Omas Brotjob

Plakatkritik Wer ein soziales Desaster zeigen will, muss schocken, hat sich der Sozialverband Deutschland wohl gedacht. Und wirbt jetzt mit einer Pensionärin, die auf den Strich geht

Drastische Werbung belebt das Geschäft. Das ist selbst zum Sozialverband Deutschland (SoVD) vorgedrungen, der bisher nicht durch aggressives Eigenmarketing aufgefallen war. Der Verband vertritt die Interessen von Rentnern, Pflegebedürftigen und Behinderten. Weil seine Klienten in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielen, haut er nun umso lauter auf die Pauke. Topthema: die rückläufigen Renten. Gewiss ein ernstes Anliegen.

Bislang diente dafür als Motiv ein alter Mann ohne Kleidung, der aufgeschreckt dreinblickte. Das kam wie ein Sozialschocker aus dem Pflegeheim daher – Demenzkranker wird beim Falschpinkeln erwischt, wir brauchen mehr Personal! –, der Slogan rückte den Senior aber wieder ins rechte Licht: „Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche fassen!“ Im Kopf war also alles in Ordnung, nur in der Kasse fehlte es.

Das Nachfolgeplakat zeigt nun eine Frau jenseits der Sechzig mit viel, ja sehr viel Dekolleté – und noch mehr Rouge auf den Wangen. Eindeutige Bildbotschaft: Oma-Strich, bestätigt durch den Spruch: „Und wie müssen Sie Ihre Rente aufbessern?“ Die Ästhetik erzeugt aber weniger soziale Erschütterung, sondern weckt Assoziationen anderer Art: an die „geilen Groß­mütter“ in der nächtlichen Telefonsexwerbung oder den Kleinanzeigen von Stadtmagazinen. Gut gemeint ist leider oft trotzdem voll daneben. Der SoVD kann froh sein, wenn nicht jemand anprangernd diese Plakate hervorkramt, wenn der Verband das nächste Mal die Menschenwürde von Rentnern anmahnt.

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