Engagiert, eifrig, gewissenhaft, empathisch, verantwortungsbewusst und gut organisiert: So führen Frauen. Ihre Mitarbeiter haben es mir erzählt. Ich hatte mich gefragt: Was macht weiblichen Führungsstil aus? Wie gehen Frauen mit Macht um? Welche Stärken und Schwächen zeigen sie als Chefinnen? Das war der Ausgangspunkt einer längeren Recherche. Ich habe diese Fragen Menschen gestellt, die von sich sagen können: „Mein Chef ist eine Frau“ – 16 Angestellten, acht Männern und acht Frauen. Außerdem wollte ich von acht Chefinnen wissen, wie sie sich selbst im Beruf erleben. Entstanden sind Erfahrungsberichte, die ganz persönliche Blicke auf das große gesellschaftspolitische Thema „Frauen in Führungspositionen“ zeigen.
Es sind dabei fast immer die sogenannten klassischen weiblichen Attribute, die von den Mitarbeitern gelobt, im Alltag aber auch tatsächlich wahrgenommen werden – vor allem die Kommunikationsstärke weiblicher Vorgesetzter. Dirk Rauch*, Mitarbeiter einer Behörde in Frankfurt am Main, sagt: „Ich denke, dass Frauen im Beruf für gewisse Dinge sensibler sind. Vielleicht haben sie eine bessere Menschenkenntnis. Sie kommunizieren nicht kumpelhaft, das nicht. Aber sie haben ein gutes Einfühlungsvermögen.“ Der 47-Jährige arbeitet in einem Team von 150 Kollegen – alles Männer. Sie transportieren Akten, ein echter Knochenjob. Eine 28-Jährige ist die Chefin von 150 Männern. Rauch beschreibt sie als selbstbewusst, fair und kompetent: „Sie weiß einfach, was sie macht und wovon sie redet.“
"Sie lässt mich machen"
Empathie kann die Mitarbeiter auch zu mehr Leistung anspornen – Menschlichkeit als Erfolgsfaktor. Christiane Mayer*, Abteilungsleiterin im Controlling bei einem Automobilzulieferer, schwärmt etwa von ihrer Vorgesetzten: „Alexandra ist sehr direkt, sehr geradeaus, und sie ist schnell. Sie denkt schnell, und genauso schnell setzt sie Ideen auch um.“ Und: „Sie lässt mich wirklich machen: Sie gibt mir Aufgaben, und ich muss sie nicht bei jedem Zwischenschritt um Erlaubnis fragen, sondern sie vertraut mir. […] Sie gibt mir auch oft Anregungen, in welche Richtung ich noch weiterdenken oder was ich irgendwo noch ergänzen kann – und dann überlässt sie mir wieder das Ruder. So etwas motiviert natürlich.“ Mayer hatte in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit männlichen Chefs gemacht. Sie kommt zu dem Schluss: „Ich habe von Freunden und Bekannten gehört, dass es gute männliche Chefs geben soll. Aber ich selbst kenne keinen Mann, der einen Bilderbuchchef abgibt. Für mich sind Frauen die besseren Führungskräfte.“
Eine Seite gegen die andere auszuspielen mag müßig sein, aber für eines lassen sich zahlreiche Belege finden: Frauen sind mindestens genauso gute Chefs wie Männer. Was die Tatsache, dass der größte Teil gerade einflussreicher Führungspositionen immer noch von Männern besetzt ist, als noch absurder erscheinen lässt. Das kann, muss und wird sich ändern. Und wenn es sich dann ändert, werden die Bedingungen geschaffen werden müssen, die Frauen – genauso wie Männern – ermöglichen, Familie und Karriere gleichzeitig zu leben. Mit diesem Konflikt hatten alle Chefinnen, die ich getroffen habe, zu kämpfen.
Was von fast allen Mitarbeitern, die ich befragte, betont wurde: Weibliche Vorgesetzte sind gut organisiert und echte „Macherinnen“, ohne damit zu protzen. Die Angestellte eines Stuttgarter Internet-Start-ups berichtet etwa: „Bei uns gibt es im Management hauptsächlich Männer. Besprechungen enden selten mit konkreten Ideen. In solchen Konstellationen glaube ich, dass weiblicher Input viel beitragen kann. Meine Chefin fordert zum Beispiel Ergebnisse ein, fragt die nächsten Schritte ab und sorgt für konkrete Aussagen.“ Männer hält die Startup-Mitarbeiterin aber trotzdem für die besseren Führungskräfte: Ihren bisherigen Chefinnen habe die nötige Souveränität gefehlt, sagt die 32-Jährige.
Immer unter Beobachtung
Weitere Kritikpunkte von Mitarbeitern: Ein Interviewpartner hatte Konflikte mit seiner Chefin, weil dieser die nötige Distanz fehlte: Sie breite ihr Privatleben ungehemmt vor ihm aus, erzählte er. Ein anderer hatte eine Chefin, die geradezu krankhaft alle Arbeitsschritte ihres Teams kontrollierte. Eine Angestellte war genervt von ihrer faulen Vorgesetzten, die unverschämt viele Aufgaben delegierte. In den Gesprächen zeigte sich auch: Eine Frau ist nicht automatisch ein guter Chef.
