Der Königsmacher

Porträt Andreas Bausewein kann darüber bestimmen, wer Thüringen in den nächsten Jahren regieren wird
Ausgabe 42/2014

Grund zur Klage hat Andreas Bausewein in diesen Tagen kaum: „Das Wort ,Nein‘ habe ich in letzter Zeit eher selten gehört“, sagt der Oberbürgermeister von Erfurt. Für die SPD sondiert er derzeit mit CDU einerseits und Linkspartei und Grünen andererseits, in welcher Konstellation seine Partei künftig Thüringen regieren will. Die Sozialdemokraten können sich ihren Partner aussuchen. Ohne sie ist keine Regierung vorstellbar. Für die Landes-SPD ist das eine komfortable Position und auch für Bausewein geht es aufwärts. Am 25. Oktober soll er auf einem Landesparteitag zum neuen Vorsitzenden der Thüringer Genossen gewählt werden.

Noch sind die Sondierungsgespräche nicht abgeschlossen, doch es sieht gut für Rot-Rot-Grün aus. Die drei Parteien einigten sich auf eine weitreichende Reform des Verfassungsschutzes, der künftig in der Regel ohne V-Leute auskommen muss und auf eine Formulierung, in der die Linke die DDR als „Unrechtsstaat“ anerkennt – für die Thüringer SPD und Grünen, die ihre Wurzeln im Widerstand gegen das SED-Regime haben, ein wichtiges Signal. Auch für Bausewein, der direkt nach der Wende in die neugegründete SPD eintrat, ist die Erklärung wichtig, er will das Thema aber nicht zu hoch hängen: „Menschen machen Fehler“, sagt er, „ich erwarte nur, dass sie sich mit ihnen auseinandersetzen.“ In der Bevölkerung spiele das Thema zudem keine große Rolle: „Wenn die Leute nur Parteien wählen würden, die unbelastet durch die DDR gegangen sind, dann hätten SPD und Grüne auf 80 Prozent kommen müssen“, so Bausewein, „stattdessen haben wir zusammen nicht mal 20 Prozent bekommen.“

Bausewein gilt als Anhänger von Rot-Rot-Grün. Dass die Konstellation trotz der Aussicht auf einen Ministerpräsidenten von der Linken eine echte Chance hat, liegt auch an ihm. Im Erfurter Stadtparlament arbeiten die drei Parteien eng zusammen, mit Bodo Ramelow ist er per Du. Trotzdem betont er, auch mit der CDU gut zu können. Das ist wichtig, schließlich entscheidet am Ende die SPD-Basis, mit wem Koalitionsgespräche aufgenommen werden. Ob diese am Ende auch zu einer Regierung führen, ist allerdings offen. Sowohl Rot-Rot-Grün als auch Schwarz-Rot haben im Landtag nur eine Stimme Mehrheit. Wackelig wird es also auf jeden Fall. „Die Situation hier ist komplizierter als etwa in Niedersachsen, wo Rot-Grün ja auch nur eine Stimme Mehrheit hat“, sagt Bausewein. „Hier besteht die Gefahr, dass alte Rechnungen beglichen werden.“ Für die zwölf Sozialdemokraten im Landtag gelte das selbstredend nicht, so der designierte Parteichef.

Viele im Land halten trotz aller Schwierigkeiten ein Linksbündnis für stabiler als eine Große Koalition. Die Landes-CDU ist durch interne Machtkämpfe erschüttert. Dass der gerade einmal 38-jährige bisherige CDU-Bauminister Christian Carius sich gerade zum Landtagspräsidenten wählen ließ, wird als Zeichen gewertet, dass die Konservativen sich auf die Opposition vorbereiten.

Da wäre auch die SPD gern, doch die Mehrheitsverhältnisse lassen das nicht zu. „Eigentlich müssten wir nach einer solchen Niederlage in die Opposition“, sagt Bausewein. Dass das nicht geht, sei geradezu „tragisch“. Über den Zustand seiner Partei, die vor einem Monat bei der Landtagswahl in den Keller rauschte, macht er sich keine Illusionen. Der sei „höchst kritisch“, so Bausewein. Die Sozialdemokraten landeten nur bei gut zwölf Prozent, knapp vor der AfD. „Die SPD wurde in der Diskussion über Koalitionsoptionen im Wahlkampf zerrieben“, erklärt Carsten Schneider die Niederlage. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Seinen Wahlkreis hat er in Erfurt. „Wir müssen uns jetzt mit einem schlechten Ergebnis über eine Regierungsbeteiligung verständigen und gleichzeitig eine ehrliche Diskussion über das Ergebnis und seine Ursachen führen“, sagt Schneider, „Das wird nicht leicht.“

Die Erwartungen, die mit Bauseweins Wahl verbunden sind, sind dennoch enorm. „Er muss die SPD einen und in eine stabile Koalition führen“, sagt Carsten Schneider. Die Partei scheint ihm das zuzutrauen. Bausewein gilt seit Jahren als großes politisches Talent. Zweimal wählten ihn die Erfurter bisher zu ihrem Oberbürgermeister – zuletzt mit etwa 60 Prozent im ersten Wahlgang. 2018 endet seine Amtszeit. Vorher in die Landesregierung zu wechseln, hat er ausgeschlossen. Bausewein bringt eine vorbildliche SPD-Vita mit: Ausbildung zum Elektroinstallateur, Pädagogikstudium, nebenbei Landeschef der Jusos. Auch im Landtag saß er mal für zwei Jahre, bevor er ins Erfurter Rathaus wechselte. Thüringens Ex-Wirtschaftsminister Matthias Machnig, jetzt Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Busenfreund von SPD-Chef Sigmar Gabriel, lobt ihn seit Jahren über den grünen Klee. Bausewein hätte auch bei dieser Wahl schon Spitzenkandidat werden können, doch er verzichtete, um seine Amtszeit als Oberbürgermeister zu Ende bringen. Außerdem war seine Frau schwer erkrankt. Doch dass seine Ambitionen langfristig nur bis zur Erfurter Stadtgrenzen reichen, glaubt kaum jemand. Auch in der CDU beobachten sie seinen Aufstieg bereits aufmerksam. Für die Landtagswahl in fünf Jahren haben sie ihn schon als schweren Gegner auf dem Zettel. Doch damit es so weit kommt, muss Bausewein mit seiner Partei zunächst eine neue Regierung hinbekommen.

Das wird noch ein langwieriger Prozess. Am Montag will die Parteispitze eine Empfehlung abgeben, welche Koalition sie anstrebt. Dann entscheiden die Mitglieder. Erst danach werden Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Über einen möglichen Koalitionsvertrag entscheidet dann noch mal ein Parteitag. Der Weg zu Rot-Rot-Grün ist also noch lang.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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