Weiter paradiesische Zustände

Reform der Erbschaftsteuer Ein Hohn auf das Gerede von mehr Gerechtigkeit

Ihr Aufkommen von rund vier Milliarden Euro fließt komplett in die Haushalte der Bundesländer, der Anteil an deren Steuereinnahmen liegt aber nur bei etwa zwei Prozent. Dass die Erbschaftsteuer derart marginal zu Buche schlägt, hat vorrangig einen Grund: Erben werden in Deutschland nur mäßig zur Kasse gebeten, Immobilien- und Betriebsvermögen weit unter Wert zur Besteuerung herangezogen. Die Freibeträge für nahe Verwandte sind hoch, die Steuersätze moderat. Würden Erbschaften wie in den Niederlanden oder Frankreich besteuert, würden die Einnahmen zwei- bis dreimal so hoch ausfallen.

Dennoch ist diese Steuer reichen Erben ein Dorn im Auge und wird gern leistungsfeindliche "Neidsteuer" gescholten. Ähnlich sieht das offenbar auch die Bundesregierung mit ihrem Beschluss in dieser Woche. Bereits im Koalitionsvertrag vom November 2005 war zu lesen, dass Erbschaftsteuern bei Fortführung eines geerbten Betriebes nach zehn Jahren erlassen werden sollten. Darauf hatte sich bereits die rot-grüne Koalition mit der Union beim so genannten Job-Gipfel im März 2005 geeinigt. Im Oktober 2006 erblickte dann unter Schwarz-Rot ein Gesetzesentwurf das Licht der Welt, der sich die Vorgabe des Koalitionsvertrages zu eigen machte. Diese Abgabe dürfe keine Gefahren für einen Betrieb heraufbeschwören, die Steuerentlastung von immerhin 450 Millionen Euro diene "der Erhaltung von Unternehmen als Garanten von Arbeitsplätzen", hieß es. Wer angesichts dieser Begründung nach Firmen suchte, die von der Erbschaftsteuer in Bankrott und Ruin getrieben wurden, konnte kaum fündig werden. Weder die Bundesregierung noch die Unternehmerverbände sind in der Lage, auch nur einen konkreten Fall zu nennen. Dass überdies Steuerstundungen nur äußerst selten in Anspruch genommen werden, ist wohl ein Beleg dafür, dass die mit einer Erbschaft anfallenden Abgaben verkraftbar sind: Lediglich in einer Höhe von 89 Millionen Euro wurde 2005 vom bestehenden Recht auf eine zehnjährige zinslose (!) Erbschaftsteuerstundung Gebrauch gemacht.

War der Gesetzentwurf vom Oktober 2006 selbst in den Regierungsfraktionen nicht unumstritten - so forderte die SPD-Fraktion einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung bei zu erwartenden Einnahmeausfällen von 450 Millionen Euro -, so heizte ein Ende Januar 2007 veröffentlichtes Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Debatte erneut an. Die Karlsruher Richter bemängelten, Immobilien und Betriebsvermögen würden im Gegensatz zu Geld- und sonstigem Vermögen stark unterbewertet. Für alle Vermögensarten sei im ersten Schritt der tatsächliche Verkehrswert zu ermitteln. Erst im zweiten sei es statthaft, einzelne Kategorien zu privilegieren. Sie gaben der Exekutive in Berlin bis Ende 2008 Zeit, diesem Verlangen zu entsprechen.

Als das Urteil bekannt wurde, plädierten FDP- und Unions-Größen dafür, die Erbschaftsteuer doch gleich ganz abzuschaffen. Die SPD reagierte mit einem Veto und wusste sich in einem Boot mit den unionsgeführten Bundesländern, die gar nicht daran dachten, auf das Erbschaftsteueraufkommen zu verzichten. Der Streit führte im Mai schließlich zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag und im November zu "Eckpunkten" für eine Reform. Die besagen, es wird an der Besteuerung von Erbschaften prinzipiell festgehalten, das derzeitige Steueraufkommen soll - angesichts des Votums aus Karlsruhe, also der Bewertung aller Vermögensarten zu ihren Verkehrswerten - erhalten bleiben. Die Freibeträge von nahen Verwandten werden drastisch angehoben (für hinterbliebene Ehepartner von 307.000 auf 500.000 Euro), während entfernte Verwandte und sonstige Personen über leicht steigende Steuersätze etwas höher belastet werden. Bei der Vererbung von Betriebsvermögen hingegen wird die Erbschaftsteuer weitgehend erlassen: Bleibt die Zahl der Arbeitsplätze über einen Zeitraum von zehn Jahren annähernd gleich und der Betrieb über 15 Jahre weiter bestehen, entfallen 85 Prozent der Erbschaftssteuer.

Wie nicht anders zu erwarten, spiegelt sich in diesem Reformwerk alles andere als mehr Steuergerechtigkeit. Erbschaften stellen immerhin für den Begünstigten ein leistungsloses Einkommen - häufig in beachtlicher Höhe - dar. Zudem haben reiche Erben dank ihrer Herkunft in der Regel bessere Bildungs-, Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten. Sie sind prädestiniert, aus ihrem laufenden Einkommen höhere Vermögen zu bilden als Menschen aus wenig begüterten Familien. Insofern wäre eine deutlich höhere Besteuerung von Erbschaften eben nicht nur folgerichtig, sondern auch leistungsgerecht und geeignet gewesen, einer galoppierenden Vermögenskonzentration in diesem Lande entgegen zu wirken. Gerade hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wieder darauf hingewiesen: Während zwei Drittel der Bevölkerung über kein oder nur ein sehr geringes (Netto-)Vermögen verfügen, besitzen die reichsten zehn Prozent fast 60 Prozent des Gesamtvermögens, und ein Prozent hortet sage und schreibe ein Fünftel aller Vermögenswerte.

Wer sich diese Zahlen vergegenwärtigt und die Steuerpolitik des vergangenen Jahrzehnts Revue passieren lässt - erinnert sei an die Aussetzung der Vermögenssteuer im Jahr 1997, die gekappte Unternehmensbesteuerung durch Rot-Grün in Höhe von elf Milliarden Euro und die 2008 anstehende Unternehmenssteuerreform, die noch einmal um fünf Milliarden entlastet -, der dürfte zweierlei schnell erkennen: Wer in Deutschland den Finanzministern die Feder führt, und warum die öffentlichen Hand zu oft leer bleibt, wenn sie mehr für Bildung, soziale Dienste und Investitionen ausgeben will.

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