So voll war es lange nicht mehr im Thomas-Dehler-Haus, der Bundeszentrale der FDP. Im vergangenen Jahr hatte sich hier nur noch der härteste Kern an Anhängern eingefunden, um mit versteinerter Miene die Niederlagen der Partei zu ertragen. Doch an diesem Sonntag war alles anders. „Schön, dass ich auch mal wieder zum Feiern hier bin“, sagte ein grinsender Juli zu seiner Begleiterin, da war es noch einige Minuten hin, bis der gelbe Balken auf den Monitoren tatsächlich deutlich über die magische Fünf-Prozent-Grenze stieg und tosender Applaus unter den Anwesenden ausbrach. Der Wiedereinzug in die Hamburger Bürgerschaft, so sehen es die Liberalen, beweist, dass die FDP noch einen Puls hat. Also feierte die Partei sich selbst – und ihre Spitzenkandidatin Katja Suding.
Viele Anlässe zur Freude hatte die FDP in der jüngeren Vergangenheit nicht. Den bisher letzten Sprung in einen Landtag hatte die Partei in Hessen geschafft – am Tag, als sie aus dem Bundestag flog. Auch in Hamburg sah es lange düster aus. Doch Suding schaffte es, die Partei in wenigen Wochen von kaum noch messbaren Werten zum besten Ergebnis seit 1974 zu führen. Am Ende warnten die Grünen sogar schon vor einem Wiederaufleben von Rot-Gelb. Denn während die anderen Parteien vor der Übermacht des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz fast schon kapitulierten, versuchte die FDP mit einer stark auf die Spitzenkandidatin zugeschnittenen Kampagne den sonst eher drögen Wahlkampf aufzulockern. Das erste Plakat zeigte die 39-jährige im schwarzen Rollkragenpulli versehen mit dem Slogan „Unser Mann für Hamburg“. Da stand die Partei in Umfragen noch bei zwei Prozent. Auch auf den folgenden Plakaten zu den Themen Bildung, Wirtschaft oder Verkehr war Suding immer gut in Szene gesetzt abgelichtet. „Wir haben eine sehr aufmerksamkeitsstarke Kampagne gemacht“, beschreibt die gelernte PR-Beraterin am Tag nach der Wahl ihre Strategie. Das gefiel nicht jedem – schon gar nicht der politischen Konkurrenz. AfD-Sprecher Bernd Lucke warf der FDP vor, „mit bestimmten körperlichen Eigenschaften ihrer Spitzenkandidatin“ geworben zu haben. Ein Mitglied des Grünen-Parteirats in Baden-Württemberg drückte diesen Gedanken noch deutlich krasser aus.
Es ist ein Vorwurf, der Suding gemacht wird, seitdem sie vor vier Jahren das erste Mal für die FDP in Hamburg antrat. Damals posierte sie auf den Wahlplakaten im gelben Friesennerz versehen mit dem Slogan „KATJA – Positiv denken. Positiv handeln“. Suding war damals der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Die FDP hatte die vorangegangenen beiden Legislaturperioden in der außerparlamentarischen Opposition verbracht, und Rückenwind aus Berlin war auch nicht zu erwarten – schließlich steckte die FDP auch damals, in den letzten Wochen der Ära Westerwelle, tief in der Krise. Aufmerksamkeit war also schon damals wichtig.
Engel für Lindner
Doch einmal in der Bürgerschaft angekommen wandelte sich Sudings Image. Eine ordentliche Oppositionsarbeit bescheinigen ihr viele in der Hamburger Politik. In Umfragen zur Zufriedenheit mit der Arbeit der Hamburger Politiker landete sie jüngst auf Platz zwei – wenngleich weit abgeschlagen hinter Olaf Scholz. Und: Nur 22 Prozent der FDP-Wähler machten ihre Wahl Umfragen zufolge von der Spitzenkandidatin abhängig. Das liegt nur knapp über dem Wert der CDU, die mit dem glücklosen Dietrich Wersich eine historische Niederlage einfuhr.
Das hätte der Hamburger FDP allerdings auch passieren können. Den Großteil des vergangenen Jahres verbrachte die Partei mit einer lustvollen Selbstzerfleischung. Ein Machtkampf zwischen Suding und der damaligen Landesvorsitzenden, der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sylvia Canel, lähmte die FDP über Monate und ließ sie in Umfragen abstürzen. Erst im Herbst erklärte Canel ihren Austritt und gründete zusammen mit anderen Abtrünnigen eine neue Partei, die bei der Wahl allerdings nur auf 0,5 Prozent der Stimmen kam. Seitdem führt Suding auch die Landespartei. Seit 2013 sitzt sie zudem im Präsidium der Bundes-FDP. Nicht nur deshalb wäre ein Scheitern in Hamburg auch für die Bundespartei eine herbe Niederlage gewesen.
„Unsere Neuaufstellung, die wir auf dem Dreikönigstreffen präsentiert haben, stand in Hamburg das erste Mal zur Wahl – und sie ist bestätigt worden“, so FDP-Chef Christian Lindner. Auch er hatte sich intensiv in den Hamburger Wahlkampf eingebracht, nahm rund 90 Termine wahr. Tatsächlich sehen auch die bundesweiten Umfragen die FDP leicht im Aufwind – die erste sah sie in der vergangenen Woche sogar wieder bei fünf Prozent. Trotzdem versucht Lindner den Ball flach zu halten – schließlich könnte kaum etwas der FDP mehr schaden als ein Rückfall in die Großkotzigkeit, die die schwarz-gelben Koalitionsjahre so prägten. „Das Ergebnis beflügelt uns auf unserem Weg“, sagte der Parteichef, „aber wir sind nicht über den Berg.“
Tatsächlich bleibt die Frage, wie viel Schwung die FDP von ihrem Erfolg in Hamburg mitnehmen kann. Die nächste Wahl steht in Bremen an – traditionell ein schwieriges Pflaster für die FDP. Hier soll die 29-jährige Lencke Steiner für die Liberalen nach vier Jahren die Rückkehr in die Bürgerschaft schaffen. Steiner ist Vorsitzende der Jungen Unternehmer. In die FDP ist sie bislang nicht eingetreten. Dafür posierte sie gemeinsam mit Suding und Generalsekretärin Nicola Beer als „Drei Engel für Lindner“ in der Zeitschrift Gala. Auch diese Fotostrecke generierte die viel beschworene Aufmerksamkeit. Ob sich der Einsatz am 10. Mai in Bremen auszahlt, ist derzeit noch völlig offen. Auch in Hamburg glaubte schließlich nur die Hälfte aller Wähler, dass die FDP eine neue Chance verdient.
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