Erdwärme

Tiefenenergie Wegen hoher Investitionskosten kaum genutzt

Bislang führt sie ein Dasein im Schatten von Windkraft und Sonne. Doch im Bundesumweltministerium wird man nicht müde, auch die Vorteile einer weitgehend unbekannten »sauberen« Energiequelle zu preisen: der Erdwärme oder Geothermie. Gegenüber den regenerativen Energiequellen Wind und Sonne hätte sie den Vorteil, unabhängig von Wetter und Jahreszeit Strom liefern zu können und damit grundlastfähig zu sein. Umweltbelastende Emissionen entstünden fast ausschließlich beim Bau der Kraftwerke. Das Büro für Technikfolgenabschätzung (TAB) bescheinigte der schlummernden Energiequelle in einem Bericht vom Februar 2003 unglaubliche Potenziale: Die Erdwärme könnte den Strombedarf in Deutschland für 600 Jahre decken – wenn sie denn erschließbar wäre. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung lassen die Verfasser dieses Potenzial schnell auf zwei Prozent der jährlichen Stromproduktion schrumpfen. Daran hat sich auch in den vergangenen zwei Jahren wenig geändert. Zwar wurde die Einspeisevergütung für geothermischen Strom im Erneuerbare Energiengesetz (EEG) von neun auf 15 Cent pro Kilowattstunde erhöht, die Bohrkosten, die zwei Drittel der Erschließungskosten ausmachen, haben sich in dieser Zeit aber nicht verringert. Ganz ausgereift ist auch die Kraftwerkstechnik noch nicht, wie auf einer Tagung in Berlin Anfang April deutlich wurde. Trotzdem versuchten die Geologen und Ingenieure vom Fach, Kommunen für den Strom aus der Erde zu gewinnen.

Während in anderen Ländern mit aktivem Vulkanismus heißes Wasser aus der Erde hervorsprudelt, muss hierzulande einige Kilometer in die Tiefe gebohrt werden, um die Erdwärme zu erschließen. Um 30 Grad Celsius steigert sich die Temperatur im Schnitt pro Kilometer. In einer Tiefe von 3.000 Metern kann also die für die Stromerzeugung erforderliche Mindesttemperatur von 100 Grad Celsius erreicht werden. Doch die Wärme des Gesteins allein ist nicht ausreichend; zusätzlich muss genügend Wasser durch den Untergrund fließen können. Denn aus dem geförderten heißen Wasser wird letztendlich die Energie gewonnen, und dieser Gewinn ist von der Menge abhängig. Ein geothermisches Kraftwerk besteht aus zwei Bohrungen im Abstand von ein bis zwei Kilometern, durch die eine wird Wasser eingeleitet, das sich im Tiefengestein erhitzt und über die zweite Bohrung wieder heraufgepumpt wird. Damit wird dann die Turbine betrieben. Zwei Bohrungen kosten allerdings einige Millionen Euro. Mindestens eine muss vorgenommen werden, um herauszufinden, ob das Untergrundgestein für die Stromerzeugung geeignet ist. Das wirkt für Investoren bisher wenig verlockend.

Aufgrund bestehender geologischer Untersuchungen lässt sich allerdings vermuten, in welchen Regionen wasserdurchlässige heiße Gesteinsschichten vorhanden sind. Die erfolgversprechendsten Standorte liegen im Oberrheingraben und im Süden Bayerns und Baden-Württembergs. Zehn der insgesamt zwölf Pilot- und Forschungsprojekte befinden sich in diesem Raum. Die Bergrechte, die für Tiefenbohrungen erforderlich sind, haben sich Projektplaner vorsichtshalber schon gesichert. Auch im Norddeutschen Becken ist theoretisch eine Nutzung der Geothermie möglich, nur sind Experten skeptisch, was das Verhältnis von Erschließungskosten und Stromertrag angeht. Im mecklenburgischen Neustadt-Glewe ist im November 2003 das erste geothermische Kraftwerk ans Netz gegangen, allerdings hat der Standort für die Region eher untypische Eigenschaften.

Das vom TAB errechnete Potenzial von einem zweiprozentigen Anteil an der Bruttostromerzeugung kommt dadurch zustande, dass nur eine mit Fernwärmeversorgung gekoppelte Stromerzeugung für wirtschaftlich sinnvoll gehalten wird. Kraftwärmekopplung sei aber nur in Ballungsräumen lohnend, da Fernheizungen nicht über allzu weite Strecken betrieben werden können.

In den kommenden 20 Jahren müssen 40 Gigawatt an Kraftwerksleistung veralteter Anlagen ersetzt werden. Geothermische Kraftwerke könnten nach Einschätzung von Reinhard Jung vom Institut für Geothermische Gemeinschaftsaufgaben in zehn bis fünfzehn Jahren davon höchstens ein Gigawatt bereitstellen.


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