Der Countdown noch verbleibender Tage bis zur Fußball-WM ist lange in der Zweistelligkeit angekommen. In einer kleinen Reihe versuchen wir, bis zum Eröffnungsspiel Licht auf jene Aspekte des Sports zu werfen, die gewöhnlich im Dunkel der Liga-Berichterstattung verbleiben. Zuletzt hatte Torsten Haselbauer die Geschichte einer engen Verbundenheit sozial zunehmend Ungleichgestellter erzählt: die des Verhältnisses von Spielern und Fans (Freitag 8/06). Klaus Theweleit nimmt nun ebenfalls die Zuschauertribüne in den Blick, allerdings als Ort einer wunderbaren Verwandlung.
Industrielle Gesellschaften produzieren nicht nur Waren und ihre Umschlagplätze, nicht nur Architekturen und Straßen, Wissenschaften und Technologien, sie bringen auch ein psychisches Gesamtprodukt hervor. Ich meine damit den Output an Verhaltensweisen, Denkweisen, Gefühlslagen, Lebensformen, die in den Regeln des Zusammenlebens irgendwie "geordnet" sind, für die es aber keinen Begriff gibt, der dem "Bruttosozialprodukt" für den Output einer nationalen Ökonomie entspräche. Zu dieser begrifflich unerfassten Produktion eines Landes gehört auch die Erzeugung gesellschaftlicher Gewalt. Dass bestimmte Wohnformen unter dem Begriff "Gewalt gegen die Körper der Bewohner" beschrieben werden müssten, haben verschiedene Schriftsteller bemerkt. Dass Arbeitsverhältnisse primär eine Zerstörung der Körper der Arbeitenden sein können, ist aus dem Frühkapitalismus, aus kolonialen und Sklavenarbeiten, aus Kinderarbeitsformen und anderen Ausbeutungsverhältnissen bekannt. Dass die Formen des Zusammenlebens, Ehen und andere, Gewalt produzieren können, wissen nicht nur die geschädigten Kinder.
Für die Verarbeitung der Gewaltvorstöße in die Wahrnehmung des Einzelnen gibt es kaum bewusste Regularien. Sie sind nicht einmal als Gewaltvorstöße erkannt, geschweige denn anerkannt. Aber sie hinterlassen ihre Spuren: Gewalt-Restmengen, die sich niederschlagen in Depressionen, Hass, Wutausbrüchen oder ähnlichen Debalancierungen des psychischen Gleichgewichts. Die meisten dieser Ungleichgewichtsformen haben keine verlässlichen Abfuhrbahnen. Zwar gibt es einige körpereigene Abfuhrmechanismen aufgestauter Wutpotenziale, ein guter Schlaf sowie das tägliche Entleeren von Darm und Blase.
Die gesellschaftlich organisierte Gewaltabfuhr geschieht heute überwiegend in verschiedenen Formen des Sports, und zwar bei Männern wie bei Frauen. An der Stelle dessen, wo früher die Abfuhr "Krieg" (+ Drill und Prügel) war, stehen heute sportliche Aktivitäten. Aber: fast alle Menschen bewegen sich zu wenig. Die Körper agieren sich zwar sportlich aus; aber sie tun dies im Durchschnitt in zu geringem Maße. Eine besondere Rolle kommt demnach der "passiven" Teilnahme an sportlichen Ereignissen zu; die tatsächlich gar keine passive ist, sondern eine spezifische Form von Aktivität, physischer wie psychischer Art: "In bestimmten Epochen, in bestimmten Gesellschaften, hatte das Theater eine wichtige soziale Funktion: es hat die ganze Stadt in einer gemeinsamen Erfahrung - dem Wissen um die eigene Passion - versammelt. Heute ist es der Sport, der auf seine Weise diese Funktion innehat. Nur, dass die Stadt viel größer geworden ist: das ist keine Stadt mehr, das ist sogar oft ein Land, eigentlich die ganze Welt. Der Sport ist eine große moderne Institution - aber in die altüberlieferten Formen des Schauspiels geworfen", schreibt Roland Barthes in einem Text, den er 1961 für den Dokumentarfilm Der Sport und die Männer von Hubert Aquin verfasst hat.
