Als die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kurz nach ihrer Ernennung im Dezember zu den deutschen Truppen nach Afghanistan reiste, stand die CDU-Politikerin den Journalisten für viele Fragen und Bilder zur Verfügung. Sie ließ sich vor Hubschraubern und Panzern fotografieren und erklärte, dass der Schutz der Bundeswehrsoldaten oberste Priorität habe. Nur um ein Waffensystem machte die Ministerin einen weiten Bogen: die Drohne vom Typ „Heron“. Von der Leyen wollte auch keine Fragen zur Anschaffung unbemannter Luftfahrzeuge beantworten. Das Thema ist heikel: Schon vor dem über 500 Millionen Euro teuren „EuroHawk“-Debakel stand die deutsche Bevölkerung der Anschaffung von Drohnen skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Die neue Regierungskoalition ist daher bei offiziellen Verlautbarungen sehr vorsichtig geworden. Doch hinter den Kulissen wird mit Hochdruck daran gearbeitet, der deutschen Armee nicht nur Überwachungs-, sondern sogar Kampfdrohnen zur Verfügung zu stellen. Die Rüstungsindustrie forscht an den neuen Waffen, zusammen mit Universitäten, großzügig finanziert mit deutschen Steuergeldern. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende wurde das Drohnen-Thema zu Gunsten des Ukraine-Konflikts zwar von der Tagesordnung genommen; man kann aber getrost davon ausgehen, dass die hochrangigen Militärs und Rüstungslobbyisten in den Hinterzimmern durchaus über die Zukunft der Drohnen reden werden.
Munition ist schnell beschafft
In Deutschland haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen: „Vor einer Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig prüfen. Dies gilt insbesondere für neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben.“
Verteidigungsministerin von der Leyen betonte vor wenigen Tagen nochmal den sensiblen Umgang mit dem Thema: „Es wäre falsch, das Unbehagen der Bevölkerung gegenüber unbemannten Waffensystemen einfach zu ignorieren.“ SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier verkündete vor seiner Ernennung zum Außenminister sogar, dass es in dieser Legislaturperiode keine Entscheidung über den Kauf bewaffneter Drohnen geben werde. Und auch das Verteidigungsministerium spricht momentan davon, dass in diesem Jahr nur über die Beschaffung unbewaffneter Aufklärungsdrohnen entschieden werde. Sind Kampfdrohnen also vom Tisch?
Nein, meint der Politikwissenschaftler Thomas Mickan von der militärkritischen Nichtregierungsorganisation „Informationsstelle Militarisierung“. „Um das Thema politisch konsensfähig zu machen, schafft man zunächst unbewaffnete Drohnen zu Aufklärungszwecken an, die aber innerhalb kürzester Zeit bewaffnet werden können.“ Beispielsweise habe die niederländische Armee gerade die Beschaffung von vier unbewaffneten „General Atomics“ MQ-9-Drohnen beschlossen. Die MQ-9, die den Beinnamen „Reaper“ („Sensenmann“) trägt, wird von der US-Armee schon lange mit Waffen bestückt und gegen Islamisten in Afghanistan und Pakistan eingesetzt. Dabei sterben auch immer wieder Zivilisten.
Der Verkauf von drei unbewaffneten MQ-9-Drohnen nach Deutschland – samt den dazu gehörigen Bodenstationen – wurde vom US-Kongress bereits im Frühjahr 2013 genehmigt. Der Kaufpreis soll sich auf 223 Millionen Euro belaufen. Die Bundesregierung muss nur noch zusagen. „Das wäre quasi der Kauf einer Kampfdrohne ohne Munition – aber Munition ist schnell beschafft“, erklärt Drohnen-Experte Mickan.
