In den Ferien zum Onkel? Sonst noch was! Aber die Mutter, Nervensäge mit ständig abrufbarem Fürsorgereflex, alleinerziehend, und das Anfang Anfang der fünfziger Jahre, gibt dann doch nach. Katharina, 11, hat sich die Ferien samt Reise so trotzig wie listig regelrecht erhustet. Im Zug kommt Elke Heidenreichs Geschichte ebenso listig in Fahrt.
Im Abteil nämlich trifft Katharina eine Frau namens Roswitha Gansauge: "...über den Namen musst du keine Witze machen, ich kenne jeden Witz, den man mit Gansauge machen kann. Ich kann auf dem Kopf stehen und mit den Beinen wackeln, was ich aber selten zeige, weil es in meinem Alter nicht mehr gut aussieht, und ich kann die Tiersprache, was mir niemand glaubt, aber wahr ist es doch, oder, Gustavo?"
Gustavo ist Roswithas kleiner gelbschwarzer Hund, der aus Spanien stammt. Schon bald unterhält sich Katharina blendend mit ihm. Wie mit den Tieren des Onkels - Hund, Katze, Hahn, Esel, zwei Ziegen - später auch. Sie kann nämlich auch die Tiersprache. Hatte bloß bisher sehr wenig Kontakte zu Tieren. Hund oder Katze zu Hause? Sonst noch was!
Katharinas Onkel, Bruder der Mutter, LKW-Fahrer von Beruf, hat bis kurzem im Haushalt seiner Schwester gelebt, die ihm regelmäßig seine Zigarren, Schnäpschen und Damenbekanntschaften vorhielt. Sonst noch was! Mit dem Geld aus einem Lottogewinn hat er sich einen Traum erfüllt und einen kleinen Bauernhof gekauft. Hier ist gut Ferien machen. Mit dem Onkel wandern, stundenlang auf der Wiese hinterm Haus liegen und mit der Katze Bella und dem Hund namens Hund schwatzen, der ihr von seinem Rheuma erzählt; von den Apfel-, Speck- und Leineweberpfannkuchen gar nicht zu reden. Sogar der Mutter, die Katharina wieder abholen kommt, gefällt es hier. Und Roswitha Gansauge so gut, dass sie und der Onkel gleich heiraten.
Eine kleine, einfache Geschichte, aus dem (Familien-) Leben zwischen Ruhrpott und Westerwald gegriffen und gespeist aus eigener Erinnerung (das Buch hat sie ihrer inzwischen verstorbenen Mutter gewidmet), erzählt uns Elke Heidenreich, Anfang der fünfziger Jahre so alt wie ihre Heldin Katharina, in ihrem neuen Buch. Und ein kleiner, einfacher Dreh gibt dieser Miniatur nach Kinderart und -fantasie jenen kleinen magischen Kick, der - nicht nur in der Erinnerung - die Kindheit allen Nöten und Ängsten zum Trotz durchwirkt. Das macht, ganz unprätentiös und von pointierter Selbstverständlichkeit, nicht ohne ein bisschen Trauer um das Verlorene, ihr Besonderes aus. Wozu die ganzseitigen Bilder Bernd Pfarrs mit ihren cartoonigen Figuren und ihren müden Farben die nicht minder verspielte Ergänzung abgeben.
Elke Heidenreich, Bernd Pfarr: Sonst noch was. Hanser, München 1999. 48 Seiten, DM 24,-
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