Vor kurzem konnte man in Portugal, Spanien, Frankreich und teilweise in Großbritannien ein neues Phänomen beobachten, das in den Medien, etwas ungenau, als Grenzblockade durch streikende Lastwagenfahrer bezeichnet wurde. Es handelte sich in Wirklichkeit eher um eine Aussperrung durch die Speditionsunternehmer als um Streiks der Fahrer gegen ihre Arbeitgeber.
Diese kollektive Demonstration richtete sich nicht konkret gegen die Politik eines der betroffenen Länder. Sie war vielmehr Ausdruck einer mehrfachen Krise, die sich unter anderem in der Verteuerung von Energie, Benzin und Lebensmitteln äußert, die ihren Ursprung aber in den USA und der neoliberalen Globalisierung mit ihrem angelsächsischen und spekulativen Charakter hat. Europa bekommt das nun besonders ha
sonders hart zu spüren.Die Stilllegung ganzer Fuhrparks ließ in der Bevölkerung der eingangs genannten Länder das Bewusstsein für den Ernst der Lage reifen. Als Konsument war man besorgt über den Engpass an Treibstoffen und Konsumgütern und stürmte in noch nie gesehener Weise Tankstellen und Supermärkte.Selbstverständlich wird die globale Krise nicht nur durch die Verteuerung von Erdöl, Erdgas und Nahrungsmitteln verursacht, obwohl die Kosten dieser Produkte den Durchschnittsbürger besonders hart treffen. Wir haben es eindeutig mit einer politischen Krise zu tun, genau genommen mit einer Krise der Zivilisation, deren Epizentrum in den Vereinigten Staaten von George Walker Bush liegt. Dessen Mandat ist zwar bereits am Auslaufen, die Folgen aber sind nun auf der ganzen Welt zu spüren. Die Verteilungskämpfe um Energie, Öl und Gas werden auch den alten Kontinent einholen, wie inzwischen viele bewusste Menschen warnen.Doch gerade weil es sich um eine unvermeidbare Krise handelt, sollte man ihr mutig und intelligent begegnen. Es ist auffällig, wie im Zuge der akut werdenden Probleme und eines verbreiteten Unbehagens mehr und mehr Politiker und Ökonomen ihre soziale Verantwortung entdecken, die sie noch bis vor kurzem nicht kannten. Fast schon wagt es niemand mehr, die gängigen Forderungen nach "weniger Staat" oder "mehr Privatisierungen im öffentlichen Bereich" auszusprechen oder gar die neoliberale Globalisierung zu loben. Die desaströsen Ergebnisse eines solchen Kurses liegen allzu offen auf dem Tisch.Es ist unbedingt notwendig, dass die ganze Welt versteht, und das jetzt mehr denn je: Was zählt, sind die Menschen. Sie zählen mehr als die Unternehmen. Die bestehen letztendlich auch nur aus Menschen. Wenn Menschen Ausbeutung ertragen müssen oder sich in ihrer Würde verletzt fühlen, werden sie rebellieren. Und sie werden das tun, wenn man es am wenigsten erwartet.In solchen Augenblicken verfügen die Staaten kaum über gescheite Reaktionsmöglichkeiten. Repression jedenfalls wäre keine angemessene Antwort. Im Gegenteil, die wäre unzweifelhaft kontraproduktiv in Gesellschaften, die nach Offenheit und Demokratie streben.Was ist nun die Lösung? Das Paradigma ändern, je eher, desto besser. Der Neoliberalismus und der Kasino-Kapitalismus sind ausgereizt. Die enormen Kapitalansammlungen, eine fehlende Ethik im Geschäftsleben, die disproportionalen Bezüge der Manager von Banken und transnationalen Konzernen, die im Widerspruch zur unverschämten und gnadenlosen Ausbeutung der Arbeitenden stehen, das alles hat den Kapitalismus, wie wir ihn früher kannten, in den vergangenen Jahrzehnten kaputt gemacht.Das zentrale Thema der Dekadenz des gegenwärtigen Systems und der Notwendigkeit, es durch etwas Neues zu ersetzen, ist der Stoff zahlreicher Bücher und Essays der Gegenwart. Dabei wird das Thema aus sehr verschiedenen Perspektiven angegangen. Ein neuer Kapitalismus ist im Entstehen - wir finden Ansätze dazu im letzten Buch des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz Im Schatten der Globalisierung, wir finden sie nicht minder beim Großfinanzier George Soros, der über Das Ende der Finanzmärkte und deren Zukunft schreibt. Oder denken wir an den Ex-Präsidenten der US-Notenbank, Alan Greenspan, und sein Buch Das Zeitalter der Turbulenzen - Abenteuer in einer neuen Welt.Wir befinden uns bereits in einem Gefecht zwischen verschiedenen Auffassungen des Kapitalismus, auf der Suche nach neuen Lösungen, die der Welt mehr Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden bringen würden bei einem gleichzeitigen Verzicht auf Korruption und Disparitäten. Wir sind hinein gestellt in ein Zeitalter des Übergangs, und wir müssen dringend handeln, da sich die Ereignisse jederzeit überstürzen können.Mário Soares (83) war ab 1976 für die Sozialistische Partei (PS) Ministerpräsident Portugals und leitete bald darauf die Aufnahme seines Landes in die damalige Europäische Gemeinschaft (EG / heute EU) ein, die 1985 vollendet wurde. Im Februar 1986 siegt er mit einer hauchdünnen Mehrheit bei den Präsidentschaftswahlen und ist danach für ein ganzes Jahrzehnt portugiesisches Staatsoberhaupt. Nach dem Ende seiner Amtszeit besinnt sich Mario Soares wieder mehr auf seine sozialreformerischen Positionen aus der Zeit der Nelken-Revolution, die 1974 zum Sturz der Caetano-Diktatur geführt hatte. Er ist von 1999 bis 2004 Mitglied des Europäischen Parlaments, greift aber auch danach noch durch Bücher, Vorträge und Interviews in die aktuelle Politik ein.