Helfer am Hindukusch

Militär Die staatliche Entwicklungsorganisation GIZ arbeitet eng mit der Bundeswehr in Afghanistan zusammen und baut in Afghanistan sogar Kasernen. Das missfällt den Mitarbeitern
Ausgabe 25/2013
Hier kommt die Feldpost! Ob auch was für die Entwicklungshelfer von der GIZ dabei ist?
Hier kommt die Feldpost! Ob auch was für die Entwicklungshelfer von der GIZ dabei ist?

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Offiziell hat sich die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) dem Guten in der Welt verschrieben. Die staatliche Entwicklungsorganisation kümmert sich um Ernährungssicherung, Bildung und Umweltschutz, rund 18.000 Mitarbeiter sind in 130 Ländern tätig. Doch nun könnte die schöne Fassade bröckeln: Die GIZ arbeitet eng mit der Bundeswehr zusammen, wie eine Kooperationsvereinbarung zeigt, die dem Freitag vorliegt. Die GIZ baute sogar Bundeswehrkasernen in Afghanistan.

Das sorgt inzwischen selbst bei den eigenen Mitarbeitern für Unmut. Sie kritisieren, dass damit die Grenze zwischen Entwicklungshelfern und Soldaten verwischt werde. Das könnte die Sicherheit der GIZ-Mitarbeiter im Ausland gefährden. In der Öffentlichkeit wollen sie sich nicht äußern, weil das interne Reglement dies verbietet.

Die GIZ ist im Jahr 2011 aus den drei staatlichen Entwicklungsorganisationen GTZ, Inwent und DED hervorgegangen. Die Organisation übernimmt alle möglichen Aufgaben im Auftrag des FDP-geführten Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Daneben ist die GIZ aber auch für andere Ressorts wie das Auswärtige Amt, das Wirtschafts- oder Bildungsministerium tätig.

Kooperation vertraglich abgesichert

Was kaum bekannt ist: Die GIZ arbeitet auch für die Bundeswehr, es gibt sogar eine vierseitige Kooperationsvereinbarung aus dem Jahr 2011. Geregelt ist in dem Papier zum Beispiel der „Austausch von Informationen zu Einsatzgebieten (…), in denen die Bundeswehr zukünftig voraussichtlich stärker gefordert sein wird“, und die gemeinsame „Auswertung von Erfahrungen“. Die Vereinbarung erlaubt GIZ-Mitarbeitern zudem, Feldpost, Psychologen, Geoinformationen und Sicherheitstrainings der Bundeswehr in Anspruch zu nehmen, sowie die Militär-Liegenschaften mitzubenutzen.

Umgekehrt soll die GIZ aber auch die Bundeswehr unterstützen, etwa beim „Management von Baumaßnahmen und Betrieb von Liegenschaften“, bei „Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen (…) zur Vorbereitung auf Auslandseinsätze“ und bei der „Erarbeitung von Analysen, Konzepten und Strategien“ der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Die Kooperation verlängert sich alle zwei Jahre automatisch, wenn sie nicht gekündigt wird.

Mehrere Kasernen gebaut

Wie sich der Vertrag praktisch auswirkt, berichtet ein Insider dem Freitag: In Afghanistan hat die GIZ mehrere Gebäude für die Armee gebaut. Dazu zählen sechs Unterkünfte für Bundeswehrsoldaten und eine Leichenhalle in Kunduz, sowie sieben Gebäude in Taloqan: sechs Kasernen und einen Wirtschaftsbau, der als Kantine oder als Bunker genutzt werden kann.

Dort hat die GIZ für die Armee auch eine Brücke über den Fluss Kokcha gebaut, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Hänsel. Zudem habe die GIZ die „Errichtung der flexiblen Unterkünfte für ca. 1.300 Soldaten im Feldlager Camp Warehouse in Kabul und weitere Maßnahmen zur Herrichtung dieser Liegenschaft“ übernommen.

Dass die GIZ Kasernen in Afghanistan baut, ist selbst Aufsichtsratsmitgliedern der Organisation nicht bekannt. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Priska Hinz etwa weiß von nichts. Der Aufsichtsrat müsse einzelne Projekte „nicht absegnen“, erklärt sie. Das gehöre zum operativen Geschäft und sei Aufgabe des Vorstands.

Biete Aufstandsbekämpfung

In Afghanistan gibt es auch personelle Überschneidungen zwischen Bundeswehr und GIZ. Der Leiter der GIZ in Kunduz ist offenbar im Hauptberuf Bundeswehrsoldat. Er selbst will dazu zwar keine Stellung nehmen und auch die GIZ-Pressestelle gibt dazu keine Auskunft. In einer E-Mail-Signatur aus dem Jahr 2011 sind jedoch Funktionen sowohl bei der GIZ als auch beim Bundesverteidigungsministerium angegeben. Ein Bauunternehmer, der für die GIZ in Afghanistan tätig war, bestätigt die Doppelfunktion in Kunduz.

