Feldzug auf den Rechnern

Bundeswehr Der Armee fehlt der Nachwuchs. Also wirbt sie dort, wo sich junge Menschen tummeln: im Netz, mit Youtube, Facebook und eigenen Foren. Doch die Web-Offensive ist umstritten

"Taliban töten“, „Afghanistan killing“ oder auch „Zivilisten töten in Afghanistan“: Wer bei You­tube nach einer dieser Wortkombinationen gesucht hat, bekam noch vor wenigen Wochen Werbung der Bundeswehr zu sehen. Die Armee hatte sich bei der populären Videoplattform für rund eine Million Euro entsprechende „AdWords“-Werbung gekauft: Tippt man bestimmte Wörter in die Suchmaske ein, erscheint als erstes Suchergebnis ein Werbevideo. Eigentlich eine kluge Idee, hätte die Armee nur die richtigen Suchwörter gekauft.

Um solche Missgeschicke im Netz zukünftig zu vermeiden, hat die Bundeswehr im Juni zum zweiten Mal den Kongress „Govermedia“ veranstaltet – an der Armee-eigenen „Akademie für Information und Kommunikation“ (AIK) in Strausberg. Militärs trafen auf Medienexperten, um sich über aktuelle Trends im Internet zu informieren. Auch Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl gab der Bundeswehr bereitwillig Nachhilfe-Unterricht. Fazit der Konferenz: Die Armee hat große Defizite, wenn es darum geht, das Internet für Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchsgewinnung zu nutzen. Zu wenig Zeit, zu wenig Personal, zu wenig Geld. Jetzt soll radikal gegengesteuert werden. Schließlich müssen nach dem Ende der Wehrpflicht Freiwillige geworben werden – und die Auslandseinsätze machen die Bundeswehr als Arbeitgeberin auch nicht gerade attraktiver.

Einseitige Videos

Nun beginnt die große Web-Offensive: Seit Anfang Juli ist klar, dass die Bielefelder Werbeagentur „Pixelpark“ ein neues Kommunikationskonzept für Bundeswehr und Verteidigungsministerium erstellen soll. Neben den offiziellen Internetseiten sollen auch die Auftritte in sozialen Medien wie Facebook neu gestaltet werden. „Mit dem Konzept von Pixelpark legen wir den Grundstein für eine dialogorientiertere und verbesserte bürgernahe Kommunikation über alle heute relevanten Kanäle“, sagt Jörg Jacobs von der AIK der Bundeswehr.

Bereits auf der ersten „Govermedia“ im letzten Sommer hat sich die Bundeswehr fit gemacht für die Generation Internet. Nach der Veranstaltung stieg die Armee bei Youtube ein – mit einem so genannten „Premium-Channel“. Claudia Nussbauer, Sprecherin des Verteidigungsministeriums, beschreibt die Ziele: „Wir wollen den Bürgern einen Einblick in die tägliche Arbeitswelt der Soldaten und zivilen Angestellten der Bundeswehr ermöglichen und zeigen, dass die Bundeswehr eine moderne, leistungsstarke und zukunftsorientierte Organisation ist, die als Arbeitgeber attraktive berufliche Chancen und Möglichkeiten bietet.“ Dementsprechend einseitig sind die Videos. Zwar finden sich unter den hunderten Clips auch Berichte von Auslandseinsätzen, umfassende oder gar kritische Kurzfilme fehlen aber.


Das Bespielen des Youtube-Kanals ist auch aus einem anderen Grund umstritten: Die Leitung hat nämlich das Armee-Fernsehen BundeswehrTV (bwTV); die politische Richtung des Senders gibt das Verteidigungsministerium vor. Zahlreiche Youtube-Videos wurden von bwTV produziert, obwohl Rundfunk einer staatlichen Behörde in Deutschland verboten ist. BundeswehrTV kann deswegen in Kasernen auch nur über spezielle Decoder empfangen werden. Beim Youtube-Kanal der Bundeswehr ist alles öffentlich – über 16.000 Menschen haben die Videos abonniert.

