Dass diese Zeitung seit einiger Zeit aus Ersparnisgründen kein Erotik-Ressort mehr unterhält und auch lt. Eigenaussage angeblich nicht mehr benötige, nagt an unserer Berufsehre, die ja zu gut hundert Prozent kongruent mit tiefster Überzeugung ist. Wer sonst risse der schweigenden Mehrheit denn die Maske intersexueller Verklemmtheit vom Gesicht?
Wir schleichen also zur besten Herbstzeit ohne offiziellen Auftrag in den großen Presseshop am Leipziger Hauptbahnhof, gleich gegenüber vom Bahnsteig 3. Zielsicher haben wir das Regal mit den Heftchen angepeilt und einen Riesenstapel kursorisch heraus gegriffelt. Wir haben ihn mit leuchtenden Augen fix zur Kasse abgeschleppt und laut und vernehmlich (der Laden ist rammelvoll) um ein Beratungsgespräch ersucht. Was die Fachverkäuferin denn so empfehlen könne. Doch die Dame extemporiert souverän: Milieutheoretisch on top und suggestopädisch auf höchstem Niveau defiguriert sie Piep!, Pfiff, Sexwoche und Das neue Wochenend, hat nur ein verächtliches Grinsen für Blitz Illu, Jungle World und Praline und umreißt die narrativen Qualitäten von Coupé in ihrer kathedralischen Klarheit. Mit wissendem Augenzwinkern verweist sie auf die daseinsgeworfenen Erfahrungsberichte, die luminösen Witzseiten und liefert einen germanistisch hochambitionierten Abriss der lichtstrahlend transparenten Diktion dieses Heftchens mit. Eine Heldin, wohl.
Schon schalten sich Passanten mit verzwickten Fragen ein. Ein Wort ergibt das andere, es werden die ersten Bekanntschaften geschlossen, gemeinsame und unterschiedliche Vorlieben diskutiert und Erfrischungen gereicht. Schampus-Stimmung!
Da haben wir ja was schönes angerichtet. Leise stehlen wir uns davon, mit der Einsicht gesegnet: in der Heldenstadt werden wir nicht mehr benötigt. Außerdem loben wir Besonnenheit und Weitsicht der Redaktionsleitung.