Den Jesuslatschen entwachsen

In der Nische boomt es In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Umsatz an Öko-Lebensmitteln fast verdreifacht. 2005 wuchs er um 15 Prozent - allerdings bei niedrigem Marktanteil

Bis vor wenigen Jahren waren Bio-Lebensmittel fast nur in Bioläden, Reformhäusern oder bei Direktvermarktern, etwa Hofläden oder Marktständen von Biobauern, zu haben. Vom 100 Milliarden Euro schweren Lebensmittelmarkt in Deutschland bekamen die Alternativen nur die Brosamen ab. Mittlerweile hat Bio in den Regalen von Supermärkten und Discountern seinen festen Platz. Zugleich schießen Bio-Supermärkte wie Basic oder Alnatura, die nur Öko-Ware vertreiben, wie Pilze aus dem Boden - die Filialen trumpfen mit mehr als 300 Quadratmetern Verkaufsfläche und Vollsortimenten von bis zu 12.000 Produkten auf. Deutschlandweit sind es rund 300, Tendenz weiter steigend.

Doch lässt sich bei einem Marktanteil von rund drei Prozent überhaupt von einem Boom sprechen? "Die Nachfrage steigt schon stark an - aber von einem geringen Niveau aus", sagt Ulrike Kreysa, Redaktionsleiterin von Ökolandbau.de, eines Infoportals des Bundesverbandes ökologischer Landbau e.V. Corinna Hölzel, Verbraucherexpertin bei Greenpeace Deutschland, spricht von "einem Trend zu Bio". Der Boom bestehe zwar nur in den Wachstumsraten. Es sei aber erstaunlich, dass ein Discounter wie Lidl jetzt auch auf Bio setze, nachdem den Kunden jahrelang eingetrichtert worden sei, "auf billig zu setzen und auf Qualität nicht zu achten".

Die Angebotsoffensive im deutschen Bio-Markt hat ihre Basis aber hauptsächlich im Ausland. Vor allem die Discounter kaufen groß in Österreich, Italien, Dänemark, Spanien, Osteuropa und anderswo Bio ein, weil der deutsche Anbau nicht Schritt hält. Das 15-prozentige deutsche Nachfrageplus vom Vorjahr werde, so Hölzel, 2006 "mindestens erreicht - wenn nicht sogar mehr".

Bio wirklich besser?

Skeptiker wenden gerne ein, Öko-Produkte seien qualitativ von konventionellen Lebensmitteln kaum zu unterscheiden, weil die allgemeine Umweltkontamination und die Abdrift die Bio-Vorteile zunichte mache. Mit dieser Frage hat sich das Öko-Monitoring-Programm des Landes Baden-Württemberg beschäftigt. Ergebnis der Studie: Die Behauptung ist "nicht zutreffend". Für 2004 errechneten die Wissenschaftler eine mittlere Pestizidbelastung aller untersuchten Öko-Erzeugnisse von 0,002 Milligramm pro Kilogramm, ein Wert weit unter der Nachweisgrenze von 0,01 Milligramm.

Siegel mit sechs Ecken

Zu erkennen sind Bio-Lebensmittel am staatlichen Bio-Gütesiegel oder der Aufschrift "aus kontrolliert biologischem Anbau", kurz "kba". Das staatliche Bio-Siegel gibt es seit September 2001. Das kleine sechseckige Zeichen mit dem Schriftzug "Bio" soll Klarheit und Orientierung bei Öko-Produkten geben. Es wird in der ganzen Europäischen Union verwendet. Die Botschaft für den Verbraucher soll heißen: "Wo ›Bio‹ drauf steht, ist auch ›Bio‹ drin."

Nur Erzeuger und Hersteller, die die Bestimmungen der EG-Öko-Verordnung 2092/91 einhalten und sich den vorgeschriebenen Kontrollen unterziehen, dürfen ihre Ware als Bio- oder Ökoware verkaufen und mit dem Bio-Siegel kennzeichnen. Die Verordnung stammt von 1991 und wurde 1999 um Bestimmungen zur Tierzucht ergänzt. 87 verschiedene Kontrollstellen sind mit Vergabe und Kontrollen beschäftigt, 23 davon in Deutschland. Der Verbraucher kann am Etikett nachlesen, welche EU-Kontrollstelle den Hersteller regelmäßig kontrolliert.

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