Ein Schauspiel also - mit dem Unterschied, dass der Zuschauer beim Sport viel stärker Akteur ist als im Theater. Viele der Bewegungen der Akteure dort unten führt er so ähnlich selber durch, das gilt insbesondere für Fußballzuschauer, die selber spielen, und oft sogar unter Wettkampfbedingungen. Keine andere Sportart hat so viele außerprofessionelle Betreiber wie der Fußball. Vieles, was der Spieler im Stadion erleidet und erlebt, erlebt auch der Zuschauer, wenn auch unter verschobenen Bedingungen. In keiner anderen Sportart sind sich Akteure und ein großer Teil der Zuschauer körperlich näher als beim Fußball. Sie bilden so etwas wie eine Reaktionsgemeinschaft zur Erregung und zur Abfuhr bestimmter Affektkonglomerate.
Wir haben einen kulturellen Wechsel auf diesem Gebiet erlebt. Ab 1850 ist Deutschland eine soldatisch dominierte Gesellschaft gewesen, gegründet auf verschiedene Formen körperlicher Gewalt in seinen Erziehungsfundamenten. Die tägliche Ohrfeige für Kinder gehörte ebenso zum Kanon der Gewaltabfuhr wie willkürliche Strafen für Untergebene, militärischer Drill und Kommandostrukturen in Schulen und an Arbeitsplätzen.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und langsamer Verbreitung demokratischer Umgangsformen im zivilen Leben, zu denen an erster Stelle ein zunehmender Respekt vor der körperlichen Unantastbarkeit auch der "niederen" Menschen einer kulturellen Hierarchie gehört, verlor das gesamte Kompendium des durchgreifend Soldatischen seine Dominanz. Der noch in den fünfziger, sechzigerer Jahren verbreitete Ein- und Übergriff in die in Reichweite befindlichen Körper der Mitmenschen, wurde zunehmend zurückgebaut und ist heute selbst unter pubertierenden Jugendlichen nicht mehr die Regel und unter zivilisierten Erwachsenen geächtet. In hochtechnologisierten, institutionell ausdifferenzierten Gesellschaften sind fast alle alten Formen der Gewaltabfuhr und Gewaltweitergabe aus dem Verhaltensrepertoire verschwunden. Viele von ihnen, wie die Prügelstrafe, sind gesetzlich verboten.
Zwar hat sich auch die direkte Zufuhr von Gewalt in die einzelnen Körper verringert. Das heißt aber nicht, dass sie verschwunden wäre. Sie hat sich verwandelt. Aber sie wird gespürt. Viele Menschen fühlen sich unter einem Druck, von dem sie nicht sagen können, was genau ihn verursacht. Ein Grund liegt in der Unüberschaubarkeit vieler ökonomischer, verwaltungstechnischer, technologischer oder sozialer gesellschaftlicher Vorgänge. Die gesellschaftlich erzeugte Gewalt ist weniger offenkundig, verdeckter, indirekter. "Mobbing" ist ein Wort, das es nicht gab im alten Abfuhrsystem.
Die Behauptung, "Fußball ist Krieg", die dem holländischen Trainer Rinus Michels zugeschrieben wird, und die auch manch anderer Trainer beherzigt hat, machte lange Zeit absolut Sinn: den Fußball zu sehen als (im Kern) reinen Männersport, als Körperertüchtigung (verdeckt) soldatischer Männer; eine Art Militärersatz mit dem unausgesprochenen Ziel der untergründig fortdauernden Kampf- und Vernichtungshaltung der Gesellschaft. Ein militärischer oder zumindest martialischer Überhang besonders im "Fußball alter Schule" war zweifellos gegeben, wie es Christoph Biermann und Uli Fuchs in ihrem Buch Der Ball ist rund, damit das Spiel die Richtung ändern kann zutreffend beschrieben haben. Ganz auszuschließen ist ein solcher Anteil am konkurrierenden Bolzgehabe auch heute nicht. Aber es gibt andere Tendenzen im Spiel; Entwicklungen auf den "artistischeren" Seiten des Spiels, die es nahelegen, Fußball gerade nicht als "Krieg" zu sehen.
