Täuschen, tarnen, taktieren - nach diesem Motto wird in Russland nicht eben selten Politik betrieben, wie die Schlacht um das Medien-Imperium Wladimir Gussinskis zeigt. Sie wird seit einem Jahr zwischen dem vor Haftbefehlen nach Spanien geflüchteten Chef der Media-Most und dem russischen Staat unter aktiver Beteiligung westlichen - vor allem US-Kapitals - geschlagen. Vordergründig geht es um 262 Millionen Dollar, die der Medienkonzern (der Fernsehsender NTW und die Radiostation Echo Moskaus), seinem Gläubiger, dem halbstaatlichen Energieunternehmen GASPROM, schuldet und nicht zahlen kann. Dazu kommen etliche Millionen, die Gussinksi illegal für eigene Zwecke aus Privatisierungen Anfang der neunziger Jahre gezogen haben soll.
Dass GASPROM gerade diesen Schuldner atta
ldner attackiert, hat weniger mit Ökonomie, sondern viel mehr mit Politik zu tun. Der Energiekonzern ist zwar teilprivatisiert, steht aber nach wie vor unter staatlicher Aufsicht. Ende Januar erhöhte er den Druck auf die Most-Media und beanspruchte 19 Prozent der Aktien - eine Forderung, die seitens der staatlichen Regulierungsbehörde vollauf akzeptiert wurde. Dadurch verfügt GASPROM nunmehr - nach eigener Kalkulation allerdings - mit 65 Prozent über eine stattliche Aktienmajorität und will die Most-Media völlig der eigenen Kontrolle unterstellen. Parallel zu dieser Übernahme sehen sich Gussinski und seine Crew durch die Ermittlungsbehörden in Schach gehalten, denn Hausdurchsuchungen gehören bei NTW und Echo Moskaus inzwischen zum Alltag.Ungeachtet dieser Tatsachen glänzt Wladimir Putin in dieser Affäre von Anfang an durch Bekenntnisse zur Pressefreiheit und "Unantastbarkeit der Organe einer demokratischen Rechtspflege". Er hat die Journalisten des bedrängten Konzerns inzwischen bereits das zweite Mal zu einem "klärenden Gespräch" in den Kreml gebeten. Die erste Begegnung kam unmittelbar nach seinem Sieg bei der Präsidentenwahl im Frühjahr 2000 zustande. Damals versicherte er, die Freiheit der Medien werde nicht angetastet, vorausgesetzt dieselben würden keine staatsfeindliche Propaganda betreiben. Außerdem schätze er die Berichterstattung von NTW, bekamen die Eingeladenen zu hören. Ohne kritische Medien könne sich in Russland keine Demokratie entwickeln. Genau aus diesem Grunde aber werde er weder GASPROM noch der Staatsanwaltschaft Vorschriften machen. "Wollen Sie denn", fragte er die Versammelten, "dass ich zur Politik des Telefons zurückkehre?" - Nein, das will natürlich niemand, denn heute sollen ja die Kräfte des Marktes entscheiden, und so nimmt das Spiel seinen Lauf. Ein "Offener Brief" folgt dem anderen: Zunächst schrieb Putin selbst an den CNN-Gründer Ted Turner, der - gestützt auf den Finanzmagnaten George Soros - seine Bereitschaft zum Kauf von Gussinski-Aktien erklärt hatte. Der Präsident begrüßte nachdrücklich den Wunsch ausländischer Interessenten, sich zu engagieren, wenn es darum gehe, die Unabhängigkeit der Medien zu sichern. Eine Garantie, dass der Staat nicht intervenieren werde, gab er allerdings nicht.GASPROM-Chef Wjacherew wiederum verfasste einen "Offenen Brief", mit dem er Gussinski bezichtigte, Media-Most wegen seiner politischen Ambitionen in den Bankrott gewirtschaftet zu haben. Schließlich schaltete sich auch die NTW-Belegschaft ein, um ihrerseits öffentlich mitzuteilen, der Konzern sei de facto zahlungsunfähig - nun müsse der Präsident etwas tun, um das Unternehmen zu erhalten, sollte ihm wirklich soviel an der Pressefreiheit liegen. Als all diese Briefe verschickt waren, meldete sich zu guter Letzt Boris Beresowski, ungekrönter König der russischen Oligarchen und einstiger Finanzier der Familie Jelzin (zunächst auch Schrittmacher Putins, heute dessen erbitterter Gegner), um seinerseits mit einem "Offenen Brief" an den russischen Unternehmerverband der Media-Most einen Überbrückungskredit von 50 Millionen Dollar anzubieten. Des weiteren tat er seine Absicht kund, mit der Bank Credit Suisse First verhandeln zu wollen, damit sie die 262 Millionen Dollar Schulden von Media-Most übernimmt. Beresosowki kann es sich leisten: Er - der sich wie Gussinski derzeit dem Zugriff der russischen Justiz im Ausland entzieht - hat soeben seine 49 Prozent Anteile, die er am Fernsehkanal ORT hielt, an seinen Intimus Abramowitsch veräußert. Der suchte umgehend ein öffentlich nicht bekanntes Arrangement mit dem Staat, so dass ORT nunmehr als staatlicher Sender zu betrachten ist. Beresowski begründete im Übrigen sein Angebot an Most Media mit den Worten: "Ein demokratisches Russland ist ohne NTW undenkbar."Der Medienkritiker Alexej Pankin wertet indes Beresowskis Vorstoß als einen Trick, mit dem er seinen alten Rivalen Gussinski vollends ausschalten will. Der US-Anbieter CNN hält sich vorerst bedeckt, während Dimitri Ostalsky, Finanzmanager von Media-Most, erklärt: "Wenn die Regierung und GASPROM ausländische Investitionen verhindern, dann ist das Angebot von Boris Beresowski besser als nichts." - Geht es bei alldem, fragt man sich, tatsächlich um die Freiheit russischer Medien?