Der Kicker Moudachirou Amadou verläßt den Cottbuser Zweitligisten Energie Cottbus, weil er und seine Familie in der Lausitzstadt diskriminiert werden. »Rassenschande« ist nur eine der Beschimpfungen, denen der aus Benin stammende Fußball-Profi, seine deutsche Frau und das gemeinsame Baby ausgesetzt sind. Der Zugang zur Disco wurde Amadou mehr als einmal verwehrt, zu seinem eigenen Schutz, wie der Einlasser der ARD gegenüber erklärte. Man hätte in der Disco nicht für seine Sicherheit garantieren können.
Seit Jahren macht Brandenburg Schlagzeilen mit Rechtsradikalismus. Nicht nur Nichtdeutsche, auch linke Jugendliche, die sich dem in vielen Regionen vorherrschenden rechten Mainstream widersetzen, sind Gewaltopfer. In der vergangenen Woche wurd
Woche wurde erst wieder ein Deutscher südländischen Typs zum Opfer rechter Schläger.Anders als die Nachrichtenlage glauben machen könnte, führt Brandenburg die Sta tsitik politisch motivierter rechter Gewalt allerdings nicht an. Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin kommen seit vergangenem Jahr auf höhere Raten als das geschmähte Brandenburg, das einen deutlichen Rückgang verzeichnete. Denn in Brandenburg hat sich der Umgang mit Rechtsextremismus verändert. Regierung und Justiz versuchen nicht mehr, die Ereignisse totzu schweigen, um dem Image des Landes und damit den Investitionen nicht zu schaden, sondern machen sie öffentlich. Das mag auf kurze Sicht wenig klug erscheinen, langfristig aber sorgt es für eine andere Wahrnehmung des Problems Rechtsradikalismus.Nach dem gewaltsamen Tod des Algeriers Omar ben Noui im Februar in der Grenzstadt Guben eilten Landes- und Stadtpolitiker persönlich zu den Orten des Verbrechens und machten sich zu Sprechern der Gegenöffentlichkeit. Keinesfalls selbstverständlich, wie etwa der sächsische Landtagsabgeordnete Heiko Hilker (PDS) meint. »Hätte sich ein solcher Vorfall in Sachsen ereignet, könnte ich mir vorstellen, daß einige Politiker die Schuld nicht bei den rechten Jugendlichen und schon gar nicht in einem rechten Mainstream gesucht hätten, sondern bei dem Algerier, der Âzu blöd wäre, mit Fensterscheiben umzugehenÂ.«Auch für Brandenburg ist dieser Umgang mit rechter Gewalt neu. Noch vor drei Jahren negierte das Stolpe-Kabinett das gravierende gesellschaftliche Problem, gestand allenfalls ein Problem mit verirrten Einzeltätern zu. Doch vor einem Jahr, am 23. Juni 1998, läutete das Land eine Kehrtwende ein und verabschiedete ein Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg«. Seitdem setzt Brandenburg beim Umgang mit den rechten Gewalttätern auf die Organisation einer Gegenöffentlichkeit und die Mobilisierung der Kräfte der Zivilgesellschaft.Trotz knapper Kassen wurde das Programm mit 2,5 Millionen Mark ausgestattet. »Eine Kopfgeburt« kritisiert der Brandenburger Flüchtlingsrat das Handlungskonzept dennoch, gesteht aber zu, daß es ein Schritt in die richtige Richtung sei.Dem Beschluß zum Handlungskonzept waren weder Debatten vorausgegangen, noch hat der Landtag das Thema seither reflektiert. Die Diskussion wurde von außerparlamentarischen Gruppen und engagierten Juristen, die sich mit der rechten Jugendszene beschäftigen, an die Landesregierung herangetragen. Der Druck von unten hätte für einen neuen Ansatz aber nicht gereicht: Erst als ausländische Firmen in den Ministerien nachfragten, ob ihre Repräsentanten in Brandenburg denn sicher wären, schien auch der Politik die Zeit gekommen, um aktiv gegenzusteuern. Ein ähnliches Programm wie Brandenburg hat im März Sachsen-Anhalt aufgelegt. Da mutet der Vorwurf »Kopfgeburt«, wie ihn auch die Berliner Grünen-Abgeordnete Sibyll-Anka Klotz (Bündnisgrüne) erhebt, eher wie verletzte Eitelkeit an: Besser Kopfgeburt als alles laufen lassen wie bisher. Sie ergänzt deshalb: »Das ist keine Kritik an der Brandenburger Landesregierung. Berlin brauchte auch dringend Appelle zu Toleranz und Akzeptanz fremder Kulturen durch Regierungspolitiker.« In der Hauptstadt gebe es zwar mehr Initiativen von unten, aber diese würden durch öffentliche Äußerungen von CDU-Politikern kontrastiert. Es ist nur fair, in diesem Zusammenhang auch die Brandenburger Ergänzungen zur »Kopfgeburt« zu benennen, die sich im Laufe des Jahres als Initiativen von unten gebildet haben und erste Erfolge verzeichnen. Die Aktionsgruppe »Noteingang« etwa, die inzwischen in 13 märkischen Kommunen, unter anderem in Frankfurt/Oder, Strausberg, Neuruppin, Bernau, Fürstenwalde, Schwedt ... Aufkleber an Türen anbringt: »Wir bieten Schutz und Informationen bei rassistischen und faschistischen Angriffen«. Rathäuser, Geschäfte, Schulen, Universitäten verpflichten sich auf diese Art zu helfen, verlassen die Zuschauerposition, demonstrieren den Überdruß am dumpfen Rassismus, der für sie zu einer wirtschaftlichen und mentalen Belastung geworden ist. Diese Initaitive, die von alternativen und kirchlichen Jugendlichen angeregt wurde, erhält Gelder aus dem Programm »Tolerantes Brandenburg«. Daß Gewaltopfer in den mit den Aufklebern gekennzeichneten Räumen Schutz suchen, ist zwar eine Ausnahme, meint Noteingang-Mitinitiator Robert Richter aus Strausberg. Der Effekt sei aber ein anderer: Die Aufkleber würden Stadtbilder mitprägen und rechten Jugendlichen signalisieren, daß ihr Handeln nicht erwünscht sei. Allerdings stoßen die Initiatoren nicht überall auf Wohlwollen.Gelder aus dem Programm werden auch in eine Intensivierung der Polizeiarbeit gesteckt. »Mit zügigen Ermittlungen, raschen Haftbefehlen und harten Strafen bei ausländerfeindlichen Straftaten haben wir die rechte Szene in den letzten Jahren verunsichert«, erklärt Staatsanwältin Petra Marx aus Frankfurt/ Oder. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat früh begonnen, ausländerfeindliche Straftaten öffentlich zu machen. Damit avancierten die drei Staatsanwälte, die in der Oderregion gegen politisch motivierte Straftaten ermitteln, zu einem Feindbild in der rechten Szene.