Da sind zunächst die Selbstverständlichkeiten, die Kriege von Spielen unterscheiden: der überwachte Kanon des Fair Play, der Respekt der Spieler voreinander, die Anwesenheit von Schiedsrichtern, - während der Terror des Kriegs prinzipiell schiedsrichterlos läuft. Was tut Fußball? Sicherlich organisiert er einen Kampf; Kämpfe um die Herrschaft über ein bestimmtes Stückchen Erde - also genau das, worum Staaten Kriege führen. Er gibt dazu allerdings beiden Parteien ein-und-dasselbe Spielgerät in die Arena, den Ball. Dieses Spielgerät darf nicht zerstört werden. Sonst wird das Spiel unterbrochen oder abgebrochen. Dies ist der entscheidende Schritt zur unkriegerischen Lösung des angesagten Kampfes. Beide Mannschaften kämpfen auch - ob ihnen dies bewusst ist oder nicht - für die Unversehrtheit des Balles. Am Grunde des Spiels liegt für alle ihre Liebe zum Ball.
"Und dann begegnet der Mensch im Sport nicht direkt dem anderen; zwischen ihnen gibt es einen Zwischenraum, eine Vermittlung, einen Spieleinsatz, eine Maschine, eine Scheibe oder einen Ball. Und dieses Ding ist das Symbol der Dinge überhaupt: um es zu besitzen, um es zu beherrschen, ist man stark, gewandt und mutig", formuliert Roland Barthes. Es geht um die symbolische Verfügung über "das Ding", die Kugel, die Erde, "die Kirsche", das Leben. "Es wird in spielerischem Ritual versucht, den Ball (= die Sonne) vor dem Herabfallen (= dem Untergehen) zu bewahren", schrieb ganz ähnlich Theo Stemmler in seiner Kleinen Geschichte des Fußballspiels über Kemari, die japanische frühe Variante des Fußballs.
Der Fußball macht es dabei spannender als der Jongleur, man kann auch sagen, demokratischer. Zwei Typen im Trikot, die hinter demselben Ball herjagen, die sich jeden Zentimeter und jede Zehntelsekunde erkämpfen müssen, in denen sie mit dem Ball etwas Artistisches anstellen können, ohne dass jemand dazwischenfunkt, sind "You and Me" bei der Suche nach der Lücke. Nach der Lücke für die Trance, nach der Lücke für ein bisschen Freiheit. "Frei zum Schuss kommen" - beinah unermesslich, was das heißt.
Deswegen ist der Aufschrei der Massen so einmütig und groß, wenn der Frei-zum-Schuss-Gekommene nicht verwandelt: Oh Gott, was für eine Vergeudung! Das Wort "verwandeln" trifft es genau. Ein Ball, der ins Tor geht, ist ja nicht "verwandelt", er ist (fast) der gleiche wie vorher. Aber die Zuschauer sind verwandelt, die ganze Situation ist verwandelt. Kobiashvili verwandelt nicht "einen Elfmeter"; den tut er bloß rein. Er verwandelt 50.000 Verzagte in 50.000 Schreiende, Hüpfende, das Herz aus sich Herauswerfende. Wo sonst gibt es soviel Verwandlung im Ziviltag? Sie kann eine ganze Woche anhalten, länger; je nachdem, wie tiefgreifend sie war, wie unerwartet sie kam, wie viel langes Warten sie mitbefriedigen musste.
