Bei kaum einem anderen Geschlechter-Thema habe ich mir in der Vergangenheit so den Mund fusselig geredet, wie bei dem Thema „Quote“. Es ist ein klassisches Spalter-Thema. Auf der einen Seite stehen meistens diejenigen, die als „Hardcore“-Feministen abgestempelt werden. Auf der anderen Seite diejenigen, die 'wir' dann „Betonköpfe“ schimpfen. In der Regel wird die Diskussion bis auf die Grundfesten der Verfassung geführt: Was sagt das Grundgesetz? Und: Was ist gerecht? Bislang endeten die Diskussionen meistens – außer im politisch grünen Umfeld – mit einer moralischen Entwertung derjenigen, die Quoten forderten. Oder sie wurde damit geschlossen, dass die Frauen doch einfach selbst schuld seien, wenn sie es nicht alleine schafften und man die Sache doch nun nicht den armen Männern anhängen könne. Ach so: Nicht zu vergessen das Argument von den schlecht qualifizierten Frauen, die dann die viiiieeel besseren Männer verdrängten.
Das waren noch Zeiten, als die Fronten so einfach, so klar waren. Als Gerd Schröder die Frauenpolitik als „Gedöns“ und das Geschwätz von der Quote als nicht diskutabel betrachtete. Es war am 17. März 2009, als sich der Wind entschieden drehte. Da saß eine Runde hochkarätiger Frauen aus Business und Politik im Willy-Brandt-Haus an einem rundem Tisch, zusammen mit Franz Müntefering, damals noch Vorsitzender der SPD. Sie hatten gute Argumente dabei: Studien. Eigene Erfahrungen und ein ausgefeiltes Konzept namens „Nürnberger Resolution“. Diese unterzeichnete der SPD-Chef am 17. März und von da an nahm es um das Thema Quote eine Wende in Deutschland.
Weltweite Quoten
Denn diese Resolution forderte eine Quote von 40 Prozent Frauen für die Aufsichtsräte – nach norwegischem Vorbild. Im Oktober 2009 ging die Erfolgsgeschichte der Quote in eine neue Runde: Die Niederlande entwarfen ein Gesetz, das die Unternehmen dazu verpflichten sollte, Vorstands- und Aufsichtsratsposten zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. Weiter ging es mit unseren französischen Nachbarn: Ausgerechnet Sarkozy, den man nun nicht gerade als auserkorenen Feministen bezeichnen kann, wird als der Mann in die französische Geschichte eingehen, der ein Gesetz einführte, mit dem wie in Norwegen die Aufsichtsräte mit 40 Prozent Frauen besetzt werden müssen.
Was passiert in der bislang heilen Anti-Quoten-Welt? Nun: Nichts anderes als ein gesunder, kapitalistischer Wirtschaftsgeist treibt hier sein Unwesen. Die Einsicht, dass es für den internationalen Wettbewerb alles andere als gut ist, die nationalen Unternehmen darin zu unterstützen, Potential zu vergeuden. Das findet offenbar auch Ex-BDI-Chef Hans Olaf Henkel. Am internationalen Frauentag forderte er eine gesetzliche Frauenquote, da sich in den letzten Jahren mit dem Prinzip Freiwilligkeit nichts getan habe. Dafür stellte er der deutschen Wirtschaft ein Armutszeugnis aus. Zwei Tage später ging die Meldung durch die Medien, dass Indien nun eine 33 Prozent-Quote für seine Parlamente einführe. Und nur wenig später verkündete die Deutsche Telekom, dass sie eine Quote von 30 Prozent für ihre Führungsjobs einführen werde. Die Diskussion um die Quote hat sich verändert. Ein neues, gewinnorientiertes Denken hat dazu geführt, wahrscheinlich mehr, als ein feministisches.
Maximale Verwertung
Genau diese ur-kapitalistische Verwertungslogik, die als Motor für den Richtungswechsel in der öffentlichen Debatte diente, könnte der Quote vor allem von Linken als Gegenargument präsentiert werden. Es ist oft nicht einmal sarkastisch gemeint, wenn – meistens von Männern – entgegen gehalten wird, dass die Frauen doch froh sein sollten, wenn sie nicht in den Sog der unbedingten Maximalverwertung von – Achtung Unwort! - Humankapital hineingezogen würden, sondern sich zu Hause mit den Kindern einen schönen Lenz machten. Das ist natürlich ein guter Witz, denn ich frage mich ernsthaft, wie viele Prozent der linken Männer in der Realität ihre Kapitalismuskritik dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie die Arbeit verweigern und auf eine Karriere verzichten und damit auch auf jegliche soziale Sicherheit – vor allem im Alter.
