So ist das Leben.

Sechste Folge (Deutschland) Der Fortsetzungsroman zum Wahlkampf 2006.

Barbara hatte bei Bobbi´s den letzten Schluck Prosecco getrunken und den Salat aufgegessen. Sie dachte, dass das ein ziemlich billiger Prosecco wäre. "Pissbitter", dachte sie. Hier in Köln nannte man diesen dünnen, scharfen Geschmack sicher "pissbitter". Der Kellner stellte ihre ein neues Glas Prosecco hin. Barbara trank. Sonst trank sie gar nicht so gerne Alkohol. Aber jetzt. Sie hatte das Gefühl, alles annehmen zu müssen, weil sie es angeboten bekäme. So, als ob sie keine Erklärung für eine eigene Entscheidung mehr zur Verfügung hätte. In Barbara stieg wieder der tiefe Hass auf den Kurator der Ausstellung wieder sehr, wie er ihr in der Halle vom Museum Wilhelm so nebenbei gesagt hatte, dass er jetzt nicht mit ihr gerechnet habe und ob sie seine Email mit der Absage nicht erhalten hätte. Zwei Männer kamen an den Tisch und begrüßten Hajo. Sie schlugen ihm auf den Rücken und lachten laut. Hajo schrie "Walter" und "Jochen" und rief dem Kellner zu, das wäre jetzt die Gelegenheit für eine Flasche Champagner. Und wo die beiden Männer herkämen. Der, der Walter hieß, fragte, wer denn diese charmante junge Dame wäre. Der, der Jochen hieß, sagte, dass sie im Club Pascha vorbeigeschaut hätten. Da wäre aber noch nichts los und ob der Hajo schon vom Marcus gehört hätte. Dass der Rechnungen für 800.000 Euro bis zur nächsten Woche bräuchte oder er käme in Schwierigkeiten. Hajo sagte, dass das alles eine Schweinerei sei und dass die Leute einfach nur undankbar wären. Da bekämen sie einen neuen Kunstpavillon hingestellt und sollten sich freuen und nicht fragen, wo das Geld hingekommen wäre. So ein Genie. Das wollte doch schließlich bezahlt sein. Und alle lachten. Hajo schenkte den Champagner ein. Bei Barbara sagte er, dass sie ja offenkundig lieber Prosecco trinke und goss sich selbst ein Glas ein.

Barbara nahm ihre Tasche und stand auf. Der Hajo hielt sie fest. Sie wäre doch die Wichtigste hier. Sie wäre doch eine Künstlerin. Sie könne ihnen helfen. Sie müsse ihnen helfen. Er sagte zu den anderen, dass Barbara eine Ösi sei und Kunst mache und dass der Museums Kaiser ihr böse mitgespielt habe und dass man sie nach Düsseldorf bringen müsse. Und vielleicht könnte Barbara aushelfen. Barbara könnte doch gegen ein Honorar schon einmal eine Honorarnote ausstellen. Da hätte man gleich ein paar Zehntausend Euro vom Tisch bei der Rechnungsprüfung und Barbara hätte auch etwas davon. Barbara könne doch sagen, dass sie am Konzept mitgearbeitet hätte. Hätte es nicht geheißen, dass sie eine Konzeptkünstlerin sei. Hajo wurde ganz eifrig. Barbara hielt ihre Tasche in der Hand und wollte gehen. Sie solle wenigstens das alles einmal ansehen. Hajo trank sein Glas aus und zerrte Barbara mit sich. Er suchte auf seinem Handy nach der Nummer von diesem Marcus und sagte auf die Box auf, dass er sich gerade mit Begleitung auf den Weg zu ihm mache. Barbara wollte eigentlich nicht mitgehen. Es war nicht mehr über die Interviews gesprochen worden. Es war alles sehr vage. Dann dachte Barbara, dass es auch gleichgültig war. Was sollte ihr mit diesem kleinen Mann schon passieren. Barbara hatte die Vorstellung von überwältigten Frauen nie glauben mögen. Im Parkhaus unter der Shopping Mall, in der Bobbi´s war, stiegen sie in einen goldfarbenen BMW. Hajo fuhr auf die Straße am Rhein. Barbara schaute hinüber auf die Wiesen, auf denen sie bei gutem Wetter die Zeit verbracht hatte. Es regnete leicht. Hajo fuhr schnell. Er sprach die ganze Zeit über seine Beziehung zu diesem Marcus. Barbara wusste nicht, wen er meinen konnte. Aber sie hatte sich nie sehr für konventionelle Kunstmarktkunst interessiert. Barbara ärgerte sich über sich selbst. Dann merkte sie, dass dieser Hajo 200 Stundenkilometer fuhr. Sie wollte gerade etwas sagen, da überholte ein anderes Auto. Der überholende Wagen begann zu schwanken. Schliff vor ihnen die Leitplanke entlang. Dann schaukelte sich das Schwanken auf und das Auto schlingerte über zwei Spuren vor ihnen hin und her. Am Ende schob sich das Auto unter einen rechts fahrenden LKW und die beiden ineinandergekeilten Fahrzeuge gerieten gemeinsam ins Schleudern. Hajo sauste am LKW gerade noch vorbei und begann dann zu bremsen. Barbara wurde in den Gurt geschleudert. Die Bremsen kreischten und hinter ihnen erklang ein metallisches Getöse. Als sie standen, stieg Barbara aus. Sie holte ihre Tasche vom Rücksitz und stieg dann die Böschung hinunter. Sie ging weg. Der Mann redete in sein Handy und schrie ihr nach, was sie denn da mache. Barbara wollte nur weg. Von der Person in dem anderen Auto konnte nicht viel übrig geblieben sein. Hilfe war da nicht mehr möglich. Sie kletterte die Böschung hinunter. In Österreich wollten die Rechten die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 Stundenkilometer aufheben. Die Rechten boten das als "Wahlzuckerl" an.


Durch einen Übermittlungsfehler konnte in der vergangenen Woche die vierte Folge von Marlene Streeruwitz´ Fortsetzungsroman zum österreichischen Wahlkampf So ist das Leben. nicht gedruckt werden. Deshalb gibt es in diesem Freitag zwei Folgen. Die Folge aus der letzten Woche und die dieser Woche. Die Nummerierung hängt mit den Folgen des nur in Österreich erscheinenden Handlungsstranges zusammen. Das gesamte Projekt können die Leser auf der Homepage www.malenestreeruwitz.at einsehen.

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