Der Gewaltabbau durch Fußball ist ein anhaltender, ein dauerhafter und ein serieller. Alles geschieht in Fortsetzungen. Nächste Folge kommt bestimmt. Mit neuem Anfang, mit Revanche und wieder Revanche. Ein langes Band von Balancen im Spieler wie im Zuschauer. Ein fliegender Teppich, auf dem ein Teil des Lebens ergeht. Ich "erinnere" ein 9:0 von vor etwa 50 Jahren HSV - St. Pauli am Rothenbaum, mehrere Tore von Klaus Stürmer, eins schöner als das andere; keinem taten die St. Paulianer leid, nicht einmal sich selber. Zu berauschend waren die Stürmer-Seeler-Leute an diesem Tag, neun Dinger, die Pauli-Fans aus Verzweiflung mitbegeistert, das ganze Stadion schwebte. Alle Neune, wo bekommt man das mal. Man konnte das Aggressionspotenzial förmlich Wolken bilden und sich ins Nichts verduften sehen überm Stadion. Keine Prügeleien, Schlusspfiff, kollektiver Aufschrei, Zustimmungsschrei, und die Masse verströmte sich in den strahlenden Sonntag.
Entladungen. Gewaltabbau. Der Schrei. An erster Stelle der Schrei. Wo im alltäglichen Leben kann man seinen Mund aufreißen und einen Schrei herauslassen, der so laut ist, wie man ihn nur schreien kann und so ungehemmt, wie immer man das möchte. Sei es als Torschrei, da sowieso, oder auch als Wutschrei: "Neeeiiin, das doch nicht! Du Double!" Und es ist nicht nur nicht verboten, es ist ein ausdrücklich erwünschter und auch geteilter Schrei, den möglicherweise 50.000 im selben Moment so schreien, weil sie dasselbe gesehen haben und dasselbe empfinden. Weil dieser Schrei aufs Beste eingebettet ist in die kollektive Entladungssituation ist er besonders wirksam. Er führt wirklich etwas ab. In der Terminologie von Elias Canetti entledigen sich Menschen in einer organisierten Masse von "Befehlsstacheln". Was in sie hineingegangen ist an Befehl und Unterdrückung wird im emotionalen Aufwallen des gemeinsamen Agierens aus den Körpern herausgeschleudert. Fußballstadien organisieren eine Regelhaftigkeit solcher Abfuhr.
Die Straßenverkehrsordnung versteht sich als ein Regelwerk zur Regulierung der Verkehrsgewalt; als ein Versuch, aus dem Austoben einer wilden Technologie einen Verkehrsfluss zu machen, der möglichst wenig Sach- und Personenschaden anrichtet, wie das versicherungstechnisch heißt. Entsprechend organisiert das Stadion einen "Emotionsfluss" der Zuschauer, sein Aufwallen wie auch sein Versickern.
Wo sonst der Schrei: "Du Arsch, du blöder!", ohne dass es eine unerlaubte oder unangemessene Übertretung wäre, ohne dass man jemanden direkt verletzte. Die Spieler selbst sind geschützt, zu weit entfernt, als dass es sie direkt träfe. Der Schreiende entlädt sich, aber der Spieler bleibt unversehrt. Sensationierend besonders für Leute, die sonst nie herumschreien - ja, sich selbst erlebt man so, wie nirgends sonst in irgendeiner Situation. Man schreit, man weiß, dass es nicht vergolten wird; dass sogar der beschimpfte Spieler es hinnimmt, weil er weiß, es gilt nicht seiner Person, jedenfalls nicht in erster Linie, es gilt der vergebenen Chance, die vielleicht nicht wiederkommt. Und man merkt, mit all denen, die auch geschrieen haben, dass der Schrei tatsächlich erleichtert; dass mehr mit hinausgeht, als nur die Enttäuschung der gerade vermasselten Situation. Man schämt sich auch nicht, wie man überall sonst tun würde. Das Stadion organisiert eine gemeinschaftliche Entladung, die auskommt ohne ein reales Opfer; den Spieler trifft es sozusagen symbolisch. Eine Entladung, die also ergehen kann ohne Reue, denn man hat nichts getan, was man später zurücknehmen müsste. Selbst das "du Arschloch", das man dem Schiedsrichter zubrüllt, ist nach dem Spiel ausgelöscht, vergessen. Keinesfalls würde man es dem Herrn an den Kopf schleudern, träfe man ihn in einem Eisenbahnabteil. Nein, die emotionale Explosion ist gedeckt durch das Entladungsritual im Stadion, das durchaus übergriffig ist, aber doch nicht bis zum Körper des Angegriffenen reicht. Ausgenommen ein Idiotenanteil unter den Zuschauern, dem das nicht reicht.