Nein: Es ist gut für die Gesellschaft, dass die Diskussion nun eine Wendung genommen hat. Das kann man auch am jüngsten Quoten-Beispiel sehen: Die Telekom verbindet mit ihrer Einführung nämlich auch eine menschlichere und machbare Familienpolitik: Teilzeit für Führungskräfte, Kinderbetreuungsangebote, Haushaltshilfen und Notfallbetreuung für Kinder sollen flankierend zu der Quote Männern und Frauen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Denn das wird von vielen immer noch unterschätzt: Wenn erst einmal eine Mehrheit der Frauen genauso selbstverständlich eine berufliche Karriere hinlegt, wie das die Männer seit jeher tun, dann wird sich für beide Geschlechter das Arbeitsleben entscheidend ändern. Die Ausbeutung am Arbeitsplatz könnte dadurch deutlich abgemildert werden.
Bundesfrauenministerin Schröder wird sich über kurz oder lang auf diese Wendung einstellen müssen, denn mit ihrem naivem „wir haben es doch aus so geschafft“ wird sie politisch nicht gerade Blumentöpfe gewinnen. Vielleicht läuft es aber auch hier nach norwegischem Vorbild und es ist Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der uns ein Quotengesetz beschert.
Kommentare 18
es beruhigt mich außerordentlich, dass es den führungskräften der telekom künftig besser gehen wird.
ein hohes gehalt allein macht ja auch nicht glücklich, wenn man dann trotzdem den gleichen gesellschaftlichen repressionen wie diese widerlichen call-center-mitarbeiter ausgeliefert ist. wenigstens hat man deren präsenz vorher schon ausgelagert.. sowas mindert bekanntlich den ekel.
so leute wählen im regelfall übrigens cdu oder grün, wobei das kaum noch einen unterschied macht.
nicht nur, dass es an dieser stelle click machen könnte... der produktivitätsfaktor, der durch frauen befördert werden soll, ist bisher noch nicht wirklich nachgewiesen. entsprechend glauben die führungsriegen der deutschen wirtschaft nicht daran.
der halb-staatskonzern telecom ist in seinem urkapitalistischem dasein also bereits weiter in der erkenntnis als der rest? eine gewagte theorie... meine wortwahl darf aber als hinweis angenommen werden.
mfg
mh
"Die Ausbeutung am Arbeitsplatz könnte dadurch deutlich abgemildert werden."
Nö! Die Ausbeutung am Arbeitsplatz kann dadurch familienfreundlicher gestaltet werden.
Kapitalismus ohne Ausbeutung zu praktizieren gleicht dem Versuch, ein Bordell ohne Sex zu betreiben.
Wortwahl?
ja, wortwahl.
mfg
mh
ich find's immer wieder putzig, wenn frauen der kapitalismus erklärt wird, sie gleichzeitig davor beschützt werden sollen und ihnen ergänzend schon mal rein vorsorglich verrat an der schwesternschaft vorgeworfen wird. na ja, sag ich mir dann immer, da hat wer noch nicht kapiert, dass die weidegründe längst verteilt sind und die frauen ihre partner zwecks paarung (oder umgekehrt) selbst aussuchen. nach rationellen erklärungen für dieses nicht-kapieren frag ich hier schon garnicht mehr!
ps. nach rationalen dito.
@ h. van weyden
Ich stimme Ihnen zu, kann auch ihren Zorn verstehen, halte der Autorin aber zugute, dass sie durchaus auf die urkapitalistischen Motive der Quotierung in den oberen Etagen hinweist. Übrigens legitimiert der Obermann der Telekom den verstärkten Einsatz von Oberfrauen - sich auf Studien beziehend (!) - mit der Erwartung einer höheren Rendite. So wie es der Aufsichtsrat erwartet. Doch dann macht Katrin Rönicke quasi eine Volte und erwartet so etwas wie eine Humanisierung der Arbeitswelt - und wenn dies durch erklärte Machos geschaffen werde, sei's drum. Und das ist wider die Erfahrung - und Kapitallogik.
