Bieten die Verknappungspolitik der OPEC und die nach wie vor hohen Ölpreise die Chance zur klimaschutzpolitischen Wende? Gerade hat sich in Den Haag der UN-Umweltgipfel mit dem Klimaprotokoll von Kyoto beschäftigt. Es fordert von 38 Industrieländern, dass die Summe ihrer Treibhausgas-Emissionen zwischen 2008 und 2012 mindestens fünf Prozent unter der Quote von 1990 liegt. Die Knappheit fossiler Energieressourcen kann dabei als Katalysator wirken, wenn klimapolitisches Handeln sich nicht darauf reduziert, Symptome zu kurieren, ansonsten jedoch die freie Fahrt auf dem "Business-as-usual-Pfad" nicht zu stören.
Auf ihrer 107. Konferenz beschloss die OPEC im März 1999 in Wien, ihr Ölangebot ab 1. April 2001 um etwa neun Prozent zu kürzen. Dies geschah in A
kürzen. Dies geschah in Abstimmung mit den Nicht-OPEC-Staaten Mexiko, Russland, Norwegen und Oman, die sich ebenfalls zur Angebotskürzung verpflichtet hatten - ein Novum in der Geschichte der ölproduzierenden Staaten. Seither bewegt sich der Ölpreis - von gelegentlichen Schwankungen abgesehen - nach oben und steigt zuweilen deutlich über 30 Dollar/Barrel. Nimmt man den April 1999 zum Vergleich, dann kletterten die Preise auf dem Weltölmarkt inzwischen um über 300 Prozent. Ein Vorgang, der die ungeheure Spannung erkennen lässt, die zwischen einem marktmäßig erzielbaren Ölpreis und dem offensichtlich zu niedrigen Ölpreis von zehn US-Dollar bestanden hat. Die Märkte reagierten auf eine im Grunde geringfügige Angebotskürzung sehr elastisch. Binnen weniger Monate stiegen die Benzinpreise dank der OPEC-Verknappungspolitik um zirka 60 Pfennig/Liter. Dadurch wurde mit einem Schlag das erreicht und sogar überschritten, was die rot-grüne Bundesregierung erst nach zehn Jahren an höheren Preisen durch Ökosteuern erreichen wollte.Flächendeckende Wirkung hoher ÖlpreiseTatsächlich sind die ökologischen Lenkungseffekte der Angebotsverknappung über steigende Preise heute europaweit zu spüren. Spediteure befürchten massenhafte Konkurse, da die Wettbewerbsfähigkeit der Schienentransporte wieder zunehmen könnte, die Nachfrage nach Bahnreisen nimmt zu, und man fängt an, die Tatsache der Knappheit fossiler Energieressourcen wieder ernst zu nehmen. Die OPEC bedient sich des Instruments der Mengenverknappung freilich nicht aus Gründen des Klimaschutzes, sondern aus purem Eigeninteresse. Für den Klimaschutz sind jedoch die OPEC-Motive unerheblich. "Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie frisst Mäuse", sagte einst Chinas legendärer Wirtschaftsreformer Deng Xiao Ping.Die ökologischen Lenkungseffekte der Ölknappheitspreise sind flächendeckend, vermeiden Wettbewerbsverzerrungen und wirken selbst in einem Land wie den USA, in dem die Debatte um Ökosteuern aufgehört hat, bevor sie überhaupt in Gang kam. Durch ein global höheres Preisniveau nimmt die Wettbewerbsfähigkeit sowohl nationaler Konzepte zur Effizienzsteigerung wie auch der regenerativen Energietechnologien zu. Wird das Angebot in einem klimaschutzpolitisch erforderlichen Umfang verknappt und steigen Ölpreise dementsprechend auf ein höheres Niveau, dann können zusätzliche Subventionsprogramme und aufwendige ordnungspolitische Schutzmaßnahmen gänzlich entfallen. Globale Mengenverknappung und Ölknappheitspreise werden so zum wirksamsten Schutzschirm und Instrument für den Ausstieg aus fossilen Energien. Die Angebotsverknappungen der OPEC 1974 und 1979 haben in der Tat die Suche nach mehr Energieeffizienz und den Ausbau regenerativer Energietechnologien am wirkungsvollsten vorangetrieben.Wirtschaftswachstum stimuliert EnergieverbrauchKönnen aber Ökosteuern, das heißt im Klartext Preisaufschläge auf den fossilen Energieverbrauch, auf der Nachfrageseite die ökologische Lenkungsfunktion hoher Ölpreise ersetzen? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Länder wie Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Schweden und England, in denen seit 1993 Ökosteuern eingeführt wurden, verbrauchten in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht weniger fossile Energien und verzeichneten ähnliche Verbrauchssteigerungen wie Österreich, Belgien oder Italien, die bisher keine Ökosteuern kennen. Ökosteuern führen keineswegs automatisch zu einem gesenkten Kohlendioxydausstoß, selbst wenn sie um ein Mehrfaches höher wären als die gegenwärtigen Preisaufschläge von sechs Pfennig/Liter Benzin.Wirtschaftswachstum und steigende Einkommen stimulieren überdies steigenden Energieverbrauch. Trotz Effizienzsteigerung kann sich unter dem Strich der fossile Energieverbrauch also erhöhen. Preissteigerungen sind nicht das Ziel, sondern