Das braune Senioren-Stift

ZWISCHEN KURIOSITÄTENKABINETT UND VOLKSVERHETZUNG Am Starnberger See wohnen nicht nur Maffay oder Lauterbach, sondern inzwischen auch die alternden Stars der rechtsextremen Propaganda. Einer davon ist Alfred Mechtersheimer

Idyllen trügen gerne mal. Zum Beispiel so: Jollen mit weißen Segeln kreuzen auf dem in der Sonne glitzernden Wasser. An den Hängen der Seeufer hat sich das Laub herbstlich verfärbt. Ganz hinten im Süden erhebt sich das schon verschneite Massiv der Zugspitze. Wunderbar ist das alles zu sehen von der Seepromenade Starnbergs, einer Kreisstadt mit gut 20.000 Einwohnern, darunter überdurchschnittlich viele Millionäre. Rund um den See wohnen Prominente wie Jürgen Fliege, Heiner Lauterbach und Peter Maffay - nur eine halbe Stunde Fahrt mit der S-Bahn von München entfernt - in einer wunderschönen Landschaft, in einem Bilderbuch-Bayern. Doch die politische Topografie weist einige braune Flecken auf.

Im Fünfseenland tummeln sich geradezu die intellektuellen Köpfe der nationalistischen und rechtsextremistischen Szene. Einige davon beobachtet der Bayerische Verfassungsschutz schon seit Jahren. Von einem "intellektuellen Kleinzentrum in der bundesdeutschen rechtsextremistischen Verlags- und Medienlandschaft" spricht angesichts der Aktivitäten am Starnberger See und am benachbarten Ammersee Franz Gruber vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Zwei Verlage tauchen in den Jahresberichten regelmäßig auf: die Verlagsgemeinschaft Berg und der "Freundeskreis Ulrich von Hutten". Von Alfred Mechtersheimer, der von Starnberg aus zusammen mit Leuten aus dem Dunstkreis von Republikanern und DVU eine "Deutsche Aufbau-Organisation" (DAO) schmiedet, war darin allerdings bis heute noch nicht die Rede.

Der eine Verlag im Visier der Verfassungsschützer hat seinen Sitz in Berg am Ostufer des Sees, einst Wohnsitz von Oskar Maria Graf. Das Programm des Verlegers Gert Sudholt und seiner Frau Linda ist breit sortiert: NS-Hitlerforschung, Waffen-SS, HJ und BDM sind die Themen. David Irving schreibt über Hermann Göring, eine Biografie über Hitler-Berater Alfred Jodl und ein Buch mit dem Titel "Schluß mit dem deutschen Selbsthaß" werden angeboten. Beim Vermarkten der Literatur über deutsche Vergangenheit gelingt nicht immer die Gratwanderung, gerade noch im Bereich des gesetzlich Erlaubten zu bleiben. Der 57-jährige Sudholt, Ziehsohn des stellvertretenden NSDAP-Reichspressechefs Helmut Sündermann, saß schon einmal in Haft und wurde im vergangenen Jahr wegen Volksverhetzung verurteilt. Er hatte ein Buch mit antisemitischem Inhalt zum Verkauf angeboten. Der Wiederholungstäter kam jedoch mit einer Bewährungsstrafe beim Amtsgericht in Starnberg glimpflich davon. Ansonsten wird Sudholt in seinem Wohnort öffentlich kaum wahrgenommen. Nur seine Nachbarn ärgern sich über die Lastwagen der Lieferanten, die an manchen Tagen bis zu dreimal am Garten vorbei fahren. Denn das Geschäft mit brauner Literatur boomt.

In Starnberg wiederum hat der "Freundeskreis Ulrich von Hutten" seinen Sitz. Auch diese Vereinigung, welche die "Huttenbriefe für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht" publiziert, steht seit Jahren unter Beobachtung der Verfassungsschützer, weil in ihren Schriften das NS-Regime verharmlost wird und rassistische Thesen publiziert werden.

Eher eine Kuriosität kommt aus Tutzing am südlichen Ende des Sees: Norbert Schrepf bietet via Internet Figuren von Nazi-Größen an, unter anderem Hitler, gehend, stehend und stillgestanden. Da dieses Angebot auch unter dem Stichwort "Braunau" auftaucht, wandte sich die österreichische Stadt an die Behörden mit der Forderung, ob derlei nicht unterbunden werden könnte. In der von Landwirtschaft geprägten Gegend im Süden des Ammersees - unweit der großen weißen Kugeln der Erdefunkstation in Raisting - ist in Pähl der Verlag "Hohe Warte" angesiedelt, der von dem mittlerweile 90-jährigen Franz Freiherr Karg von Bebenburg geleitet wird und zweimal pro Monat die Publikation "Mensch und Maß" herausgibt. In der Festschrift zum Geburtstag des Jubilars ging es unter anderem um die Philosophie Mathilde Ludendorffs. Wohl eher was für Veteranen, die gerne von großen vergangenen Tagen schwärmen.