Zumindest wider meine bisherige Lebens- und Berufserfahrung in Bildungsanstalten. Regiert eine Chefin, nimmt der Ausbeutungsdruck von oben und die Ausbeutungsbereitschaft von unten dramatisch zu. Mit Marx: Die "physischen und moralischen" Mehrwertgrenzen werden locker überschritten. Sobald Worte wie "Pflicht", "Aufgabe", "Erlasslage" fallen, nimmt das Brummen der weiblichen und - in zeitlicher Verspätung - der männlichen Arbeitsbienen zu.
Der halb-Staatskonzern, Produktivitätsfaktor Frauen, CDU oder Grün et al.
Vieleicht musst Du mir auf die Sprünge helfen: Das alles ist ein Hinweis auf was genau?
"der halb-staatskonzern telecom ist in seinem urkapitalistischem dasein also bereits weiter in der erkenntnis als der rest?"
konzerne, an denen der staat beteiligt ist, unterliegt immer auch seinem einfluss.
mfg
mh
Ja, jetzt weiss ich, was Du meinst.
Stimmt.
Da gäb's noch viel zu sagen.
Okay, der H. v. Weyden mag oben vielleicht nicht so ganz den beim Freitag üblichen Ton getroffen haben, hat aber Wahrheiten angesprochen.
Man muss doch bloß nocheinmal in Ruhe zitieren: Frauenquoten in Parlamenten und Führungstetagen, Kinderteilzeit für Führungskräfte und:
"Wenn erst einmal eine Mehrheit der Frauen genauso selbstverständlich eine berufliche Karriere hinlegt, wie das die Männer seit jeher tun, dann wird sich für beide Geschlechter das Arbeitsleben entscheidend ändern. Die Ausbeutung am Arbeitsplatz könnte dadurch deutlich abgemildert werden."
Sollte also eine Frau demnächst bei der Telekom in eine Führungsposition einsteigen, obendrein wissend, dass sie auch problemlos ein Kindchen kriegen kann, dann kann sie sich fragen, ob sie den Job wegen ihrer Qualifikation und Persönlichkeit gekriegt hat, oder ob sie die nächstliegende geeignete Kandidatin war, die nun eben weiblich sein musste, weil die Quote erfüllt werden muss.
Was, zum Teufel, ändert sich strukturell und im Denken der Leute, wenn ein paar Frauen mehr in einer Männerdomäne teilhaben dürfen, weil das als politische Entscheidung nach außen hin gut aussieht?!
Gar nichts. Es ist Makulatur.
Die "Ausbeutung am Arbeitsplatz könnte abgemildert werden"? Dadurch, dass Frauen genauso Karriere machen wie Männer? Das finde ich reichlich blauäugig! Das Problem liegt im System selbst gegründet. Die schlichten Sachzwänge eines erbarmungslosen Kapitalismus verschwinden auch nicht durch weibliche Führungskräfte. Und jeder, na, sagen wir viele, die bereits weibliche Chefs hatten oder haben, wissen, dass das nicht gleich mildere oder menschlichere Umstände bedeutet. Nicht selten übertreffen weibliche Führungskräfte gar noch ihre männlichen Kollegen im negativen Sinne (das bestätigen selbst Frauen). Vermutlich ist das einem Überehrgeiz geschuldet, sich in der Männerdomäne beweisen zu müssen.
ich bezweifel, dass die eingestellten frauen dann schlechter sind. die werden nach genau den gleichen kriterien wie männer eingestellt, der qualifikation nach.
wenn man nun davon ausgeht, dass nur 10% frauen-anteil ohne quote machbar ist, dann kann man tatsächlich hergehen und behaupten, dass die qualität da sinken würde. damit würde man aber zugleich behaupten müssen, dass nur 10% der frauen für so nen job geeignet sind. ich halte das für blödsinn.
zumal die gängigen auswahlverfahren frauen mE per se insofern benachteiligen, als dass sie ob ihrer ggf. biologischen auszeiten immer eine mindererfahrung herleiten.
man könnte das alles auch umdrehen und frauen darauf basierend unterstellen, dass sie ob ihrer höheren sozialen kompetenz, die das alles mit sich bringt, posten viel besser ausfüllen können.
das ist einfach eine sichtweise die man hat oder nicht.
