Emissionen außer Kontrolle

Erderwärmung Über 180 Staaten haben Klimapläne vorgelegt. Doch die Versprechen der Entwicklungsländer bergen Unsicherheit, da viele ihren CO2-Ausstoß gar nicht gründlich messen
Smog über der philippinischen Großstadt Makati
Smog über der philippinischen Großstadt Makati

Foto: Veejay Villafranca/AFP/Getty Images

Das philippinische Finanzzentrum Makati steht wie kein anderes für das Wachstum des Inselstaats. Wolkenkratzer reiht sich an Wolkenkratzer. Der Stadtteil Manilas ist eine der großen boomenden Gegenden Südostasiens und eine der am dichtesten bevölkerten Stadtzentren der Welt geworden. Die Schattenseite der Entwicklung: Der Stromverbrauch in den Gebäuden, aber auch all die Busse und Pkws auf den Straßen treiben den Treibhausgas-Ausstoß nach oben: 1.662.017 Tonnen waren es im Jahr 2011.

Wer dagegen etwas tun will, stößt oft auf Widerstand. Wie der Philippine Jaime Silva. Der Architekt und Gebäudemanager in Makati City will den Stromverbrauch in den Gebäuden senken und den Müll, das Abwasser und den Strom für die Ventilatoren reduzieren. Allerdings, so sagt er, könne er beileibe nicht jeden überzeugen.

Vor allem die wachsenden Länder Asiens nehmen einen immer größeren Anteil des weltweiten CO2-Ausstoßes ein. Stoßen sie in den nächsten Jahren ungebremst weiter klimaschädliche Gase aus, ist der Kampf gegen die Erderwärmung schon so gut wie verloren.

Es funktioniert nur mit Überwachung

Die gute Nachricht: Inzwischen haben 184 Länder ihre Klimapläne vorgelegt – darunter nicht mehr nur die Industrieländer. Die Philippinen etwa wollen ihre Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 70 Prozent gegenüber ihrem Business-as-Usual-Szenario mit dem Ausgangsjahr 2000 drücken. Zerstörerische Taifune wie Haiyan im Jahr 2013 haben das Land sensibel für den Klimaschutz gemacht.

Die Sache hat nur einen Haken: Wer garantiert, dass Länder wie die Philippinen ihre schönen Versprechungen auch tatsächlich einhalten? Die meisten Entwicklungsländer haben noch nicht einmal ein robustes System, mit dem sie erfassen können, wie viel Treibhausgase sie überhaupt ausstoßen. „Wenn das ganze System funktionieren soll, braucht es die Überwachung“, sagt Karsten Sach, Chefverhandler Deutschlands auf dem Pariser Klimagipfel.

Nach dem Kyoto-Protokoll sind nur die Industrieländer verpflichtet, ihre Emissionen zu messen, zu überwachen und zu berichten. Deutschland macht das seit gut zehn Jahren. Gemessen werden die Treibhausgase nicht an Schornsteinen oder Auspuffen. Stattdessen wird berechnet, welche Menge an Treibstoffen eingesetzt, wie viel Stahl produziert und wie viele Nutztiere es insgesamt gibt. Daraus lesen die Statistiker dann den CO2-Ausstoß ab. Zu 95 Prozent seien diese Zahlen sicher, erklärt das Umweltbundesamt.

Deutschland stößt auf Widerstand

Weil Deutschland ein Interesse hat, dass auch die wachsenden Entwicklungsländer ihre Emissionen messen, arbeitet es daran, etwa 20 Staaten zu helfen, Beobachtungs- und Berichtssysteme aufzubauen. Mit einem neuen Zehn-Millionen-Dollar-Fonds unterstützt Deutschland mehrere Entwicklungsländer, darunter Ghana, die Dominikanischen Republik, Chile – und die Philippinen.

Dort arbeitet das Bundesumweltministerium zusammen mit dem Umweltbundesamt und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen. Sie schauen sich an, wo es schon Daten gibt und welche Institutionen im Land die einsammeln. Dann beraten und trainieren sie Wissenschaftler und Behörden, wie sich all die Lücken bei der Treibhausgas-Aufstellung schließen lassen. Auf den Philippinen arbeitet sie mit der Klimawandel-Kommission auch am Aufbau eines IT-Systems zum Zusammentragen der Daten für ein Treibhausgas-Inventar.

Nicht alle Entwicklungsländer aber sind bereit, sich diesem Transparenz-System zu unterwerfen. Viele fürchten, dass sie so zu mehr Klimaschutz verpflichtet werden könnten. Deshalb stoßen Industrieländer wie Deutschland auch in Paris auf Widerstand beim Versuch, die Entwicklungsländer zu überzeugen, sich auf ein einheitliches, robustes Kontrollsystem einzulassen. Dabei wäre jenes im Eigeninteresse der Länder, sagt Sach. Denn ohne Kontrollsystem könne man nicht nachvollziehen, welche Politik funktioniert und welche nicht. Das kostet die Länder nicht nur mehr Geld, sondern hindert sie erst Recht am Klimaschutz: Sie verpflichten sich nicht, weil sie nicht mal wissen, was sie überhaupt leisten können.

Die Regionalregierung hat den philippinischen Architekten Silva nun angewiesen, Daten zum Energieverbrauch zu erheben, die Luftverschmutzung zu messen und ans Rathaus zu melden. „Was wir hier tun ist gut, denn so kriegen wir ein stärkeres Bewusstsein und verstehen wahrscheinlich besser, wie wir unseren Stromverbrauch reduzieren und weniger CO2 in die Umwelt werfen können“, sagt Silva. „Denn die Umwelt gehört unseren Kindern.“

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Geschrieben von

Benjamin von Brackel | klimaretter.info

klimaretter.info ist ein unabhängiges Online-Magazin zur Klima- und Energiewende und Kooperationspartner von freitag.de

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