Nachschub- und Transporttruppe

Unterstützung Der ARD Kunduz-Film "Eine mörderische Entscheidung" kam ohne Förderung durch die Bundeswehr aus. Für ihm genehme Werke engagiert sich das deutsche Militär durchaus
Ausgabe 36/2013
Volles Rohr: Die Bundeswehr unterstützt Filme in ihrem Sinne mit Gerät
Volles Rohr: Die Bundeswehr unterstützt Filme in ihrem Sinne mit Gerät

Foto: Alexandr Kryazhev/ dpa

Egal ob in Büchern, Videospielen oder Filmen: Seit die Bundeswehr in immer mehr Auslandseinsätze zieht, wird sie auch in Unterhaltungsmedien thematisiert. So kürzlich in Hannah und Raymond Leys ARD-Doku-Drama Eine mörderische Entscheidung (Freitag vom 29. August). Darin wurde der von Bundeswehr-Oberst Klein am 4. September 2009 befohlene Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe der afghanischen Stadt Kunduz thematisiert; bei dem Angriff wurden etwa 140 Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten und Kinder getötet und verletzt. Einen solchen Film ohne Unterstützung der Bundeswehr zu produzieren ist nicht einfach: Wie kommt man an Militär-Fahrzeuge, die durch das Bild fahren? Wie ahmen die Schauspieler das Verhalten von Soldaten im Einsatz richtig nach?

Um solche Fragen zu klären greifen Filmproduzenten auf Unterstützung durch die Bundeswehr zurück. Im Jahr 2011 hat die deutsche Armee 127 Film- und Fernsehproduktionen unterstützt. Oft handelte es sich nur um fachliche Beratungen und Drehgenehmigungen, die von der Bundeswehr etwa für Dokumentationen oder Nachrichtensendungen erteilt wurden. In der Vergangenheit gab es aber auch andere Formen des medialen Beistands durch die Bundeswehr.

Im November 2007 lief etwa der von der Bundeswehr unterstützte Film Mörderischer Frieden – Snipers Valley des deutschen Regisseurs Rudolf Schweiger bundesweit in den Kinos an. Da die Bundeswehr den Film laut einer Kleinen Bundestagsanfrage „als förderlich für die Darstellung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit bewertet“, gab es umfangreiche staatliche Beihilfen. Neben einer militärfachlichen Beratung wurden Regisseur Schweiger zwei Recherchereisen in den Kosovo gewährt, wo er auf Routineflüge der deutschen Armee mitgenommen wurde. Außerdem stellte die Bundeswehr für den Film Rad- und Kettenfahrzeuge zur Verfügung. In dem Film retten deutsche Soldaten bei einem Angriff auf einen Checkpoint eine junge Serbin. Es folgt eine Liebesbeziehung und die Jagd nach den Drahtziehern des Angriffs.

Am Spielfilm Willkommen zu Hause wirkte die Bundeswehr ebenfalls mit. In der 2009 in der ARD ausgestrahlten SWR-Produktion geht es um einen deutschen Soldat, der nach seinem Afghanistan-Einsatz an einer „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS) leidet. Der Film verfolgte ein klar politisches Ziel: „Intensiv und realistisch thematisiert das Drama die Überforderung eines jungen Soldaten, dessen Psyche mit den Erlebnissen im Krisengebiet nicht fertig wird. Und die Überforderung seiner heimatlichen Umgebung, die in ihrer friedlichen Alltäglichkeit nicht damit rechnet, sich mit Kriegsfolgen auseinandersetzen zu müssen. Der Ort Deidesheim [in dem der Film spielt] wird damit zu einem Spiegel der bundesdeutschen Gesellschaft, die Strategien für die Integration von traumatisierten Soldaten entwickeln muss“, heißt es in der Pressemappe. In den Tagen nach der Ausstrahlung wurde PTBS bundesweit in den Medien thematisiert, der Bundestag beschloss die Einrichtung eines Zentrums zur Behandlung der psychischen Erkrankung für Soldaten.