Ein anderer GIZ-Mitarbeiter zeigt sich auf seiner persönlichen Homepage in Bundeswehruniform und ist nach eigenen Angaben parallel als Reserveoffizier und für die GIZ tätig. Dabei widmet er sich dem „Erstellen von Fallstudien und Konfliktanalysen; Netzwerk- und Akteursanalysen sowie Vorbereitung und einsatzorientierter Ausbildung für Afghanistan“. Ein dritter GIZ-Mitarbeiter ist nach eigenen Angaben „Zeitsoldat/Reserveoffizier“ der Bundeswehr, war bei vier ISAF-Einsätzen dabei. Im Online-Karrierenetzwerk Xing schreibt er unter „Ich biete“: „Aufstandsbekämpfung“.

Bedenken im Ministerium

Auch in anderen Ländern hilft die GIZ der deutschen Armee. Laut Bundesregierung hat die Entwicklungsorganisation auch Bauprojekte „in den Feldlagern Prizren/Prizren Airfield im Kosovo sowie Rajlovac in Bosnien und Herzegowina gesteuert“. In Kolumbien beteiligen sich GIZ-Mitarbeiter am „Plan zur integralen Konsolidierung der Region La Macarena“ (PCIM). Dabei handelt es sich um eine Strategie zur Bekämpfung der marxistisch-gewalttätigen Guerillaorganisation FARC. Der PCIM wird von einer Stelle koordiniert, die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist, auch der Geheimdienst ist beteiligt.

Mehrere Entwicklungsorganisationen, darunter das bischöfliche Hilfswerk Misereor, legten im Herbst 2010 dem Entwicklungsministerium dringend nahe, den PCIM nicht zu unterstützen. FDP-Minister Dirk Niebel ignorierte das und sagte der kolumbianischen Regierung seine Unterstützung zu.

Dabei bestanden in Niebels Ministerium selbst Bedenken. In einem internen Vermerk des Südamerika-Referats, der dem Freitag ebenfalls vorliegt, heißt es, dass „die lokale Bevölkerung den PCIM eher als militärisches denn als ziviles Programm“ wahrnehme. Das Ansehen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit „könnte durch die Assoziierung mit den Sicherheitskräften leiden“. Zudem fürchteten deutsche NGOs in Kolumbien, dass sie „zum Ziel illegaler Akteure werden könnten“.

"Oberhoheit des militärischen Interesses"

Viele Nichtregierungsorganisationen bekommen Geld vom Entwicklungsministerium und sind daher in ihrer Kritik zurückhaltend. Es gibt jedoch auch welche, die sich ihren Mund nicht verbieten lassen wollen. Die Hilfsorganisation Medico International etwa hat die zivil-militärische Zusammenarbeit von Anfang an kritisiert. „Die entwicklungspolitischen Projekte der Bundesregierung stehen dann notgedrungen unter der Oberhoheit des militärischen Interesses“, sagt Katja Maurer von Medico. „Die sollen gute Stimmung schaffen bei der Bevölkerung.“

Letztlich werde durch die zivil-militärische Zusammenarbeit auch die Sicherheit von NGO-Mitarbeitern gefährdet. Seit dem ISAF-Einsatz in Afghanistan seien mehr Minenräumer getötet worden als vorher, „weil sie als Erfüllungsgehilfen der Interventionsarmeen angesehen werden“, sagt Maurer. Medico erhält Geld vom Auswärtigen Amt und unterstützt damit Minenräum-Gruppen in Afghanistan.

GIZ sieht kein Problem

Auch im Umfeld des Entwicklungsministeriums sehen viele Fachleute die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr kritisch. Eine leitende Angestellte aus dem Zuständigkeitsbereich des Ministeriums und frühere Mitarbeiterin der GIZ sagt: „Es geht im Ministerium immer weniger um Armutsbekämpfung, sondern um wirtschaftliche und strategische Interessen Deutschlands. Viele Mitarbeiter warten nur noch auf den Regierungswechsel, um endlich wieder echte partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit leisten zu können.“

Die GIZ sieht kein Problem in der Kooperation mit der Bundeswehr in Afghanistan. „Die Aufgaben der GIZ und die der Bundeswehr sind verschieden. Aber beide zahlen auf die Sicherheit des Landes ein“, erklärt eine Sprecherin. Schwerpunkt der GIZ sei der zivile Wiederaufbau, die Erfolge würden „natürlich auch von der afghanischen Bevölkerung anerkannt“. Aber bei vielen GIZ-Mitarbeitern bleibt ein Unbehagen gegenüber der Militär-Kooperation.

Marvin Oppong schrieb im Freitag zuletzt über rassistische Kontrollen der Polizei

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