Das Tempo ist eher gemächlich, als Peter Tauber am Konrad-Adenauer-Haus losläuft. Einmal durch den Tiergarten joggen ist verabredet. Keine große Runde, vielleicht fünf Kilometer. Joggender Politiker – da drängt sich sofort der Vergleich mit Joschka Fischer auf. Der hatte sich in den späten 90er Jahren plötzlich als Marathonmann inszeniert, 30 Kilo abgenommen und überall erzählt, wie viele Liegestütze er schaffte. Die Botschaft: Ich bin jung, ich bin stark, ich kann was leisten. In Amt und Würden dauerte es dann nicht lange, bis die Kilos verzinst zurückkamen.
Auch Peter Tauber bedient das Bild des jungen Leistungsträgers. Der gemeinsame Lauftermin ist seit Wochen vereinbart, doch beinahe wäre noch alles buchstäblich ins Wasser gefallen. Den Tag über hat es immer wieder geregnet, jetzt allerdings brechen sogar ein paar Sonnenstrahlen durch die dicken Wolken. Auch der kalte Wind hat nachgelassen. Tauber wäre jedoch auch auf schlechtes Wetter eingestellt gewesen, der Mann ist vorbereitet. Das dicke, langärmlige Shirt und die lange, eng anliegende Hose unter seinen Laufshorts machen deutlich, dass hier kein Gelegenheitssportler unterwegs ist. Trotz zwei Full-Time-Jobs als CDU-Generalsekretär und Bundestagsabgeordneter reißt er ordentlich Laufkilometer ab. Kürzlich zeichnete eine App auf seinem Handy seinen 5.000. auf. In Berlin joggt er morgens um kurz nach sechs die gut fünf Kilometer von seiner Wohnung in die CDU-Zentrale, in seinem Wahlkreis im Spessart sind die Runden deutlich länger. Rund 1.000 Kilometer joggte er im vergangenen Jahr.
der Freitag: Herr Tauber, warum laufen Sie eigentlich so viel?
Peter Tauber: Ich habe mit dem Laufen angefangen, als ich gerade meine Doktorarbeit schrieb. Da verbringt man ja viel Zeit am Schreibtisch oder in der Bibliothek. Das Laufen war deshalb wichtig, um auch mal den Kopf freizukriegen. Ich bin dann bei mir, höre meine Musik und kann darüber nachdenken, was mir so passiert ist – und wasich als Nächstes vorhabe.
Welche Rolle spielt Sport für Sie?
Ich mag Sport. Früher habe ich gern Fußball oder Handball gespielt, Mannschaftssportarten eben. Aber als ich dann politisch stärker aktiv wurde, ging das nicht mehr. Bei den ganzen Sitzungen und Terminen ist es mit festen Trainingszeiten halt schwierig.
Angeblich sind Sie über einen Bolzplatz zur Politik gekommen.
Ja, das stimmt. Wir hatten in meinem Heimatort keinen, also sind wir im Pulk zu unserem damaligen Bürgermeister gegangen und haben ihm gesagt: So geht das nicht. Im Halbstarkenalter glaubt man ja noch, die Welt wartet auf einen. Wir haben ihn zwischen zwei Terminen abgefangen – natürlich ohne Anmeldung. Er hat uns dann stehen lassen. Das hat uns ziemlich geärgert. Und weil der Bürgermeister zur SPD gehörte, haben wir eben eine Junge Union gegründet. Irgendwann gab es dann auch den Bolzplatz.
Aber das kann doch nicht der einzige Grund gewesen sein, zur CDU zu gehen?
Natürlich nicht. Mich hat damals die deutsche Einheit politisiert. Es hat mich angesprochen, wie die CDU und allen voran Helmut Kohl das damals gemacht hat. Für Geschichte hatte ich mich immer interessiert und ich wusste, hier passiert gerade etwas, wonach mich später andere fragen werden. Aber ich bin nicht vor allem wegen der Einheit oder Helmut Kohl eingetreten, sondern wegen konkreter Themen vor Ort.
Während Tauber das erzählt, laufen wir am Sowjetischen Ehrenmal vorbei. Vor uns liegt das Brandenburger Tor. Kann man sich nicht ausdenken. Wir halten das Tempo, keine Sprints, keine Gehpausen. Tauber joggt eine möglichst gerade Linie. Pfützen weicht er nur aus, wenn es gar nicht anders geht. Das hält die Herzfrequenz niedrig, so kann man ewig weiterlaufen. Manchmal mag Tauber es allerdings auch hämmernder. In seiner Jugend spielte er in einer Punkband namens Papst hört Punk.
Wie lange haben Sie da mitgespielt?
Drei oder vier Jahre. Ich habe Gitarre oder Bass gespielt – aber beides nicht so, dass meine Eltern mir nahegelegt hätten, daraus einen Beruf zu machen.
Da waren Sie ja schon in der Jungen Union. Wie passt das zu einer Punkband?