Ganz anders ist das beim ehemaligen Bundeswehr-Oberstleutnant Mechtersheimer, der einmal einer der wichtigsten Repräsentanten in der Friedensbewegung war. In den achtziger Jahren leitete er das Starnberger "Forschungsinstitut für Friedenspolitik". Mittlerweile ist der frühere pazifistische Cheftheoretiker im politischen Spektrum ganz weit nach rechts gedriftet. Und er ist wieder ein vielbeschäftigter Mann, der sich keine Pause gönnt. Während des Essens im Stehimbiss einer Metzgerei, wenn er nicht gestört wird und per Handy Mitarbeitern Anweisungen geben muss, vertieft er sich gerne in die Lektüre der taz. Im Juni hat er an der ersten bundesweiten Konferenz der DAO in Fulda teilgenommen. Diese Organisation hat nach eigenen Angaben zum Ziel, eine "starke Partei" aufzubauen, die den "Willen des deutschen Volkes" entschlossen vertritt, und sie sorgt sich um die "Zukunft des Deutschen Vaterlandes". Mechtersheimer legt großen Wert darauf, als Pazifist bezeichnet zu werden, verwahrt sich dagegen, mit gewaltbereiten Rechtsextremisten in einen Topf geworfen zu werden und droht doch gleichzeitig in einer seiner Publikationen: "Wenn die Politiker nicht mehr weiter wissen, muss das Volk aktiv werden. Deshalb ist eine nationale Erneuerung von unten notwendig. Wir wollen den Satz im Grundgesetz ›Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus‹ endlich mit Leben erfüllen."

Auch in der streng nationalistischen "Deutschland-Bewegung" mit Sitz in Starnberg und Berlin ist Mechtersheimer, der sich immer noch als "Friedensforscher" bezeichnet, einer der führenden Köpfe. Er und einige Sympathisanten sind an einem Sonntag Ende Oktober mit Flugblättern und Transparenten nach Tutzing zum Demonstrieren gegangen. Anlass war eine Podiumsdiskussion der Evangelischen Akademie mit dem Thema "Rechts schwenkt Marsch - Gemeinsam gegen Rassismus und Fremdenhass". Auf dem Podium saßen unter anderem der Bayerische Innenminister Günther Beckstein, PEN-Generalsekretär Johano Strasser und Michel Friedman, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das war zu viel für die Deutschlandbewegten. "Für Demokratie gegen Gesinnungsterror" und "Gesicht zeigen gegen Heuchelei und Intoleranz" hatten sie auf ihre Demotafeln gemalt. Das mit dem Gesicht-Zeigen war wohl nicht ganz wörtlich zu nehmen. Eine Pressefotografin wurde von den Rechten aufgefordert, bestimmte Bilder in ihrer Digital-Kamera zu löschen.

Mechtersheimer hätte es sowohl geographisch als auch politisch nicht weit nach Gräfelfing und nach Pasing im Südwesten Münchens. Dort hat der DVU-Chef Gerhard Frey seinen Wohnsitz und seinen Verlag. Mittelbare Kontakte gibt es ja schon. Denn im Sprecherkreis der DAO sitzt neben Mechtersheimer und dem ehemaligen Republikaner-Funktionär Harald Neubauer auch die frühere DVU-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Claudia Wiechmann.

Und noch ein Beispiel für Kontaktpflege in Alpenländern: Den CSU-Landtagsabgeordneten Klaus Gröber aus Berg haben auch Proteste aus den eigenen Reihen nicht davon abgebracht, den FPÖ-Spitzenpolitiker Thomas Prinzhorn zu sich in den Wahlkreis am Starnberger See einzuladen. Der Veranstaltungstermin war schon für den September angesetzt, wurde dann aber zunächst verschoben. Gröber wiederum war bereits in Wien und hat nach dem Besuch geschwärmt von den interessanten Gesprächen dort. Das passt dann auch wieder schön zu einem Werbebanner auf einer Internetseite der "Deutschland-Bewegung" Mechtersheimers, wo es heißt: "Jetzt erst recht - Urlaub in Österreich". Gröber, Mechtersheimer, Sudholt und Co. haben viel zu tun, während nach den Anschlägen auf Synagogen in Politik und Talkshowrunden wieder eifrig gerätselt wird, was gegen den Rechtsradikalismus in Deutschland zu unternehmen sei.

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