Liebe mit Folgen

Beispiel Prenzlau Es war Zufall, dass sich nach der Wende die ersten Alternativ-Energie-Unternehmen rund um Prenzlau ansiedelten. Heute freut sich die Stadt über Arbeitsplätze und Steuereinnahmen

Eigentlich ist dies eine Liebesgeschichte. Marius Eriksen, ein Osnabrücker Unternehmer mit Hang zu den Erneuerbaren, wollte nach der Wende Geld „im Osten“ anlegen. Also fuhr er in die Stadt, von der er wohl am meisten gehört hatte. „Meine erste Frau ist aus Prenzlau“, sagt Marius Eriksen, Gründer der IFE Eriksen AG.

Die Gesellschaft hat es Mitte der neunziger Jahre mit Windparks zu Reichtum gebracht, als Eriksen sich entschloss, in Prenzlau 95 Wohnungen und Büros zu bauen, Windräder zu errichten und dort in eine eigene Solarfabrik zu investieren. „Andere Orte wären nicht schlechter gewesen als Prenzlau“, sagt Eriksen, Löhne und Investitionszulagen waren damals überall im Osten vergleichbar. „Es war eine Bauchentscheidung.“

In Prenzlau, 120 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen, waren vor der Wende Landwirtschaft und Nahrungsmittelver­arbeitung die größten Arbeitgeber. Nach der Wende brach das alles zusammen.

Marius Eriksens Investitionen in die Herstellung von Solarmodulen waren der erste Baustein. Die Solarindustrie war damals noch eine ziemlich exotische Branche und die Firma Aleo begann mit weniger als hundert Mitarbeitern, die meisten davon waren Frauen. Inzwischen ist die Solarindustrie ein globales Geschäft, Aleo gehört zu Bosch und hat fast tausend Mitarbeiter.

Nur zehn Kilometer von Prenzlau entfernt ist ein anderes Unternehmen groß geworden. Die Enertrag AG ist in Deutschland einer der bekanntesten Windpark-Planer. Nach der Wende war Enertrag kaum mehr als ein Ein-Mann-Betrieb. Heute hat die Firma insgesamt 430 Mitarbeiter.

Doch besonders die Windräder sind in der Gegend nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. In der Uckermark gibt es die bundesweit einzige Anti-Windkraft-Partei. „Rettet die Uckermark“ entstand schon 1996, immer mit dabei: der Berliner Politikprofessor Hans-Joachim Mengel. Er will „ein Gegengewicht zum in der Uckermark grassierenden Windmühlenkapitalismus schaffen“, wie er es nennt.

Die Entscheidung für die erneuerbaren Energien war darum für die Lokalpolitiker riskant. Dennoch erklärte sich Prenzlau 2005 zur „Stadt der Erneuerbaren Ener­gien“. Man wolle die „Potentiale der Solar- und Windenergie ebenso wie die Vorkommen an Geothermie und Biomasse nutzen und weiter ausbauen.“ Wichtig dürften bei dieser Entscheidung vor allem die erhofften Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gewesen sein.

Neben Aleo und Enertrag engagieren sich heute vor allem die kommunalen Stadtwerke. Seit 1994 versorgt eine Geothermieanlage über das stadteigene Wärmenetz ein Drittel der 9000 Prenzlauer Haushalte mit heißem Wasser. Zuletzt hat Prenzlau sein Stromnetz wieder vom Energiekonzern Eon übernommen und beliefert mehr als 5.000 Stromkunden in der Uckermark. Mit Erdwärme, Windkraft und Solarenergie nachwachsenden Rohstoffen erzeugt die Stadt heute mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, als sie selbst verbraucht.

Marius Eriksen hat das nicht mehr erlebt. Er starb im November 2010.

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