Auch nach der diesjährigen „Govermedia“ hat die Bundeswehr gelernt: Seit wenigen Tagen ist die Armee offiziell bei Facebook unterwegs. Zwar gibt es in dem sozialen Netzwerk bereits seit längerer Zeit www.facebook.com/Bundeswehr, eine Seite mit über 30.000 Fans. Diese wird jedoch von Privatleuten geführt. Die Betreiber boten der Bundeswehr die Übernahme an – doch die lehnte ab. Warum? Unklar. Stattdessen erstellten die Bundeswehr-Werber eine neue Seite. Nun beantworten Wehrdienstberater die Fragen der Facebook-Nutzer über Laufbahnen in der Bundeswehr.

Kritik von "Terre des hommes"

Im Zwitschern ist die Bundeswehr auch nicht besonders kreativ: Bei Twitter verweist die Armee auf neue Artikel der Bundeswehr-Website. Dazu noch der passende Link – fertig ist die Kurznachricht.

Für die Nachwuchsrekrutierung betreibt die Bundeswehr schon länger die Internetseite www.treff.bundeswehr.de. Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren. Weil das Militär hier Minderjährige anwirbt, ist die Website Kinderrechtlern schon lange ein Dorn im Auge. „Dass sich die Website explizit an unter 18-Jährige richtet, ist nicht in Ordnung“, sagt Athanasios Melisses von „Terre des hommes“.

Alle Infos zur Rekrutierung

Die bunte Seite bietet vor allem Unterhaltung: Spiele, Handy-Logos, Bildschirmschoner. Außerdem kann man sich bequem die neuesten Militärposter und die Armee-Jugendzeitung „infopost“ bestellen – alles kostenlos, bezahlt aus Steuergeldern.

Daneben gibt es auf der Seite eine eigene Online-Community mit 30.000 Mitgliedern. Wer dort angemeldet ist, kann in nach außen geschlossenen Foren über die Bundeswehr und ihre Einsätze diskutieren. Wehrdienstberater und andere Bundeswehr-Angestellte greifen jedoch immer wieder ein und bestimmen so meist den Verlauf der Diskussionen.

Um in die Community aufgenommen zu werden, muss man für die Bundeswehr als potentieller Soldat interessant sein. Wer älter als 21 Jahre ist, darf nicht rein. Außerdem wird in dem Beitrittsformular neben Name und Adresse auch die Staatsangehörigkeit, der „angestrebte oder erreichte Schulabschluss“ und das voraussichtliche Ausbildungsende abgefragt – eben alles, was die Bundeswehr später zur Rekrutierung der jungen Leute wissen muss.

"Die Bundeswehr wirbt immer für Krieg"

Für die Älteren gibt es weniger Unterhaltung, dafür mehr Informationen über Laufbahnen beim Militär. Die Website www.bundeswehr-karriere.de vom Personalamt der Armee richtet sich an junge Erwachsene bis zum Alter von 25 Jahren. Über die Seite lässt sich direkt Kontakt zum nächsten Wehrdienstberater herstellen.

Das Internet wird das nächste Schlachtfeld der Bundeswehr. Die Armee wird in Zukunft verstärkt dort werben, wo sich die Rekrutinnen und Rekruten von Morgen tummeln: im Netz. „Dass die Bundeswehr nun auch ins Internet einmarschiert, ist nur logisch“, sagt Ulla Jepke, Innenpolitikerin der Linkspartei. „Sie lauert Kindern und Jugendlichen überall dort auf, wo diese sich vorzugsweise aufhalten.“ Monty Schädel von der Deutschen Friedensgesellschaft warnt, man dürfe sich nicht von den Internetangeboten der Bundeswehr täuschen lassen, die Informationen dort seien „einseitige Propaganda“. „Die Bundeswehr gibt sich modern, aber letztlich wirbt sie immer für Krieg.“

Michael Schulze von Glaßer ist Journalist und Autor des Buchs An der Heimatfront (Papyrossa, 2010)

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