Tag der geschlossenen Tür

Wie sehr Armee und Verteidigungsministerium bei der Entscheidung von Filmproduktionen auf den Inhalt der Filme achten, zeigt der Dokumentarfilm Der Tag des Spatzen von Philip Scheffner von 2010: Diesem Film wurde die Unterstützung nämlich verwehrt (Freitag 7/2010). Trotz monatelangem Kontakt und einem Treffen im Verteidigungsministerium in Bonn wollte die Bundeswehr dem kritischen Regisseur weder Interviews mit Militärangehörigen noch Dreherlaubnisse für Militärübungsplätze genehmigen: „Es wurde uns deutlich gemacht, dass die Bundeswehr nicht in unserem Film auftauchen wollte, wenn es um ihr eigenes Selbstverständnis und ihre eigene Arbeit ging“, erklärt Philip Scheffner die ablehnende Haltung der Militärs. Nicht mal an einem Tag der offenen Tür durfte der Dokumentarfilmer drehen: „Die Ablehnung kam von der übergeordneten, politisch denkenden Stelle.“ In Der Tag des Spatzen geht es um die Sichtbarkeit der deutschen Beteiligung an Kriegen wie etwa in Afghanistan und die Kritik an den Auslandseinsätzen. Das war den deutschen Militärs wohl zu kritisch.

Bei der Unterstützung von Filmproduktionen scheinen sich Bundeswehr und Verteidigungsministerium vor allem an ihren Pendants in den USA zu orientieren. Dort hilft das Militär nur bei Filmproduktionen, die ihm wohlgesonnen sind. Dafür lässt das US-Verteidigungsministerium auch schon mal Drehbücher umschreiben. Ein eigenes Büro in Hollywood kümmert sich mittlerweile um Anfragen von Filmproduzenten. Dabei kann heute kaum ein großes Filmprojekt, das aktuelle Militär-Einsätze thematisieren will, auf die Unterstützung des realen Militärs verzichten. Doch die Kooperation mit dem Militär geht mit Zensur einher. Bald auch in Deutschland?

Forderung nach Transparenz

Noch ist es nicht so weit. Der aktuelle Kunduz-Film Eine mörderische Entscheidung kam ohne Unterstützung durch die Bundeswehr zustande. Die hätte es wohl schon wegen des Titels nicht gegeben. Selbst für eine Stellungnahme war Bundeswehr-Oberst Georg Klein, der die „mörderische Entscheidung“ in Kunduz zu verantworten hatte und trotzdem kürzlich zum Brigadegeneral befördert wurde, laut NDR nicht bereit.

Die Gründe, warum die Bundeswehr zahlreiche Filmdrehs unterstützt, liegen auf der Hand. Zum einen können so junge Leute vom Dienst in der Armee überzeugt werden, zum anderen soll damit Zustimmung für die eigene Tätigkeit in der heimischen Bevölkerung hervorgerufen werden. Dabei scheint es vor allem für Filmproduktionen, die Armee und Regierung als nützlich erscheinen die Meinung der deutschen Bevölkerung in die gewünschte Richtung zu beeinflussen, Unterstützungsleistungen zu geben. Die Kosten für die sie beeinflussenden Filme tragen letztlich die Steuern zahlenden Bürger selbst. Genaue Angaben darüber werden abgelehnt mit dem Argument, dass Gerät und Personal sowieso zur Verfügung stünden.

Im Bundestag befasst sich vor allem Ulla Jelpke (Die Linke) mit den medialen Unterstützungen der deutschen Armee: „Die Unterstützung ihr wohlgesonnener Filmprojekte ist praktisch das Gegenstück zum ‚eingebetteten‘ Journalismus in den Kriegsgebieten.“ Die Armee erhoffe sich von den Filmen einen Werbeeffekt und täusche dabei das Publikum. Die Forderung der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion: „Die Unterstützung durch die Bundeswehr muss kenntlich gemacht werden.“

Michael Schulze von Glaßer beschäftigt sich vor allem mit der Bundeswehr und bloggt unter schulze-von-glasser.eu

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