Für die meisten war das nie ein Problem. Aber manche, die etwas weiter links standen, hat es schon irritiert, dass man gleichzeitig laute Musik und ein bürgerliches Leben mögen kann. Das war für mich natürlich auch eine Möglichkeit zu provozieren. Ich wusste ja, welche Reaktion ich bekomme, wenn ich sage, dass ich in der JU bin. Ich habe mich dann immer diebisch gefreut, wenn das geklappt hat.
Die Freude am Provozieren ist ihm geblieben. Als Tauber vor einigen Jahren auf Twitter mit einer Journalistin über Biber und Otter fachsimpelte, vermutete sein örtlicher Landrat, die beiden würden verschlüsselte Botschaften austauschen. Schließlich ließ er sich von seinem Pressesprecher Taubers Tweets ausdrucken und versuchte, den vermeintlichen Code zu entziffern. Als Tauber davon Wind bekam, schrieb er immer mehr blödsinnige Biber-Otter-Tweets, um den Landrat erst recht zu verwirren. Irgendwann verselbstständigte sich der Witz. Bis heute erreichen ihn regelmäßig bieberbezogene Nachrichten.
Überhaupt Twitter: Tauber hat über 30.000 Follower und mittlerweile fast 17.000 Nachrichten abgesetzt – viele davon auch übers Laufen. Regelmäßig twittert er, wie weit er wie schnell gekommen ist. Einige machen sich darüber lustig, etwa der ZDF-Komödiant Jan Böhmermann, der für seinen Song Peter rennt reimte: „Da fragt man sich als Wähler schon: Wovor läuft Peter davon?“ Tauber nahm’s mit Humor. Seine Tweets schmückt seitdem der Hashtag #laufpeter. Andere hingegen scheinen Tauber seine Laufleidenschaft richtig übel zu nehmen: „Von einem Generalsekretär der CDU erwarte ich, dass er das klare bürgerliche Parteiprofil schärft und nicht seine Laufergebnisse twittert“, meckerte etwa der ehemalige Hamburger Bürgermeister Christoph Ahlhaus.
Sie twittern trotz der Kritik weiter?
Es ist ja nicht so, als würde ich mein ganzes Leben auf Twitter teilen. Aber die App, die ich schon seit 2008 nutze, werde ich weiter verwenden. Es macht Spaß, sich darüber mit anderen Läufern zu vergleichen und am Ende des Tages festzustellen, was man geschafft hat. Außerdem werde ich nicht mein ganzes Leben und das, was ich jeden Tag tue, solcher Kritik unterordnen. Das ist es nicht wert. Mir muss ja keiner auf Twitter folgen.
Christoph Ahlhaus ist zumindest mit Klarnamen nicht auf Twitter. Können Sie sich erklären, wieso er sich dennoch an Ihren Tweets stört?
Vielleicht hat sie ihm ja jemand ausgedruckt.
Ganz so einfach ist es vermutlich nicht. Die Kritik an Tauber kommt vor allem vom rechten Flügel der Partei. Da liegt es nahe, dass es eigentlich nicht um seine Twitterei, sondern um seine Arbeit geht. Denn Tauber will die CDU weiter öffnen. Jünger, weiblicher und bunter müsse sie werden, fordert er. Seitdem fürchten einige, dass die Partei mit ihm die letzten Reste des Konservativen entsorgen wird. Doch Tauber lässt sich politisch auch nicht so einfach zuordnen. Er steht mal links, mal rechts des Parteimainstreams. Er unterstützt die volle Gleichstellung von Homosexuellen und kritisiert die Vorratsdatenspeicherung. Gleichzeitig kokettiert er immer wieder mit seinen konservativen Positionen, etwa beim Thema Abtreibung. „Ich freue mich, wenn manche Leute mit Schubladendenken bei mir nicht weiterkommen“, sagt er. Da ist sie wieder, die Lust am Provozieren. Die haben auch einige Parteifreunde schon zu spüren bekommen.
Abteilung Attacke: ein Berufsbild
Am Anfang stand die CSU. Als erste Partei der Bundesrepublik verpflichteten die Christsozialen aus Bayern einen Mitarbeiter, der die hauptamtliche Abteilung Attacke leiten sollte. Und gleich der erste Amtsinhaber hinterließ einen bleibenden Eindruck und prägte das Anforderungsprofil über alle Parteigrenzen hinweg: Anfang 1949 übernahm Franz Josef Strauß das Amt des CSU-Generalsekretärs und drückte ihm seinen holzenden Stempel auf. Eine Tradition, an die viele seiner Nachfolger bis heute gern anknüpfen. So pflegten etwa Edmund Stoiber, Erwin Huber, Markus Söder und Alexander Dobrindt über die Jahrzehnte die Tradition der kontrollierten Grenzüberschreitung und des verbalen Rundumschlags. Auch der derzeitige Amtsinhaber Andreas Scheuer mag es eher handfest in der Auseinandersetzung.