Und Chefinnen stehen wie alle Führungskräfte unter Beobachtung. Für sie persönlich bedeutet das, dass sie eine Gratwanderung zu meistern haben – zwischen zu herb und zu weiblich, zwischen aggressiver Kompetenzdemonstration und betonter Harmlosigkeit. Die Chefinnen, die ich getroffen habe, zeigen, dass es möglich ist, diese Anforderungen zu erfüllen. Auch wenn sie dabei oft selbst an sich zweifeln: Alle befragten Führungskräfte erzählten von Unsicherheiten. Positiver formuliert: Sie hinterfragen ihr Handeln.
Marion Horn, Vize-Chefredakteurin von Bild, sagt es so: „Den Satz ‚Ich bin nicht gut genug‘ habe ich in 26 Jahren im Job noch nie von einem Mann gehört.“ Sie selbst genieße aber die Entscheidungsgewalt ihrer Führungsposition: „Ich finde Macht total geil“, sagt sie. Denn Macht mache entspannt: „Du musst nicht darum kämpfen, deine Meinung durchzusetzen.“
In den Gesprächen mit den Führungskräften saßen mir zufriedene, ausgeglichene Menschen gegenüber, die vor Kraft und Tatendrang geradezu strotzten. Sie dürfen sich beweisen, und das macht etwas mit ihnen. Gleichzeitig hätten die Frauen ihre Karriere in der Regel nicht geplant – sie sei ihnen „passiert“, wurde also häufig durch viele Zufälle geprägt.
Für mich ist gerade dieses Ungeplante ein weiteres Argument für die Frauenquote – und zwar bitte nicht nur in den obersten Chefetagen: Die Quote würde Tatsachen schaffen und Plätze reservieren, die von den Frauen eingenommen werden können. Und dann auch eingenommen werden müssen: Das zwingt auch zaghaftere Charaktere ein Stück weit zum Handeln. Diese könnten dann wiederum Vorbilder für andere werden.
Die Mitarbeiter müssen genauso mitziehen. Den Ängsten der Männer sollte in diesem Zusammenhang mehr Beachtung geschenkt werden, wünscht sich Friederike Schleich*, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni in Freiburg: „Man sollte es nicht nur als Frauensache verpacken.“ Vielmehr müsse man verdeutlichen, dass Vielfalt eine Chance für alle Beteiligten bietet. Ronald Hess, 47 und bis vor Kurzem Verkaufsleiter der Berliner „Opel Hetzer GmbH“, hat das verinnerlicht. Er versichert: „Ich bewundere starke Frauen und arbeite gern mit ihnen.“ Seine Chefin ist so eine starke Frau: die Berliner Unternehmerlegende Heidi Hetzer-Mackay. „Ich mag es, dass Frauen auch im Beruf eine andere Seite einbringen“, sagt Hess. „Sie werten Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Und sie bringen eine völlig eigene Betrachtungsweise zu Problemen, zu bestimmten Dingen mit.“
Bloß nicht "zu weich" sein
Ulrike Wiese, Inhaberin eines Herrenmodegeschäfts in Berlin-Pankow, begreift ihre Chefrolle beispielsweise auch als soziale Aufgabe. Sie hält die Fürsorge den Mitarbeitern gegenüber teils sogar fast für wichtiger als das Gehalt, das sie ihnen zahlt. Gleichzeitig will sie aber nicht „zu weich“ sein: „Wir Frauen sind persönlicher und haben mehr Einfühlungsvermögen. Das bedeutet nicht, dass wir dadurch lascher sind. Ich glaube nicht, dass Männer besser sind als Frauen, sie sind anders. Wir sind genauso streng und ziehen unser Ding durch, aber Männer sind oft nicht diplomatisch genug.“
Ronald Hess wagt kein abschließendes Urteil in der Geschlechterfrage, er sagt jedoch über seine Chefin: „Es fällt mir schwer zu sagen, das und das kann sie besonders gut, weil sie eine Frau ist. Aber ich sage mal, es sind so bestimmte Dinge, ein bestimmtes Gefühl, bestimmte Ahnungen. Auf der Gefühlsebene ist Frau Hetzer als Frau sehr stark. Sie ist sehr sensibel. Und ich denke, das alles findet man bei Männern seltener.“ Hess glaubt, dass es in Zukunft deutlich mehr weibliche Führungskräfte geben wird und will ein gängiges Vorurteil entkräften: „Man denkt oft, die Frau muss sich männliche Verhaltensweisen aneignen, um sich in dieser Männerwelt durchzusetzen. Ich glaube aber nicht, dass das der richtige Weg ist. Die Frauen sollten bei sich bleiben, zu sich stehen und mit ihren speziellen Attributen punkten.“
*Name geändert
Juliane Gringer ist als freie Journalistin ihre eigene Chefin und glücklich damit. Ihr Buch Mein Chef ist eine Frau Erfahrungsberichte über die weibliche Seite der Macht ist gerade bei Schwarzkopf Schwarzkopf erschienen
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