Es gibt für die Bundeswehr aber noch einen anderen Weg zur Kampfdrohne: „Viele Rüstungsunternehmen forschen gerade in Zusammenarbeit mit Universitäten an unbemannten Luftfahrzeugen“, sagt Mickan, der die Ergebnisse seiner Recherchen vor kurzem in einen „Drohnen-Forschungsatlas“ zusammengefasst hat. Über die Hochschulen beteiligt sich auch der deutsche Staat an der Finanzierung, die Summen sind nicht öffentlich bekannt. Ein Beispiel: In Manching bei München entwickelt die „Airbus“-Tochter „Cassidian“ gerade eine Drohne mit der Bezeichnung „Sagitta“. Die ersten Flüge des unbemannten Flugzeugs sind für 2015 geplant. Im Jahr 2006 hob bereits die „Cassidian“-Drohne „Barracuda“ zu ersten Testflügen ab. Das Gerät trug bereits das Logo der Bundeswehr.
Deutsche Militärs machen bereits Druck: In Interviews sprachen sich der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, der Wehrbeauftragte und der kommandierende deutsche General in Nordafghanistan für eine schnelle Beschaffung von Kampfdrohnen aus. Diese könnten die eigenen Truppen im Einsatz begleiten und in Notsituationen sofort eingreifen. Die Frage, ob die Bundeswehr Kampfdrohnen anschaffen soll, ist somit auch eine nach zukünftigen Auslandseinsätzen: Bewaffnete Drohnen helfen bei Militärinterventionen, für die Verteidigung des Bundesgebiets sind sie nicht geeignet.
Friedensbewegung mobilisiert
Selbst wenn die Bundesregierung neue Groß-Drohnen beschaffen würde, bleiben Probleme mit der Zulassung: Die „EuroHawk“-Drohne ist am fehlenden Kollisionsschutz gescheitert. Nun versuchen Rüstungsindustrie und Bundeswehr das Problem kreativ zu lösen: „Es gibt Konzepte, die vorsehen, dass große Drohnen der Bundeswehr gar nicht in Deutschland stationiert werden“, berichtet Thomas Mickan. Die Piloten würden schon heute oft im befreundeten Ausland ausgebildet, etwa in den USA oder in Israel. Wären die Drohnen im Ausland stationiert, würde man die Zulassungsproblematik umgehen. Offen hingegen bleibt die Frage, warum Drohnen im deutschen Luftraum zu gefährlich sind, ihr Einsatz in anderen Ländern aber in Ordnung sein soll.
Mittlerweile ist das Thema auch in der deutschen Friedensbewegung angekommen. Aktivisten haben sich bundesweit organisiert und eine Kampagne gegen Drohnen gestartet. Sie sammeln Unterschriften gegen Kampfdrohnen, veranstalten Informationsabende und andere Aktionen. Im Dezember protestierten die Militärkritiker vor dem „AfriCom“, dem für Afrika zuständigen Regionalkommando der US-Armee in Stuttgart, welches die Drohnenangriffe auf dem Kontinent koordiniert. Unterstützt wurden die Aktivisten dabei von der US-Autorin Medea Benjamin, die ihr gerade in Deutschland veröffentlichtes Buch „Drohnen-Krieg“ vorstellte. Auch zu niederländischen und britischen Anti-Drohnen-Aktivisten haben die deutschen Friedensbewegten Kontakt. Im Oktober soll es einen bundesweiten Aktionstag geben.
Auch wenn die Anti-Drohnen-Bewegung noch am Anfang steht: Die Militärkritiker haben oft Grund zur Freude. Denn die bislang angeschafften Bundeswehr-Drohnen stürzen immer wieder ab, werden zerstört oder vermisst. Bislang trifft das auf jede sechste Drohne zu. Unter den Verlusten sind auch alle drei ursprünglich von der Bundeswehr für den Einsatz in Afghanistan geleasten „Heron“-Drohnen. Die Bundeswehr beschaffte danach neue „Heron“-Drohnen. Der Leasingvertrag für diese Pannendrohnen wurde übrigens gerade bis April 2015 verlängert. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb sich Ursula von der Leyen bei ihrem Afghanistanbesuch im Dezember nicht mit der Drohne ablichten lassen wollte.
Michael Schulze von Glaßer schreibt für den Freitag vor allem über Krieg und Militär
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