Als neuer Finanzminister antwortete Bezalel Smotrich mit einer Gegenfrage auf die Anfrage nach dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). „Worin sollte mein Interesse bestehen, ihre Existenz zu sichern, solange sie weiter zu Terrorismus ermuntert?“, äußerte er vor Tagen, als ihn Journalisten auf das Einbehalten von Steuergeldern für die PA in Höhe von gut 40 Millionen Euro ansprachen. Kurz zuvor hatte der 42-Jährige bekanntgegeben, dass die Gelder statt nach Ramallah an israelische Familien gehen würden, die Angehörige bei Terroranschlägen verloren hätten. Ein Grund für diese Strafmaßnahme: Ende 2022 überzeugte die palästinensische Vertretung bei den Vereinten Nationen
en in New York die Mitglieder der Vollversammlung von einer bemerkenswerten Resolution. Sie ruft dazu auf, der Internationale Gerichtshof (ICJ) in Den Haag möge die Rechtmäßigkeit der seit mehr als einem halben Jahrhundert anhaltenden israelischen Besatzung der Westbank überprüfen.Die Zerschlagung der von Mahmud Abbas geführten Autonomiebehörde in Ramallah zählt seit Jahren zu den wichtigsten politischen Zielen von Smotrich, dessen rechtsnationalistische Partei Religiöser Zionismus als drittstärkste Kraft aus der Knessetwahl im November hervorging. Benjamin Netanjahu bedachte den in einer religiösen Siedlung auf den völkerrechtswidrig annektierten syrischen Golanhöhen aufgewachsenen Vater von sieben Kindern im Dezember mit der Leitung des Finanzministeriums. Parallel dazu bekam Smotrich einen eigens im Verteidigungsministerium geschaffenen Ministerposten, dem die zivile Verwaltung der besetzten palästinensischen Gebiete untersteht.Ein Traumjob für den bekennenden Palästinenserfeind und ein Albtraum für die mehr als drei Millionen Bewohner des seit 1967 besetzten Westjordanlandes – für Menschen, die in ihren kaum überlebensfähigen Enklaven zwischen Jenin und Nablus im Norden wie Hebron im Süden täglich den Schikanen der Besatzer ausgesetzt sind. Neben Itamar Ben-Gvir, dem rechtsextremen Minister für Nationale Sicherheit von der Partei Jüdische Macht, bildet Smotrich den ganz rechten Rand im sechsten Kabinett von Netanjahu seit dessen erster Wahl zum Premierminister 1996. Bereits 2019 hatte er Smotrich als Verkehrsminister in seine damalige Regierung geholt. 2015 hatte der Hardliner erstmals in die Knesset einziehen können.Heute lebt Smotrich mit seiner Familie in der Siedlung Kedumim im Westjordanland. 2005 zählte er zu den Anführern der gewaltsamen Siedlerproteste gegen den Abzug aus dem Gazastreifen; nach drei Wochen im Gewahrsam des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet kam er wieder auf freien Fuß. Ein Jahr später wurde er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als er gemeinsam mit Gleichgesinnten aus dem nationalreligiösen Spektrum unter dem Titel „Bestien-Parade“ eine Gegenveranstaltung zur Gay Pride in Jerusalem inszenierte.Smotrich bezeichnet sich als „stolzen Homophoben“ und verlangte noch vor wenigen Jahren, dass Israel „nach den Gesetzen der Torah“ geführt werden solle. Mit 18 meldete er sich nicht für den regulären dreijährigen Armeedienst, sondern nahm eine Aufschubregelung für Ultraorthodoxe in Anspruch, um am Ende doch nicht an einer Religionsschule seinen Abschluss in Jura zu machen, sondern am säkularen Ono Academic College.Inwieweit es ihm als Finanzminister gelingt, auf ausländische Investitionen angewiesene israelische Unternehmen nicht zu brüskieren, ist eine für den Zusammenhalt der rechtsreligiösen Regierung brisante Frage, die sich seit dem Regierungswechsel stellt. Als eine erste Amtshandlung senkte Smotrich die Steuern auf stark gezuckerte Getränke und Wegwerfgeschirr. Beides wird von ultraorthodoxen Familien im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich viel gekauft, was unter anderem zum inflationären Gebrauch von Plastikutensilien an Feiertagen und zum Schabbat geführt hat. Die im internationalen Vergleich miserablen Unweltstandards Israels senkt das weiter ab.Die Wählerschaft freilich dürfte es Smotrich danken, ihre Interessen nirgendwo sonst als am Kabinettstisch durchzusetzen. Auf rund 700.000 Israelis wird der Anhang des nationalreligiösen Spektrums geschätzt, das anders als die Ultraorthodoxen den Dienst in den Israel Defense Forces (IDF) nicht grundsätzlich ablehnt. Vielmehr arbeitet man Hand in Hand mit den Soldaten der Besatzungsmacht, um die nach internationalem – bislang auch israelischem – Recht illegalen Außenposten von Siedlungen im Westjordanland auszuweiten. Smotrich ist fortan nicht nur oberster Regierungsvertreter für die Koordinierung des Besatzungsregimes mit der Armee und internationalen Organisationen. Er verfügt als Ressortchef für Finanzen über erhebliche Ressourcen, um die Siedlungsbewegung heftig expandieren zu lassen. Er könnte damit zu dem Repräsentanten der Rechtsregierung werden, mit dem die israelischen Parteien und Bewegungen am heftigsten kollidieren, die weiter am Ziel einer geregelten Zweistaatenlösung festhalten.Verhandlungen mit den Palästinensern lehnt Smotrich unter anderem deshalb ab, weil er die Existenz eines palästinensischen Volkes grundsätzlich bestreitet. In unterschiedlichen Varianten hat er in der Vergangenheit einen „Transfer“ der Palästinenser nach Jordanien oder in andere arabische Staaten ins Gespräch gebracht. Zur Not käme eine gewaltsame Vertreibung in Betracht, um eine territorial zusammenhängende jüdische Vorherrschaft durchzusetzen.