Jährlich werden nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur weltweit 27,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen - Tendenz steigend. Die fossilen Energieträger und Kohlendioxidproduzenten Kohle, Erdöl und Erdgas erzeugten im Jahr 2000 88 Prozent des Stroms auf der Welt. Und Kohlendioxid gilt als hauptverantwortlich für den Treibhauseffekt. Läuft also alles weiter wie bisher - selbst bei Ausbau der regenerativen Energien im derzeitigen Tempo -, ist kaum mit einer Reduzierung des Ausstoßes zu rechnen. Angesichts dieser Zahlen rufen nun Wissenschaftler und Politiker die "saubere Kohle" aus, mit der sie 7,5 Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen einzusparen versprechen.
Depots für Treibhausgas
So fand in Berlin Mitte Mai der Fachkongress Innovative Technologien zur Stromerzeugung - auf dem Weg zu CO2-freien Kohle- und Gaskraftwerken statt. Die Idee hinter dem CO2-freien Kraftwerk klingt einfach: Kohlendioxid wird vor oder nach der Verbrennung abgetrennt und anschließend im Erdinneren deponiert. Zusätzlich gelte es, die Effizienz der Kraftwerke zu steigern. Der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung sprach im vergangenen Jahr ein "konditioniertes Ja" zur Kohle aus. Kohle solle weiter genutzt, aber die CO2-Emissionen reduziert werden. "Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist keine Perspektive für die globale Energieversorgung - jedenfalls nicht für die nächsten Jahrzehnte", so der Ratsvorsitzende Volker Hauff auf dem Kongress in Berlin.
Es gibt verschiedene Optionen, das Treibhausgas zu deponieren, die heute zum Teil schon in Pilotprojekten erprobt werden: In tiefen Gesteinsschichten unterhalb der Meere oder auf dem Festland, in nicht ausbeutbaren Kohleflözen oder in ehemaligen Erdgas- und Erdölfeldern. Bei letzterem bietet das Verpressen von CO2 den Vorteil, dass durch den Druck Restöl noch gefördert werden kann. Die Technik wird schon jetzt von Erdölfirmen genutzt.
Ebenso wenig frei von wirtschaftlichen Interessen operiert man auf der norwegischen "Sleipner". Die Bohrplattform der Firma Statoil fördert Erdgas aus der Nordsee. Seit 1996 trennt sie nach der Förderung das Kohlendioxid ab und leitet es im verflüssigten Zustand wieder in das Gestein unterhalb des Meeresgrundes. Statoil geht auf diese Weise der norwegischen Kohlendioxidsteuer aus dem Weg. Begleitet werden die Aktivitäten auf der Sleipner von einem EU-Forschungsprojekt, das 1999 versicherte, dass kein Kohlendioxid wieder austreten würde.
Ähnlich wie vor der Küste Norwegens wollen Wissenschaftler nun auch im brandenburgischen Ketzin eine Modelldeponie für Kohlendioxid einrichten. Bereits seit 1960 befand sich hier ein Zwischenspeicher für Erdgas aus Sibirien, der von der Betreiberfirma aufgegeben wurde. Bei dem vom Geoforschungszentrum Potsdam koordinierten Projekt "CO2-Sink" soll das Gas in tieferen Gesteinsschichten als früher das Erdgas gelagert werden. 600 bis 700 Meter unter der Erde wollen die Wissenschaftler es in eine poröse Sandsteinschicht pressen, die umgebenden Gips- und Tonschichten sollen ein Austreten des Gases vermeiden. "Während bei Sleipner das Kohlendioxid nur an der Oberfläche gemessen wurde, werden wir es in der Tiefe beobachten", sagt Projektleiter Günter Borm.
Doch das wird noch eine Weile dauern. Innerhalb des nächsten Jahres müssen das Einverständnis der Behörden und der Anwohner eingeholt werden - außerdem fehlen noch 10.000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr. "Wir sehen CO2-Sink auch als politisches Projekt", so Borm, "hier sollen auch Erfahrungen mit Genehmigungen gewonnen werden." Rechtliche Regelungen für Kohlendioxiddeponien gibt es bisher nicht. Für gefährlich hält Günter Borm sein Forschungsprojekt nicht. Das ungiftige Gas könne nur dann gefährlich werden, wenn es in großen Mengen austritt, und damit den vorhandenen Luftsauerstoff verdrängt.
Noch finanziert sich CO2-Sink zur Hälfte aus EU-Mitteln, doch schon bald könnten Fördergelder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit hinzukommen. Das Ministerium ließ vom Forschungszentrum Jülich und von vier Arbeitsgruppen ein Forschungs- und Entwicklungskonzept für emissionsarme fossil befeuerte Kraftwerke (COORETEC) entwickeln. Die Autoren des COORETEC-Berichts rechnen mit einem Neubaubedarf von 40 Großkraftwerken in Deutschland bis zum Jahr 2020.
Alternative: Aufforstung
Dieser Bedarf setzt sich aus dem Ausstieg aus der Kernenergie sowie dem Ersatz für veraltete Anlagen zusammen. Kohle und Erdgas werden dabei gleichermaßen als Energielieferanten in Betracht gezogen, obwohl Erdgas eigentlich als der sauberere Energieträger gilt. "Man geht nicht davon aus, dass es Sinn macht, Kohle zugunsten von Erdgas zu eliminieren", sagt Dr. Jochen Seier vom Forschungszentrum Jülich. "Kohle ist billiger und garantiert die Versorgungssicherheit. Mit Erdgas machen wir uns zunehmend von Russland abhängig."
Doch auch die "saubere Kohle" ist nicht ganz billig zu haben: Zwischen 28 und 74 Euro würde das Abscheiden und Einlagern von einer Tonne Kohlendioxid kosten. Einen weitaus kostengünstigeren Vorschlag macht die Gesellschaft deutscher Chemiker, die einwendet, dass Wald die effizienteste Kohlendioxidsenke sei. Durch Wiederaufforstungen könnten weltweit jährlich 18 Milliarden Tonnen CO2 gespeichert werden, das zehnfache dessen, was Experten durch Kraftwerkstechnik und geologische Speicherung zu vermeiden hoffen. Maximal fünf Euro würde die Aufforstung einer Fläche kosten, die eine Tonne CO2 speichern könnte.
Bedenken gegen die neue Kohlepolitik kommen auch von Germanwatch. Klimareferent Manfred Treber befürchtet, dass die "saubere Kohle" in Konkurrenz zu erneuerbaren Energien treten werde. "Man sieht schon jetzt, dass diese technische Möglichkeit benutzt wird, um die Akzeptanz für Kohlekraftwerke zu steigern", sagt Treber. Auch wenn der Nachhaltigkeitsrat emissionsarme Kraftwerke nur als "Brückentechnologie" bezeichnet, an deren Stelle irgendwann einmal erneuerbare Energieträger treten sollen, könnten sich die Energiekonzerne eine ganze Weile darauf ausruhen. Die Kohlevorräte der Erde reichen schließlich noch für etwa 200 Jahre.
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