was aber defintiv anzuzweifeln ist, ist, dass frauen ein sozialeres umfeld schaffen. das umfeld generiert sich aus dem unternehmen selbst heraus und unterliegt dann äußeren einflüssen, die sich aus dem markt heraus ergeben. je härter umkämpft der markt ist, je härter die bandagen die gefahren werden. innerhalb des unternehmens wie auch nach außen hin ggü. der konkurrenz und den kunden.
da passen sich frauen genauso an wie männer.
wenn die quote also einen beitrag leistet, dann eher den, dass frauen künftig nicht mehr ob ihres geschlechts ausgeschlossen werden.
mfg
mh
Dass Frauen angesichts einer Quote mehr Chancen haben, obwohl sie eine Frau, also weiblich, sind, mag ja stimmen.
Ich meinte auch nicht, dass Frauen, die ob einer Quote eingestellt werden, dann auch weniger qualifiziert sein können. Aber sie könnten, wissend, dass es eben eine solche Quote gibt, das Gefühl bekommen, sie seien nur eine mögliche Lösung.
Grundsätzlich leistet die Quote aber keinen Beitrag; sie unterstreicht nur noch einmal herrschende Mißstände.
Also wenn "Auszeiten" (on / off?) wegen Kindern wirklich das Hindernis sind, dann frage ich mich, in was für einem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem wir eigentlich leben. Ist Kinder kriegen unproduktiv? Nur schon diese Frage gibt zu denken. Beim schweizerisch-schwedischen Industriekonzern ABB trat CEO Jasmin Staiblin für mehrere Monate ihren Kinderurlaub an- unter Wutgeheul der Weltwoch und anderer wirtschaftsnaher Blätter. Nun, Monate nach diesem "Skandal" wissen wir, dass sowohl der Auftragsbestand erheblich gestiegen ist (mehrere Grossaufträge aus Fernost, trotz Krise), der Aktienkurs (der natürlich den Index abbildet, ist mir schon klar) nicht unter die allgemeine Entwicklung vom SMI zurückgefallen ist und die Auslastung- trotz Krise- über der Branche liegt. Negative Konsequenzen? Keine.
Ganz nebenbei: ABB war im Februar 2009 nach dem überraschenden Abgang von Fred Kindle ein halbes Jahr führerlos...
Das Problem schein also zu heissen: Wenn die Kinder kriegt...
Da müssen aber ganze Volkswirtschaften umdenken- nicht nur die Unternehmen.
das problem ist in diesem bereich rein rechnerischer natur, denn der fall:
"frau bekommt kind, ist ein paar monate weg und wird derweil ersetzt, dann läufts wie gehabt."
ist der absolute idealfall. manche verschwinden für immer, manche sind 2-3 jahre weg etc .. und das alles weiß man erst nach den gesetzlichen fristen.
das muss uns nicht gefallen, aber für ein unternehmen ist jede form von personeller unsicherheit gift und das ist mE auch der hauptgrund für die momentane geschlechterverteilung und auch die gehaltsverteilung. offiziell wird das keiner sagen.. die realität beweist es bereits, man stellt nur ein, was man einstellen will. da helfen auch keine gleichstellungsgesetze.
mfg
mh
Wenn ich das richtig sehe, geht es ja nicht um irgendeine Quote, sondern eine Quote in der Privatwirtschaft? Und so schön das ist, dass in der SPD der Wind gedreht hat, und auch, dass der Wind insgesamt ein bisschen dreht, was ich definitiv begrüße, so wenig überrascht mich, dass die SPD auch hier plötzlich im letzten Jahr ihrer Beteiligung an der Regierung Einsicht zeigt. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es diverse Initiativen für eine gesetzliche Regelung für genau das: die Frauenquote, oder Frauenförderung, in der Privatwirtschaft.
Das war mit der SPD in der Bundesregierung jedenfalls nicht zu machen, obwohl sie - und hier ist meine Erinnerung noch viel trüber -, glaube ich, anfangs anderes versprach. Erinnert sich wer besser als ich?
Bei all dem unsachlichen Getobe hier fände ich ein paar mehr Fakten in den Kommentaren angenehm.
Folglich sind Kinder das "Problem". Eine Gesellschaft, in der Kinder aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus zum Problem werden, hat tatsächlich ein Problem- und zwar ein ernsthaftes. Einen anderen Grund, Frauen zu benachteiligen (sofern das tatsächlich geschieht) als "wenn die ein Kind kriegt..." kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.