Die Schwesterpartei CDU zog erst fast 20 Jahre später nach. 1967 wählte sie ihren ersten Generalsekretär. Den größten Einfluss in diesem Amt übte Heiner Geißler aus. Zwölf Jahre managte er für Helmut Kohl die Partei. Man trennte sich 1989 im Streit. Danach wechselten sich loyale Verwalter und ruppige Streithähne ab. Auch Angela Merkel nutzte den Posten für ihren Aufstieg. In der Spendenaffäre brach sie öffentlichkeitswirksam mit Parteiübervater Kohl. Als auch Wolfgang Schäuble über die schwarzen Kassen der Partei stürzte, griff sie nach der ganzen Macht in der CDU.
In der SPD ist der Generalsekretär eine recht neue Erfindung. Erst 1999 führte die Partei ihn ein. Erster Amtsinhaber war Franz Müntefering. Danach blieb es eher farblos. Immerhin: Olaf Scholz regiert heute Hamburg, Andrea Nahles führt das Arbeitsministerium.
Vor einigen Wochen haben Sie ein Einwanderungsgesetz gefordert. Davon sind ja nicht alle in Ihrer Partei überzeugt, geschweige denn begeistert.
Da haben wir durchaus eine Diskussion. Es geht ja nicht nur um das Gesetz, sondern auch um vor- und nachgelagerte Bereiche, etwa um eine Willkommenskultur und -struktur. Niemand bestreitet ernsthaft, dass wir Einwanderung brauchen. Jetzt müssen wir darüber reden, wie wir die Leute bekommen, die unsere Vorstellung des Zusammenlebens teilen. Ich finde, ein Einwanderungsgesetz wäre ein Signal an all die Menschen, die dauerhaft zu uns kommen wollen, dass wir offen für sie sind, aber auch klare Regeln setzen.
Sie haben 1999 noch Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gesammelt. Woher der Sinneswandel?
Ich habe damals noch gedacht, dass der Doppelpass der falsche Weg ist. Ich glaubte, wenn man sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden muss, dann findet ein Prozess statt nach dem Motto: Wo fühle ich mich mehr zu Hause? Inzwischen habe ich gelernt, dass die jungen Leute, die vor so einer Entscheidung stehen, sie viel rationaler angehen. Kulturelle Vielfalt kann eine Bereicherung sein, sie macht aber eine Auseinandersetzung notwendig, damit eine gemeinsame Identität entsteht, die Unterschiede zulässt. Für die CDU ist es ein zentrales Zukunftsthema darüber zu diskutieren, was wir dafür tun können, den Zusammenhalt in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft zu stärken.
Zur Abenddämmerung kommt Tauber wieder an der CDU-Zentrale an. Mit dem Aufzug geht es hoch in sein Büro, ganz oben im Konrad-Adenauer-Haus. Tauber hat es vor eineinhalb Jahren bezogen. Damals machte CDU-Chefin Angela Merkel ihn überraschend zum Generalsekretär. Tauber hatte das nicht erwartet. Er war erst 39 Jahre alt und gerade das zweite Mal in den Bundestag gewählt worden. Auch für viele Beobachter war er damals ein Unbekannter. In einem der ersten Porträts über ihn erwähnte ein Journalist, dass auf dem Fensterbrett des Generalsekretärbüros jetzt ein Modell des Millennium Falcon stehe, ein Raumschiff aus den Star-Wars-Filmen.
Seitdem steckt Tauber in der Guttenberg-Falle: Der erwähnte einmal seine Vorliebe für AC/DC. Danach überhäufte der deutsche Mittelstand ihn mit CDs der australischen Hardrocker. In Taubers Büro stapeln sich mittlerweile Star-Wars-Spielsachen. R2D2 und ein Ewoks-Dorf besiedeln die Fensterbank. Hinter dem Schreibtisch liegt ein Plastiklichtschwert.
Zwei Journalisten fragten Tauber kürzlich, wen er für den Darth Vader der deutschen Politik halte. Auch das kommt bei seinen Kritikern in der CDU nicht gut an. Politisches Leichtgewicht, schimpfen sie hinter vorgehaltener Hand. Dabei übersehen sie, dass es Taubers Mission ist, die bürgerlich-konservativen Werte der Partei in die nächste Generation hinüberzuretten. Er will das konservative Tafelsilber nicht verscherbeln, sondern so aufpolieren, dass es auch für Menschen glitzert, die mit der CDU aufgrund der Kulturkämpfe der Vergangenheit bisher nichts am Hut hatten.
Mehrheiten gewinnt man schließlich in der Mitte, lautet das Glaubensbekenntnis der Merkel-CDU – und wenn dabei Twitter, Joggen und Lichtschwert helfen, umso besser. Auch deshalb lässt Tauber im Streit um das Einwanderungsgesetz nicht locker. Demnächst will er nach Kanada reisen, um sich über die dortige Regelung zu informieren. Um im Bild zu bleiben: Tauber läuft einfach weiter.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.