In Düsseldorf stehen am heutigen Donnerstag sechs Anti-Kohle-Aktivisten vor Gericht. Während des Klimacamps 2013 im Rheinischen Braunkohlerevier hatten sie die Landesgeschäftsstelle der in Nordrhein-Westfalen mitregierenden Grünen für mehrere Stunden besetzt. Die damalige grüne Landesvorsitzende Monika Düker stellte Strafantrag wegen Hausfriedensbruch und ließ die Besetzung räumen. Im Gespräch erläutert die Landtagsabgeordnete und Innenpolitikerin ihre Motive.
der Freitag: Frau Düker, im August 2013 besetzten 13 Personen die Parteizentrale der NRW-Grünen in Düsseldorf. Wie würden Sie die Besetzer nennen: Aktivisten, Chaoten oder ganz anders?
Monika Düker: Es sind Aktivistinnen und Aktivisten und ich nehme ihnen ab, dass sie sich für eine gute Sache einsetzen. Eine gute Sache übrigens, für die wir Grüne auch streiten: nämlich für den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Braunkohle. Aber – und da zogen wir die Trennlinie – erpressen lassen durch eine Besetzung wollten wir uns nicht.
Sie haben in Ihrer Eigenschaft als damalige grüne Landesvorsitzende Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt. Am Donnerstag findet ein Strafprozess gegen sechs der Besetzer vor dem Amtsgericht Düsseldorf statt. Erinnere ich mich richtig: Die Grünen sind einst als Bewegungspartei entstanden?
Unser Ziel war es, die Besetzung ohne polizeiliche Räumung zu beenden. Deswegen unterbreiteten wir das Angebot, sich zu vertagen und zu einem "nicht erzwungenen" Gespräch zu treffen. Unser Angebot wurden nicht angenommen. Wir haben dann Strafantrag gestellt, weil nur danach eine polizeiliche Räumung erfolgen kann. Dann wurde in einer zweiten Runde zusammen mit der Polizei versucht, die Aktivistinnen und Aktivisten dazu zu bewegen, das Gebäude so zu verlassen und sich später in einer Runde mit grünen Spitzenpolitikern zusammenzusetzen plus – das war neu – eine Presseerklärung abzugeben, in der wir Grünen auf das gerade stattfindende Klimacamp im Rheinland hinweisen.
Und?
Auch diese Verhandlungsrunde hat nicht zum Erfolg geführt. Und dann fiel sinngemäß die Aussage durch die Aktivisten: "Wir wollen nicht reden, wir wollen Öffentlichkeit, und das können wir besser durch eine Räumung erzielen." Ab da schien es uns unmöglich, die Besetzung ohne Räumung zu beenden.
Nach Aussage des Landessprechers der Grünen Jugend NRW, Sebastian Klick, wurde ein Kompromiss mit einem Teil der Besetzer ausgehandelt. Der habe den anderen Besetzern aber nicht dargelegt werden können, weil die Polizei mit der Räumung begann.
Nein, wir haben keine Einigung erzielt. Das Erpressungsangebot der Besetzer war für uns nicht akzeptabel. Es lautete: "Wir gehen nur dann, wenn Ihr unsere Pressemitteilung verschickt". Die bestand aber aus massiver Kritik an grüner Politik. Wir sollten uns selbst beschimpfen. Andererseits wurden unsere Angebote jeweils nach langer Bedenkzeit von den Besetzern abgelehnt. Meine Einschätzung danach war: Weitere Verhandlungen führen nicht zu dem Ziel, die Besetzung zu beenden. Ob und wie andere grüne Verhandlungsteilnehmer zu einer anderen Einschätzung kamen, kann ich nicht beurteilen.
Sie hätten die Strafanträge irgendwann nach der polizeilichen Räumung zurückziehen können. Warum verzichteten Sie darauf?
Das hätte ja bedeutet, dass wir unser Verhalten im Nachhinein falsch finden. Ich stehe aber dazu. Der Strafantrag konnte nicht umgangen werden. Wir hatten leider keine andere Wahl. Mein Vorstandskollege Sven Lehmann und ich haben wirklich alles versucht, um das zu vermeiden.
Was ist so schrecklich an ein paar Stündchen unverhoffter Nichtarbeit?
Es war der Tag des Auftakts für den Bundestagswahlkampf und wir brauchten dringend die Materialien, die im Raum lagerten, in dem die Besetzer saßen. Sonst wäre unsere zentrale Wahlkampfauftaktveranstaltung in Essen mit grüner Bundes- und Landes-Prominenz geplatzt. Da waren viele Menschen, die uns auf uns warteten. Doch die Besetzer gaben die Materialien nicht heraus. Wir standen sehr unter Druck.
Inhaltlich warfen und werfen die Besetzer den NRW-Grünen im Wesentlichen Verrat vor. Vor der Landtagswahl hätten Sie erklärt, neue Kohlekraftwerke verhindern zu wollen. Nach der Landtagswahl hätten Sie als Regierungspartei anders agiert. Was erwidern Sie?
Was die Braunkohle betrifft, haben wir Grüne uns nichts vorzuwerfen. Es ist uns erstmals gelungen, eine bereits genehmigte Abbaufläche im Rheinischen Braunkohlerevier zu verkleinern ...
... ein gutes halbes Jahr nach der Besetzung ...
... es werden 300 Millionen Tonnen Braunkohle weniger gefördert. Die Landesregierung wird das Abbaugebiet Garzweiler II mit einer neuen Leitentscheidung verkleinern, Menschen behalten ihre Heimat, das Klima wird geschont. Rot-Grün richtet aktiv das Signal an die Energiewirtschaft: Der Abbau wird auslaufen, und zwar früher als geplant. Rot-Rot in Brandenburg weitet seine Tagebaue aus. Da kann sich jeder einen Reim darauf machen, wo der Unterschied liegt.
Mag sein. Aber in Nordrhein-Westfalen wurde zu rot-grünen Zeiten "das größte Braunkohlekraftwerk der Welt" in Neurath feierlich eröffnet. Wie haben Sie sich an diesem 15. August 2012 als Vorsitzende des kleineren Koalitionspartners gefühlt?
Ich habe eine Presseerklärung abgegeben, die nicht feierlich war. Ich habe unser Ziel sehr deutlich gemacht, schnell aus der Braunkohle auszusteigen.
Deutschland ist laut EU-Daten der größte Kohlendioxid-Emittent Europas. Nordrhein-Westfalen ist daran nicht ganz unschuldig, das Bundesland stößt pro Kopf 1,6 Mal so viel Kohlendioxid aus wie im Bundesdurchschnitt. Woran liegt das?
Die Braunkohle ist Klimakiller Nummer Eins in Nordrhein-Westfalen, unbestritten. Leider ist dieser Energieträger immer noch wirtschaftlich, weil der Handel mit Emissions-Zertifikaten auf EU-Ebene zusammengebrochen ist. Da müssen wir ansetzen, die Zertifikate müssen teurer werden und mit ihnen die Braunkohle. Ich hoffe auf eine Dynamik, die die Braunkohle endlich unwirtschaftlich macht. Dafür brauchen wir aber auch die EU.
Das Gespräch führte Marcus Meier.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf klimaretter.info
Monika Düker, 51, ist grüne Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen und dort flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Von 2010 bis 2014 bildete sie als Landesvorsitzende zusammen mit Sven Lehmann die Doppelspitze der Grünen Nordrhein-Westfalen.
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