Die Antreiberin

Porträt Johanna Uekermann ist Juso-Chefin und zofft sich gerne mit Sigmar Gabriel. Kommt auf dem Parteitag ihre große Stunde?
Ausgabe 50/2015
Uekermann sitzt im Kreistag in Niederbayern – ein hartes Pflaster für Sozialdemokraten
Uekermann sitzt im Kreistag in Niederbayern – ein hartes Pflaster für Sozialdemokraten

Foto: Metodi Popow/Imago

Durchatmen kann Johanna Uekermann derzeit nicht. Die Termine jagen sich in diesen Tagen. Es ist keine zwei Wochen her, dass sie auf dem Bundeskongress der Jusos in Bremen erneut zur Vorsitzenden des SPD-Nachwuchses gewählt wurde, jetzt steht der Konvent der Mutterpartei in Berlin an. Die Sozialdemokraten wollen über Familienpolitik diskutieren, über die Zukunft Europas und natürlich auch über die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition. Uekermann hat Wünsche an das Treffen: „Ich erwarte vom Parteitag ein klares Signal, dass wir uns in der Flüchtlingspolitik nicht weiter von den Hetzern und der Union treiben lassen“, sagt sie.

Die 28-Jährige gibt vielen Genossen eine Stimme, die den derzeitigen Kurs der SPD kritisch sehen. Sie kennt die Partei gut – ihr halbes Leben ist sie schon Mitglied, mit 14 Jahren trat sie ein. Seitdem steckt sie mitten in der Ochsentour durch die Gremien. Bis heute sitzt sie im Vorstand des SPD-Unterbezirks Straubing und im Kreistag ihrer Heimat in Niederbayern – ein hartes Pflaster für die Sozialdemokraten. Gerade einmal elf Prozent der Stimmen holte die Partei hier bei der letzten Kommunalwahl.

Trotzdem schaffte es Uekermann vor zwei Jahren an die Spitze der Bundes-Jusos. Von Anfang an ließ sie keinen Zweifel daran, wo sie inhaltlich steht. Als die Sozialdemokraten kurz nach ihrer Wahl 2013 in einem Mitgliederentscheid über den Eintritt in die Große Koalition abstimmten, warb Uekermann stattdessen für Neuwahlen und ein rot-rot-grünes Bündnis. Bald darauf gründete sie zusammen mit Partei-Vize Ralf Stegner und dem heutigen Bürgermeister von Bremen, Carsten Sieling, den Zusammenschluss „Magdeburger Plattform“, um dem linken Parteiflügel neuen Schwung zu verschaffen. Neben dem Juso-Vorsitz arbeitet die studierte Politikwissenschaftlerin im Abgeordnetenbüro des Europaexperten Axel Schäfer, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und ehemaliger Chef der mächtigen Landesgruppe Nordrhein-Westfalen.

Kritik am SPD-Chef gehört für eine Juso-Vorsitzende selbstverständlich zum Aufgabenprofil – da macht Uekermann keine Ausnahme. Im Sommer trommelte sie für eine Urwahl des nächsten Kanzlerkandidaten oder der nächsten Kanzlerkandidatin der Partei. Sie befeuerte damit die Diskussion um die Eignung Sigmar Gabriels für den Posten des Regierungschefs.

Vor dem Juso-Kongress in Bremen legte sie noch einmal eine Schippe drauf. „Sigmar Gabriel gebe ich für seine Politik in der Großen Koalition und als Parteivorsitzender eine Vier minus“, sagte sie kurz vor dem Treffen der Parteijugend – und attestierte stattdessen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „Rückgrat“ in der Flüchtlingskrise. Der Vizekanzler, der selbst nie Mitglied der Jungsozialisten war, revanchierte sich auf seine Weise. Er schwänzte die Nachwuchsversammlung und besuchte stattdessen lieber ein Bundesligaspiel. Uekermann bekräftigte daraufhin ihre Kritik am „lieben Sigmar“ – und wurde mit einem für Juso-Verhältnisse ordentlichen Ergebnis wiedergewählt.

Doch ihr Kurs ruft Gegner auf den Plan. In den konservativeren Juso-Landesverbänden Baden-Württemberg und Hamburg kann man mit Uekermann wenig anfangen. Auch der rechte Parteiflügel hat wenig für ihre Kritik am Vorsitzenden übrig. Sie habe sich „total verrannt“, kritisierte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ihr Lob für Merkel. Uekermann sei „konsequent unsolidarisch und wirklichkeitsfern“. Uekermann nimmt die Attacken sportlich. Jusos und SPD rieben sich halt gern aneinander, sagt sie. „Ich halte das aus – und die Jusos halten das aus.“

Dass die Stimmung in absehbarer Zeit besser wird, ist schwer vorstellbar. Der nächste Knall ist bereits abzusehen. Auf dem Parteitag in dieser Woche will die SPD über „Chancen und Risiken des transatlantischen Freihandels“ diskutieren. Bei kaum einem anderen Thema sind die Fronten zwischen linkem Lager und den Pragmatikern so verhärtet. Dass Wirtschaftsminister Gabriel am Tag einer Großdemonstration gegen das Freihandelsabkommen TTIP im Oktober in mehreren Tageszeitungen ganzseitige Anzeigen schalten ließ, um die Vorzüge des Vertrags zu betonen, haben ihm einige auf dem linken Flügel übel genommen. Beim Parteikonvent in Berlin könnte er dafür die Quittung bekommen.

Besonders das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, wird auf dem Parteitag eine wichtige Rolle spielen. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ein SPD-Parteikonvent „rote Linien“ für das Abkommen gezogen. Die zentralen Forderungen: keine Schiedsgerichte, keine Investitionsschutzklauseln, keine Einschränkungen bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards. Die roten Linien müssten auch Anwendung finden, so Uekermann. „CETA ist derzeit nicht zustimmungsfähig. Das sollte auch der Parteitag feststellen“, sagt sie. Auch die Verhandlungen über TTIP sehen die Jusos kritischer als die Mutterpartei. Für Reibung wird also wieder gesorgt sein.

Derweil arbeitet die Juso-Chefin daran, den Einfluss der Nachwuchsorganisation zu vergrößern. Sie wolle mehr Jusos in den Parlamenten sehen, sagt sie. „Im Bundestag muss man die unter 40-Jährigen ja mit der Lupe suchen. Das kann nicht so bleiben.“ Uekermann selbst verpasste vor zwei Jahren den Sprung ins Parlament. 2013 trat sie bereits einmal als Direktkandidatin im heimischen Wahlkreis Straubing an, gegen ihren CSU-Konkurrenten hatte sie allerdings keine Chance und holte keine 18 Prozent. Hinzu kam ein aussichtsloser Listenplatz. Ob sie es bei der nächsten Wahl erneut versuchen wird, will sie nicht beantworten.

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