Manche Unternehmen versprechen Verbrauchern gern, dass sie für einen höheren Preis nicht nur eine besondere Qualität bekommen, sondern die Produkte auch möglichst nachhaltig produziert werden. Gutes Gewissen also inklusive. Und so will auch der amerikanische Eishersteller Ben & Jerry’s „tolles Eis auf die nettestmögliche Art und Weise machen“. Um diese Botschaft zu verbreiten, veranstaltet das Unternehmen regelmäßig Pressetouren. In den USA führen sie zum Stammsitz nach Vermont, in Europa zur Produktionsstätte Hellendoorn in den Niederlanden.
Knapp eine Autostunde von der deutschen Grenze entfernt, umgeben von sattgrünen Feldern, auf denen Kühe unter Schäfchenwolken grasen, kommt Hellendoorn den idyllischen Illustrationen auf Ben & Jerry’s-Eisbechern ziemlich nah. „Wir setzen bewusst auf Nachhaltigkeit“, sagt Ed Shepherd, seines Zeichens „Social Mission Manager Europe". Er stellt bei der Tour das Leitbild und die Geschichte des Unternehmens vor. Gegründet wurde es 1978 von den Freunden Ben Cohen und Jerry Greenfield. „Ihre Motivation war, zu zeigen, dass man als Unternehmen idealistisch und erfolgreich zugleich sein kann“, sagt Shepherd. „Und die Welt ein Stückchen besser machen kann.“
Homo-Ehe und Junkie-Hilfe
Die Cookies- und Brownies-Stücke, die das Eis besonders machen, stammen daher nicht irgendwo her. Sie werden in einer New Yorker Bäckerei hergestellt, die ehemaligen Obdachlosen und Junkies mit einem Arbeitsplatz den Wiedereinstieg ins Leben ermöglicht. Außerdem setzt sich Ben & Jerry’s in den USA für die gleichgeschlechtliche Ehe ein. In Deutschland tragen alle erhältlichen Sorten das Fairtrade-Zertifikat. Hergestellt wird das europäische Eis ausschließlich in der Fabrik in den Niederlanden, durch die nun die Tour startet.
Mit weißem Kittel, neongelber Sicherheitsweste, pinkem Haarschutz und Schutzbrille geht es los. Es läuft laut Musik. In jeder Halle hängt dieselbe Frage von Jerry Greenfield, die wie die Grundsatzerklärung eines Hedonisten klingt: „Warum etwas tun, wenn es keinen Spaß macht?“ Das Eis hier wird von Maschinen produziert, 12.000 Pints und 800 Shorties pro Stunde. In einer Halle packen Mitarbeiter frisch verpackte Eispaletten aber wieder aus, um dann Becher mit verschiedenen Geschmacksrichtungen zusammenzustellen und neu in Plastikfolie einzuwickeln. Wie passt die Wickelei zum nachhaltigen Anspruch? „Wir sind auch nicht perfekt“, sagt Shepherd. „Wir versuchen, uns Stück für Stück zu verbessern.“
Helfen dabei soll auch der „grüne Freund“. Eine Anlage, die mit organischen Produktionsabfällen gefüttert wird und diese in Biogas umwandelt. Das wird dann verwendet, um die Fabrik mit Energie und Wärme zu versorgen. Klingt nachhaltig, wäre da nicht dieses kleine Logo: Unilever. Immerhin ist es inzwischen auf den Eisbechern zu finden und somit die Verbindung transparent. Nachdem der britisch-niederländische Großkonzern 2000 den amerikanischen Eishersteller aufkaufte, wurden die Produkte von Ben & Jerry’s zunächst bewusst nicht mit dem Unilever-Logo gekennzeichnet.
Kein Wunder, denn Unilever verkörperte lang das völlige Gegenteil von Nachhaltigkeit. Deswegen waren auch die Gründer Cohen und Greenfield alles andere als glücklich, als sie von der Übernahme durch den größten Hersteller von Verbrauchsgütern weltweit erfuhren. Verhindern konnten sie diese aber nicht, da sie nicht mehr Ben & Jerry’s-Hauptanteilseigner waren. Schlagzeilen machte Unilever lang durch die Zerstörung von Regenwäldern, um Palmöl zu gewinnen. In den vergangenen Jahren versuchte der Konzern mit einer Nachhaltigkeitsstrategie sein Image zu verbessern, Ben & Jerry’s passt da gut rein.
Die Eisproduzenten haben ein Jahr nach der Fabrikeröffnung in Hellendoorn 2002 das Caring-Dairy-Projekt ins Leben gerufen, bei dem die Nachhaltigkeit von Bauernhöfen gefördert werden soll. „Happy cows, happy farmer, happy planet“, alle glücklich. Wie das konkret aussieht, soll der Besuch auf dem Hof von Ronnie und Cindy zeigen. Hier können – wird stolz erklärt – 120 Kühe selbst entscheiden, wann sie gemolken werden. Das passiert nicht mehr per Hand, sondern durch ein automatisiertes Melksystem. Außerdem dürfen sie, wann immer sie wollen, frei grasen. Das macht nicht nur das Leben für die Kühe, sondern auch für das Bauernpaar angenehmer.
Ein krasser Kontrast
Social-Mission-Manager Shepherd berichtet, dass „250 Bauernhöfe in den Niederlanden am Projekt beteiligt sind und Milch an Ben & Jerry’s liefern“. Allerdings ist diese nicht frei von Gentechnik. Greenpeace kommentierte den Sustainable-Living-Plan des Mutterkonzerns Unilver 2012 so: „Unilever setzt auf Siegel, die Gentechnik erlauben, nennt diese ‚nachhaltig’ und verwässert damit den Begriff der Nachhaltigkeit.“ Auch Foodwatch kritisiert die irreführende Vermarktung von Unilever. Von den Tierversuchen für die Herstellung einiger Produkte ganz zu schweigen. Ein krasser Kontrast zu den glücklichen Kühen.
„Es ist nicht immer leicht, einen Kompromiss zu finden“, sagt Shepherd. „Aber wir haben definitiv einen positiven Einfluss auf Unilever.“ Das Problem ist nur: Dieser lässt sich genauso schwer messen wie das neue Ziel des Mutterkonzerns, „Umweltauswirkungen der Produkte bis 2020 zu halbieren“. Einerseits ist es erfreulich, wenn ein Unternehmen Nachhaltigkeit fördert. Und klar kann man sagen, kleine Schritte sind besser als keine. Andererseits muss man fragen, wie das einem globalen Konzern wie Unilever möglich sein soll, wenn man zugleich das Ziel ausgibt, den Gewinn bis 2020 zu verdoppeln. Am Ende muss der Konsument im Laden entscheiden, ob ihm so ein bisschen Nachhaltigkeit reicht. Oder nicht.
Die Recherche zu diesem Text fand im Rahmen einer von Ben & Jerry’s finanzierten Reise statt
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