Pumps und Gummistiefel

Wahl in Bayern Gabriele Pauli macht jetzt Wahlkampf für die Freien Wähler - und hat reale Chancen

Die Schwarzer, die Nitribitt, die Garbo, die Dietrich, die Pauli! Plötzlich sind der Vorname und das "Frau" weg, der Name ist eine Marke geworden, mit einer Aura, einem Ruf, einem "Image". Der Markenname einer Frau, der wie von selbst Verachtung, Angst, Abscheu, Bewunderung und Liebe aufruft. Spätestens als Frau Dr. Gabriele M. Pauli - von Beckstein in einer früheren Stadium einst "die Gabi" benamst - für die hohen Herren der Freistaatspartei und damit für die bayerische Lokalpresse "die Pauli" geworden war, hatte sie für sich mehr erreicht, als eine bienenfleißige Provinzpolitikerin erreichen kann.

Einmal war sie 31 und jüngste Landrätin Deutschlands. Da erfreuten sich die Anzugs- und Verantwortungsträger der CSU noch an ihr und rechneten sich als Verdienst an, was aus ihrem muffigen, großsprecherischen wie kleinkrämerischen Männerbund, was aus einem Milieu, deren Leistungs- und Schönheitsbegriff Franz Josef Strauß verkörperte, zum Lichte streben konnte: hübsch, schnell im Denken, starkes Ego, helles Lachen und sich dabei voll im Klaren, was die Partei von ihr erwartet. Die bayerische Margot Feist! Augenschmaus und Seelentröster für den Funktionärsapparat.

Sie betreibt unauffällig solide Kommunalpolitik. "Was die Partei beschloss, wird sein": Aus dem Landkreis Fürth wird ein Parade-Stück modernes, kapitalistisches Bayern. Wirtschaftlich kann sich der Landkreis sehen lassen. Die Gabi reduziert die Schulden, bringt die Region nach vorne, schafft mehr Krippenplätze, kümmert sich um wirtschaftliche schwache Familien. Die Kaufkraft der Einwohner liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Das alles geschah unter dem väterlich wohlwollenden Blick von Günther Beckstein, dem Großmufti des Bezirks, einst Pauli-Duz-Freund. Zur Bayernwahl im September wird sie dem Ministerpräsidenten, der "die Pauli" zuletzt als Knallschote, als übergeschnapptes Funkenmariechen, als profilneurotischen Blaustrumpf und Verräterin am Bayerntum vorführte und auf Parteigelagen ausbuhen ließ, in Bayreuth-Nord den Sitz im Landtag streitig machen.

Die Königsmörderin

Zwischen Anfang und Ende dieser Geschichte lag die entscheidende Episode in Paulis Leben: Die Pauli hat den Stoiber gestürzt. Ohne sie wäre das Grummeln und Maulen über die Einparteienherrschaft der alten Männer nie laut geworden - nicht in Bayern! Wäre die Pauli nicht gewesen, müsste der Stoiber heute nicht jede Woche freudlos nach Brüssel fliegen, dort Mitarbeiter arrogant behandeln, sich weigern, etwas anderes als Bayerisch zu reden und an seinem Unglück nagen. Ohne sie wäre die CSU nicht in die tiefste Krise ihrer Existenz geraten, hätte den Faden nicht verloren und bis heute nicht wieder gefunden. Die Pauli!

