Ottmar Schreiner oder Juso-Chefin Franziska Drohsel bekommen ihr Forum genauso, wie der parteirechte Finanzminister Peer Steinbrück. Das Bild: Während die Konkurrenz noch streitet, steht die SPD personell und programmatisch zusammen.
Auch deshalb wird im Wahlprogramm links geblinkt. Absenken des Einkommenssteuersatzes auf zehn Prozent, Börsenumsatzsteuer, höherer Spitzensteuersatz. Doch diese Richtung auch offen zu vertreten, vermeidet die Partei tunlichst. „Wenn man gerade rechts in den Straßengraben gefahren ist, dann ist die Straße natürlich links“, witzelt Parteichef Franz Müntefering Richtung Union, die das Wahlprogramm scharf kritisiert hat. Die SPD will in der Mitte sein ist die Botschaft von Münteferings Auftritts – und auch Steinmeier schlägt in diese Kerbe.
Der Kandidat gefällt sich ganz offensichtlich in seiner Rolle. Er strahlt, als er ans Rednerpult tritt. Seine Stimme, normalerweise eher ruhig, dröhnt durch den Saal. „Ich kenne das Kanzleramt gut und lange – auch von innen“, ruft er den 2500 Anwesenden entgegen. Schnell ist klar: Steinmeier will heute angreifen.
„Die CDU sieht die Krise immer noch als Betriebsunfall“ geht er seinen Noch-Koalitionspartner an und schiebt nach: „Die Krise ist mehr als nur ein Konjunktureinbruch“. Deshalb könne man auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Gesellschaft müsse sich ändern – nach den Vorstellungen der SPD: „Wir haben die besseren Antworten. Sozialdemokratische Antworten eben“, so Steinmeier.
Dabei gestikuliert er durch die Luft. Mal lehnt er sich auf’s Sprecherpult und nimmt die Beine über Kreuz, dann steht er wieder aufrecht, die linke Hand in der Hosentasche, die Rechte zeichnet derweil große Gesten in die Luft. Auch dieser Referenz ist klar: Steinmeier macht den Schröder. Sogar die Stimmlage trifft er mittlerweile überzeugend, nur mit den Sätzen will es noch nicht so ganz klappen. Immer wieder verheddert er sich in endlosen Aneinanderreihungen von Nebensätzen, doch verglichen mit älteren Auftritten ist auch das besser geworden. Der Chefdiplomat und Strippenzieher Steinmeier weicht offensichtlich immer mehr dem Kandidaten.
Als er schließlich nach gut einer Stunde seine Rede beendet hat, steht er noch einige Augenblicke in der Mitte des Tempodroms. Die Zuhörer um ihn herum sind aufgestanden, der Applaus wird zunehmend rhythmisch. Doch lange bleibt er nicht allein. Schließlich drängt sich fast die ganze Parteiführung um ihren Spitzenkandidaten.
Hätte Hubertus Heil jetzt zu einem kollektiven „Yes we can“ angestimmt, er hätte Erfolg haben können.
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