Instrument der Ökologiepolitik. Es fragt sich nun, ob Ökosteuern in innenpolitisch akzeptanzfähiger Höhe wenigstens kurzfristig ökologische Lenkungseffekte auslösen könnten. Solange die Weltmärkte mit Öl überschüttet werden und Ölpreise sinken, wie es seit 1985 bis vor kurzem der Fall war, bleiben Endverbraucherpreise mehr oder weniger konstant und Ökosteuern ohne Effekte. Wird dagegen die Überproduktion von Öl abgebaut und das weltweite Ölangebot verknappt - was ja wegen der Erschöpfbarkeit der Ölressourcen eine ökonomisch durchweg rationelle Strategie ist - werden Energiemärkte also durch Ölknappheitspreise reguliert, sind nationale Ökosteuern eigentlich überflüssig. Die ökologische Lenkungswirkung weltweiter Ölverknappung kann - selbst bei steigendem Wirtschaftswachstum - im Unterschied zu Ökosteuern zu 100 Prozent als sicher gelten. Ölknappheitspreise nehmen so ihre, der Erschöpfbarkeit gemäße Steuerungs- und Allokationsfunktion auf dem Weltenergiesektor wahr.Protagonisten der ökologischen Steuerreform haben bisher die regulierende Wirkung der Ölpreise systematisch ausgeblendet und dadurch sich selbst und andere über die ökologische Wirkung der "Wunderwaffe" Ökosteuern getäuscht. Dies war ein grundlegender Fehler, der nach fünf Jahren Energie- und Zeitvergeudung nunmehr zur Kenntnis genommen werden sollte. Es wäre jedenfalls unverzeihlich, jetzt auf den Zug steigender Ölpreise aufzuspringen und die dadurch ausgelösten ökologischen Lenkungseffekte den Ökosteuern zuzuschreiben. Es ist an der Zeit einzusehen, dass die ökologische Steuerreform - zumal in der gegenwärtigen Form - alles andere als ökologisch ist.Tatsächlich wurde die Kompromissformel "Energie verteuern - Arbeit verbilligen" zu einer selbstgestrickten Falle für die Ökologiebewegung. Die Verbilligung der Arbeit durch die Verwendung der Ökosteuern für Rentenfinanzierung und sinkende Lohnnebenkosten diente in erster Linie dazu, Standortvorteile deutscher Großkonzerne gegenüber Niedriglohnländern zu halten beziehungsweise auszubauen. Damit verbessern sich die Wachstumschancen der deutschen Ökonomie mit dem Nebeneffekt eines steigenden fossilen Energieverbrauchs. Dadurch wurden die Ökologie und das Klimaschutzziel für mehr Wirtschaftswachstum instrumentalisiert und die These, dass Ökologie und Ökonomie keinen Gegensatz darstellen, diskreditiert.Förderländer in die Pflicht nehmenKlimaschutzpolitisch ist Verknappung auf der Anbieterseite Preisaufschlägen auf der Verbraucherseite weit überlegen. Es ist gegen jede Vernunft, erst beliebige Mengen Kohlendioxyd in die Märkte zu pumpen, um dann - wenn überhaupt - einen geringen Teil davon mit großem Aufwand wieder abzufangen. Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden, also vorsorgen, um nicht später mit erheblich höheren Folgekosten nachsorgen zu müssen. Dazu bedarf es jedoch einer globalen Sichtweise sowie neuer Wege und globaler Allianzen. Schließlich ist der Klimaschutz eine Menschheitsaufgabe, an deren Lösung nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Anbieter fossiler Energien beteiligt werden müssen. Daher ist es an der Zeit, auch die Anbieterstaaten, insbesondere die OPEC, in die Klimarahmenkonvention einzubeziehen und sie zur Reduktion der Ölproduktion zu verpflichten. Nur so kann der mittel- und langfristige Ausstieg aus den fossilen Energien analog zum Ausstieg aus FCKW (Montrealer Protokoll) oder zum Atomkonsens in Deutschland jenseits der innerpolitischen Scheingefechte der Parteien wirksam organisiert werden.Deutschland kann für diesen globalen Ausstiegskonsens die Initiative ergreifen und gleichzeitig hierzulande das Ausstiegskonzept selbst umsetzen. Es bedarf dazu einer einmaligen Festlegung von Obergrenzen für das Angebot fossiler Energieträger und eines verbindlichen Ausstiegsszenarios; alles andere regelt dann der Knappheitspreis, der sowohl Ökosteuern wie das ohnehin unsoziale Instrument "Emissionshandel" überflüssig macht. Es ergibt keinen Sinn, die Inhaber von Verschmutzungsrechten, also ausgerechnet diejenigen Industriezweige mit den höchsten Kohlendioxydausstoßmengen, durch den Handel mit Emissionen nachträglich zu belohnen, um ökologische Lenkungseffekte auszulösen. Der Knappheitspreis macht das viel wirkungsvoller.Mohssen Massarrat ist Professor für Politikwissenschaft und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Osnabrück und Autor des Buches "Das Dilemma der ökologischen Steuerreform. Plädoyer für eine nachhaltige Klimapolitik durch Mengenregulierung und neue politische Allianzen", Metropolis-Verlag, Marburg.
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