Edgar war mit seinem Leben durchaus zufrieden. Er lebte - ganz im Trend - alleine und konnte sein Fernsehprogramm selbst bestimmen. Montags bis freitags arbeitete er als Pförtner bei einem Verlag für Reise, Kulturgeschichte und Religion. Der Samstag gehörte erst dem Wasch- und dann dem Spielsalon, der Sonntag seinen lieben Eltern. Sie waren glücklich, dass er so zufrieden mit allem war.
Einmal fragte ihn der Lektor des Verlages, wie er es in dem Glaskasten nur Tag für Tag aushalten könne.
"Immerhin Glas", antwortete Edgar, "da kriegt man was mit und sieht so manches."
Noch am selben Nachmittag brachte ihm der Lektor einen Bildband Letzte Abenteuer der Erde zur Ansicht. Er sagte: "Was halten Sie davon? Bevor der Band in den Druck geht, wäre mir das Urteil eines potentiellen Käufers wichtig."
Eine Woche später lieh er ihm Traumreisen und acht Tage danach Das Paradies in der Vorstellung der Kirchenkünstler des Mittelalters.
"Der denkt, ich bin ein armes Schwein, und meint, ich merke nicht, dass er das denkt", sagte Edgar zu sich. Weil der Lektor aber der einzige Mensch war, der überhaupt über Edgar nachdachte, war er zweifellos der beste Freund, den Edgar sich vorstellen konnte.
Die Freundschaft hätte sicherlich viele Jahre gehalten. Eines Morgens aber kam der Lektor bei einem Autounfall ums Leben, und Edgar wurde wenige Stunden später gekündigt. Ein Verlagsmitarbeiter hatte den für gestohlen gehaltenen Fotobildband Grabbeigaben seit der Antike in der Pförtnerloge liegen gesehen.
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