Wenn also gesagt wird, Fußball militarisiere, kann mit gleichem Recht geantwortet werden, Fußball arbeite daran, kriegerische Potenziale zu zivilisieren. Wer einen bestimmten Pegel körperlicher Gewalt in der Gesellschaft, der seinen Ausdruck und seine Betätigungsfelder sucht, als gegeben annimmt, kann Fußball geradezu als eins der bedeutendsten Mittel benennen, an der Umwandlung dieser Gewaltpotenziale mitzuwirken. Und zwar genau eben dadurch, "immer hart an der Grenze" zu sein und nicht etwas drüber. Die "Grenze" verläuft mitten durch den Zuschauer. Exakter gesagt: 95% der Zuschauer in den Stadien bekämpfen Wochenende für Wochenende erfolgreich den eigenen Hooliganismus. Als Möglichkeit liegt er in ihnen wie in den manifesten Hooligans auch. Aber mit Hilfe von Zivilisierungsformeln wie: "Die andern können auch Fußball spielen" wird das Kriegspotenzial in Spielern wie Zuschauern ständig heruntergefahren. "Krieg" heißt ja, solange auf den Feind einzuschlagen oder einzuwirken, bis er sich nicht mehr rührt.
Die Entwicklung des Spiels in friedlichere Richtungen ist nahezu unbegrenzt. Die erste grundsätzliche Verschiebung, die selbst jeder Kampfsport an der Form "Krieg" vornimmt, ist die Verwandlung von Feinden in Gegner. Gegner mit gleichen Rechten spielen gegeneinander. Die oberste Regel des Spiels sagt, dass die körperliche Unversehrtheit des andern genau so zu schätzen und zu bewahren ist wie die eigene. Das geschieht im Spiel durch die permanente Umwandlung von Vernichtungspotenzialen in spielerische Techniken. Jedes Stückchen Technikzuwachs ist ein Stück Gewaltabbau. Ziel jedes vernünftigen Trainings ist die Erhöhung der technischen Potenziale der Spieler - gepaart mit den notwendigen Kraft- und Ausdauerpotenzialen. Auf der Schiene der Entwicklung der Spieler zu Allroundspielern hat es im letzten Jahrzehnt eine Art Quantensprung in der Auffassung vom Fußball gegeben.
Der schönste Abfuhr- und Verwandlungsvorgang im Stadion ist aber: die Entladung durch Erhebung, durch Schönheit. Ein von beiden Mannschaften auf hohem Niveau geführtes Spiel steckt die Zuschauer an und verwandelt sie - Gewinner wie Verlierer - von konkurrenten Einzelwesen in enthusiastische Anhänger von Schönheit. Beauty in progress. Jeder im Stadion lechzt nach schönen Spielzügen, und seien es die des Gegners. In der Überführung von Geacker in ein ästhetisches Erlebnis verwandelt sich das Stadion in genau den Kultort, der die religiösen Kathedralen für die meisten Zuschauer nicht sind. Man möchte nicht gern ohne dieses Erlebnis nach Hause; der kostbare Samstagnachmittag wäre ein halb vergeudeter und man selbst nur ein halb fertiggestelltes Kunstwerk; achtlos weggeworfen vom Künstler als irgendwie misslungen. Gelingt das Werk aber, dann entsteht diese seltene Zusammenarbeit von Spielern und Publikum, die beide gleich stark erleben: die Gewissheit, die Welt um ein Stück Schönheit erweitert zu haben; eine Schönheit von allerdings sehr flüchtiger Dauer, wie live music. Geduldig wartet sie auf den Moment ihres nächsten Eintritts; dies aber in Permanenz.
Gekürzte Fassung eines Beitrags, der für den Katalog zu der Ausstellung Architektur + Sport. Vom antiken Stadion zur modernen Arena entstanden ist. Die Schau findet vom 1. Juni bis 3. September im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne statt.
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