Seit dem 27. Dezember ohne Mandat

Gefährliches Spiel Kenias derzeitige Regierung ist illegal

In diktatorischer Manier hat die Kibaki-Regierung nach dem 27. Dezember versucht, Fakten zu schaffen, und damit die gesamte ostafrikanische Region in eine verheerende Krise gestürzt. Mit Kenia wird ausgerechnet ein Land zum Pulverfass, das seit Jahren als fortschrittliche Demokratie galt und ein Verhandlungs- und Zufluchtsort für Konfliktparteien aus der direkten und entfernteren Nachbarschaft war - ob aus Somalia, Uganda, Ruanda oder aus dem Sudan. Die Wahl Ende 2007 galt als Probe aufs Exempel. Würde nach einer fairen und freien Abstimmung ein Machtwechsel gelingen? Im Moment lautet die Antwort: Nein. Oder noch nicht. Man muss ein verheerendes Resultat quittieren. Mwai Kibaki hat klar verloren und hält sich dennoch durch einen in aller Öffentlichkeit vorgeführten Wahlbetrug an der Macht. Erstaunlicherweise sprechen internationale Medien trotzdem noch immer vom Präsidenten und seiner Regierung, obwohl beide jenseits jeder Legalität handeln.

Verratene Revolution

Was geschehen ist, kam für viele nicht wirklich überraschend. Nur sechs Wochen vor der Wahl hatte Kibaki noch schnell vier Mitglieder der Electoral Commission Kenyas (ECK) entlassen und durch eigene Parteigänger ersetzt, die bei der Wahlfälschung tatkräftig mithalfen. Doch konnte auch dadurch nicht verhindert werden, dass allein 17 Minister ihre Wahlkreise haushoch verloren: einschließlich des Vizepräsidenten Moody Awori, des Außenministers Raphael Tuju und des Ministers für die lokale Verwaltung, Musikari Kombo.

Kibaki selbst verbuchte nach internen Berechnungen kenianischer Journalisten etwa 1,5 Millionen Stimmen weniger als Raila Odinga und sein "Pentagon-Team" vom Orange Democratic Movement (ODM), dessen Führung Politiker aller Regionen vereint, aus Zentralkenia und Rift Valley ebenso wie aus Nyanza, Western Province und Eastern Province sowie Coast. Es wirkt nun so, als sei die Demokratie unter Kibaki und seiner Entourage seit 2002 nicht viel mehr gewesen als ein kosmetisches Unternehmen, um die langfristige Vertuschung korrupter Wirtschaftspolitik zu sichern, zentralkenianische Machtstrukturen zu konservieren und Besitzstände für die Akteure aus der Ära von Daniel arap Moi zu garantieren.

Galt die "Regenbogen-Revolution" 2002, als die Moi-Diktatur von einer gewählten Koalitionsregierung abgelöst wurde, anfangs als Modell eines demokratischen Übergangs, so schwand unter den Kenianern die Hoffnung auf einen tatsächlichen Wechsel bald in atemberaubendem Tempo. Expliziter Ausdruck des Stimmungswandels war Ende 2005 das Referendum über eine neue Verfassung, mit der die Machtfülle des Präsidenten und seiner Zentralverwaltung gestärkt werden sollte. Kibaki verlor klar und musste zugleich mit ansehen, wie das Plebiszit zur Geburtsstunde von Odingas ODM wurde. Dafür gab es viele Gründe, vor allem soziale.

Wenn man durch die westlichen und östlichen Regionen reist, stößt man unweigerlich auf all die stillgelegten Fabriken, arbeitslosen Jugendlichen und Erwachsenen - sieht man, wie vernachlässigt besonders die Gebiete des Landes sind, in denen die einst dort angesiedelte Fisch-, Zucker- und Textilindustrie nicht einmal mehr ein Schattendasein fristet. Als eine der traurigsten und auffälligsten Folgen des zentralkenianischen Nepotismus´ Mois und Kibakis kann der Victoria-See gelten, das zweitgrößte Trinkwasserreservoir der Welt. Auf kenianischer Seite breitet sich als Zeichen fortschreitender Verunreinigung kilometerweit ein Teppich aus Algen, die das Gewässer und seine Ressourcen bedrohen. Auf ugandischer Seite bekam man das Problem in den Griff - in Kenia fehlt dazu der politische Wille.

Das Urteil vieler Kenianer über Mwai Kibaki stand daher schon lange vor dem 27. Dezember 2007 fest: Dieser Präsident hat in kürzester Zeit alle seine Versprechen von 2002 gebrochen, vorzugsweise per Dekret regiert, sein zentralkenianisches Imperium in Parlament, Militärspitze und Beamtenschaft ausgebaut und zu diesem Zweck immer enger mit Ex-Präsident Moi kooperiert.

Als Partner dieses Machtgeflechts gilt übrigens auch der Präsidentschaftskandidat aus der Ostprovinz, Kalonzo Musyoka, der schon in den achtziger Jahren zum Lager Daniel arap Mois gehörte und 1991 entschieden für den Erhalt des Einparteienstaates plädierte. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Musyoka mit einer Mischung aus Ehrgeiz und Opportunismus der ins Amt geputschten Regierung Kibakis schmeichelt, um sich für das Amt des Vizepräsidenten zu empfehlen.

Ein klares Bekenntnis

Kein Zweifel, Kenias politische Protagonisten kennen sich und die Spielregeln seit Jahrzehnten. Auch die Oppositionspolitiker um Raila Odinga sind keine Unbekannten, jedoch verkörpern sie dank ihres Programms, ihrer dezidierten Bereitschaft zu überregionaler Teamarbeit und nationaler Versöhnung einen glaubwürdigen Wechsel, den eine Mehrheit der Kenianer rückhaltlos herbeiwünscht. Dafür gab die seit 2002 politisch aufgewachte Bevölkerung Kenias am 27. Dezember ein klares Bekenntnis ab.

Beabsichtigt die internationale Gemeinschaft, glaubwürdig zu sein, muss sie ohne Vorbehalte all jene mit Nachdruck unterstützen, die einen durch den Wahlbetrug drohenden Niedergang oder Bürgerkrieg in Kenia verhindern wollen. Das sollte nicht schwer fallen, nachdem selbst Samuel Kivuitu als Chef der Wahlkommission öffentlich zugab, gefälschte Resultate kolportiert zu haben. Seitdem steht außer Frage: Mwai Kibakis Regierung amtiert außerhalb jeder legalen Rechtfertigung. Sie hält sich nur gewaltsam gegen das Votum der Mehrheit an der Macht.

Marie Elisabeth Müller arbeitet zur Zeit als DAAD-Lektorin für Germanistik an der University of Nairobi.

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