Aus dem Schlaf geweckt

CSU Edmund Stoiber nutzt den Kosovo-Krieg, um sich als staatsmännischer Außenpolitiker zu profilieren

Fast schien es, als wäre der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber vergangene Woche vor allem nach Moskau gereist, um den eigenen Laden aus dem politischen Dornröschenschlaf zu wecken. Sein überbetont staatsmännischer Auftritt bei Regierungschef Jewgenij Primakow brachte die Unionsparteien nach Wochen weitestgehender Medien-Abstinenz in die Diskussion um die Lösung der Kosovo-Krise zurück. Mit unverkennbarer Selbstgefälligkeit gab der CSU-Chef den Diplomaten auf internationaler Bühne, den auf Dialog mit Moskau bedachten »Makler westlicher Interessen« (Die Welt).

Dabei hatte Stoiber in der russischen Hauptstadt den Journalisten nur wenige, dürre Botschaften zu verkünden: Ein paar Streicheleinheiten für den Gastgeber, dessen gescheiterter Vermittlungsversuch in Belgrad zu loben und dessen Mitwirkung bei einer politischen Lösung des Konflikts unumgänglich sei. Daneben noch die Festlegung, einem Einsatz deutscher Bodentruppen unter keiner Bedingung zustimmen zu wollen, schon um das deutsch-russische Verhältnis nicht weiter zu beschädigen. Ansonsten: Im Westen nichts Neues.

Der Moskau-Auftritt Stoibers verweist auf das Problem der Unionsparteien, ihre Rolle als Opposition zur Bundesregierung im Kosovo-Krieg zu finden. Seit die Bomben auf Serbien fallen, hat es CDU und CSU fast die Sprache verschlagen. Auf leisen Sohlen lobt da Oppositionsführer Wolfgang Schäuble die Politik des Kanzlers und des Außenministers, ganz so, als regiere seine Union gemeinsam mit dem rot-grünen Regierungsbündnis in einer großen Koalition. Die vielbeschworene »Gemeinsamkeit aller Demokraten« wird beim Waffengang leibhaftig: Die Reihen fest geschlossen, Gegenrede findet nicht mehr statt. Opposition wird der PDS und dem Minderheitsflügel der Bündnis-Grünen um Christian Ströbele überlassen.

Tatsächlich steckt die Union in einem schwer auflösbaren Dilemma. Fester an der Seite der NATO-Kriegsstrategen als die rot-grüne Bundesregierung können auch Schäuble, Stoiber und Rühe nicht stehen. Vollendet die Regierung Schröder doch nur das, was das Kabinett Kohl in mühevoller Kleinarbeit Schritt für Schritt durchgesetzt hat: Die Legitimation und rechtliche Absicherung fast jeder Form von »out of area-Einsätzen« der Bundeswehr.

Die Unions-Strategen wissen also, daß sie sich beim Kosovo-Krieg rechts von der Bundesregierung nicht profilieren können. Sie können allenfalls hoffen, daß der Riß durch die sozialdemokratische und vor allem die grüne Anhängerschaft mit jedem Kriegs-Tag tiefer wird, daß auch die Funktionärskörper beider Parteien vielstimmiger werden, Schröder und Fischer zunehmend Probleme damit bekommen, ihre Parteien auf Kurs zu halten. Stünde die Union dann geschlossen da, würde sie von der Spaltung, die durch die rot-grüne Basis geht, mittelfristig profitieren. Sie müßte dann nur auf dem Bonner Parkett wie auch auf internationaler Ebene in die Rolle der verläßlicheren der beiden Volksparteien schlüpfen.

Auf dieser Linie liegt auch Stoibers Moskau-Visite. Inhaltlich im Windschatten von Rot-Grün, aber unaufgeregter und staatsmännischer, versuchte sich der Ministerpräsident zu präsentieren. Fast so, als hätte er für den Rußland-Trip vom Kanzler dessen Wahlkampfmotto ausgeborgt, das da sagt: »Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen«.

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