Königsmord ist vielleicht abend-, aber nicht lebensfüllend. Um einer Schaffenskrise zu entgehen, genießen Königsmörder deshalb das Privileg, unter die Guillotine oder hinter Gitter zu kommen. Die Pauli aber irrlichterte umher. Sie ließ sich in Posen fotografieren die sie "glamourös" und "erotisch" nannte und auf denen sie, obwohl ganzflächig bekleidet, für die Bayern "nackerd" da stand. Sie tat das für den Feminismus in der CSU, für vergleichbare Anliegen flog sie im Ballon und rockte auf dem Motorrad. Die Sender füllten mit ihr kostengünstig Sendezeiten. Sie kandidierte gegen Beckstein um das Amt des Ministerpräsidenten. Kind einer Staatspartei, glaubte sie daran, dem Königsmörder gebühre die Krone und er (also sie) könne da weitermachen, wo der Gemeuchelte aufgehört hat. Sie wurde ausgelacht und vom Hof gejagt. Zuvor aber tat sie sich Schlimmes an: Sie suchte ein "Thema": Arm und reich? Energiepolitik? Verkehrspolitik? Bildungsfragen? Alles zu klein für Bayern und zu wenig "querschnittsmäßig" für die Pauli. Beckstein, fand sie heraus, wolle die Menschen nur verwalten, sie aber, die Pauli, wolle - Kind einer Staatspartei! - sie "glücklich machen". Und dann kam sie drauf: Die Ehe, dieses Martyrium, diese Geißel der Menschheit, sollte auf sieben Jahre befristet werden, damit die Menschen, nachdem sie die Pflicht der Zeugung und der Aufzucht absolviert haben, "glücklich werden".

Jetzt, nachdem sie das CSU-Parteibuch verloren (zurückgegeben) hat, nachdem sie in Dutzenden Interviews erklärt hat, dass sie im Prinzip "alles" werden könne, jetzt, da die Presse ihr vorgerechnet hat, dass sie, nunmehr 51, bis zu ihrem 62 Lebensjahr arbeiten müsse, bevor die landrätigen Pensionsansprüche greifen, jetzt ist sie bei Hubert Aiwanger und den Freien Wählern gelandet.

Rindvieh und Zuchtsauen

Hubert Aiwanger, Landwirt aus Rahstorf, Landkreis Landshut, wo es keine Straßennamen braucht, besitzt 20 Stück braun-weißes Fleckvieh, das er eigenhändig besamt. Rindvieh und die Zuchtsauen - das sind Aiwangers zwei Standbeine. Und ein schöner Hof, auf dem es Computerprogramme für die Fütterung der Kühe gibt. In Berlin war er seit seiner Schulzeit nicht mehr, Urlaubsreisen unternimmt er keine und am liebsten - "das ist mein Leben!" - erschießt er tatgemeinschaftlich mit seinem Vater Tiere in Forst und Tann. Aiwanger ist Landeschef der Freien Wähler, die bei den Landtagswahlen der CSU sieben Prozent abnehmen könnten, sieben Prozent, die aus dem Einparteiensystem so etwas wie eine Demokratie machen würden. Sein Verein wurde in den letzten Wochen oft belächelt, denn außer dem Trauma CSU hält ihn nichts zusammen. Leute, die Freie Wähler wählen, wollen endlich auch einmal einem Filz zugehören.

"Frau Pauli bringt natürlich ein immenses Medienecho", sagt Aiwanger. Die Pauli - das ist für ihn "der Pauli-Faktor". Eine Skandalnudel zum Wählen für die Spaßgesellschaft in den größeren Städten, während man auf dem Lande, also da, wo Aiwanger zu Hause ist "auch alleine punkten" könne.

Es scheint, als habe sich die Pauli dem Aiwanger regelrecht an den Hals geschmissen. Frau sucht Bauer. "Muss ja nicht immer Liebe auf den ersten Blick sein", lässt er brummig die Presse wissen, die fragt, ob das "was Festes" ist mit der Pauli. Ob sie denn wie er, Aiwanger, richtig anpacken könne, ja wenigstens die roten Pumps mit Gummistiefeln tauschen wird - da ist er sich nicht sicher. Es hat "bei den Freien" viele Austritte gegeben wegen ihr. Sie ist bei der Basis schwer vermittelbar, auch auf den zweiten Blick. Vorerst wäre der Hubert schon froh, wenn sie nicht den Fraktionsvorsitz anstrebe. Aber wenn sie wirklich dem Beckstein eine verplätten würde - das wäre schon was. Die Pauli hat inzwischen auch programmatisch mächtig zugelegt. Sie will "in Bayern Bewegung reinkriegen", den bayerischen Ministerpräsidenten und den deutschen Bundespräsidenten direkt wählen lassen - und die Menschen glücklich machen. Ein bisschen verrückt vielleicht für Bayern und für Hubert Aiwanger, die Pauli. Alles in allem jedoch eine gute Partie.

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