Als Bonner Inder oder indischer Bonner habe ich mich vor elf Jahren entschieden, nicht Computerexperte, Rosenverkäufer, Terrorist oder Ayurveda-Masseur zu werden, sondern Schauspieler im deutschsprachigen Raum, also „out of Bollywood“. Nach sieben Jahren unzähliger Inder-Rollen in deutschsprachigen Filmen werden mir seit 2008 auch normale, deutsche Rollen angeboten (Fahnder, Kriminaltechniker, Tierärzte, die Herbert oder Peter heißen), für die meine Herkunft und Hautfarbe nicht relevant ist. Nur weiter so, liebe Filmemacher! Knackig braune Rheinländer steigen so im Kurs.
Außerdem bin ich seit 2007 fest engagiert am Schauspiel Köln. Das bisher einzige Theater im deutschsprachigen Raum, welches mehrere Schauspieler mit Migrationshintergrund fest in seinem Ensemble hat. Die Situation anderswo ist nicht so prickelnd. Allein in Berlin finden sich unter den 200 festangestellten Schauspielern der Stadt nur ein Nicht-Europäer und 16 Europäer nicht-deutscher Herkunft. Das ist bitter. Gerade von Theatern erwarte ich mir mehr Offenheit. Sie spiegeln leider nicht unsere heutige Gesellschaft wider.
Ich habe mir jahrelang von den Theaterintendanten und Dramaturgen anhören müssen, dass ich „zu speziell“ wäre, dass es für mich als Inder in ihrem Ensemble keine Rollen gäbe. „Sie kennen doch unsere Zuschauer, das muss man dann erklären“. Diese angeblich so weltoffenen Intellektuellen haben mich nur aufgrund von Äußerlichkeiten abgelehnt, obwohl ich neben meinem saftigen Hochdeutsch auch Rheinisch beherrsche, eine sehr gute Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar Wien genossen habe und zu Gastspielen an Theatern wie der Schaubühne Berlin und den Münchner Kammerspielen eingeladen wurde.
Ausgrenzung ist eine Tatsache
Mein Eindruck ist, dass selbst seriöse Zeitungen den Alltagsrassismus oft verharmlosen oder gleich ganz ignorieren. Studien der OECD und der Friedrich-Ebert-Stiftung belegen, dass die Diskriminierung in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen ist. Solche Tatsachen tauchen in den Zeitungen leider nur sporadisch in Artikeln auf und lösen deshalb nie eine Debatte aus. Bezeichnend sind die Reaktionen auf Günther Wallraffs Kinofilm Schwarz auf Weiß. Wallraff wurde zwar heftig kritisiert für seine „altbackenen Methoden“ und seine Verkleidung als Schwarzer. Aber kaum ein Kritiker schrieb darüber, wie er als „Schwarzer“ angefeindet, diskriminiert und ausgeschlossen wurde – also genau das, was viele „Farbige“ in Deutschland immer noch häufig erleben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe Deutschland, es ist meine Heimat, ich habe hier wunderbare Freunde und es ist hier sicher offener als anderswo in Europa. Trotzdem ist Ausgrenzung eine Tatsache, die man ernst nehmen muss.
Aber zurück zu dem indischen Jecken: Ich bin, wie gesagt, im Rheinland, in Bonn-Bad-Godesberg geboren und aufgewachsen und als Bonner Jung fast gar nicht mit Rassismus konfrontiert worden. Die Internationalität der Stadt war eine Selbstverständlichkeit. Umso überraschter war ich, als ich am Anfang meiner Theaterlaufbahn auf so viele Vorurteile stieß. Bei meinen bisher 31 Filmen war es nicht anders, jahrelang habe ich den Quoteninder gespielt. Ob Krimineller oder Opferausländer: Oft musste ich in gebrochenem Deutsch sprechen. Den Machern war überhaupt nicht klar, dass solche Figuren beim deutschen Fernsehzuschauer Vorurteile gegenüber Migranten schüren. Geschweige denn, wie sich die „ausländischen“ Zuschauer fühlen, wenn sie so negativ dargestellt werden. Ich habe einige Schauspielerfreunde afrikanischer, arabischer, asiatischer und lateinamerikanischer Herkunft, die genau die gleichen Klischeerollen spielen müssen. Manche legen sich deutsche Künstlernamen zu und verleugnen ihre Herkunft, nur um an „deutschere“ Rollen ranzukommen.
Ich finde es gut, wenn schwarze Künstler, Autoren, Sänger und Filmemacher etwas gegen diese Klischees unternehmen wollen und Projekte gegen Diskriminierung starten. Nur kann das in eine komische Richtung gehen, wie beim Verband Schwarzer Filmschaffender in Deutschland (SFD), der im Sommer 2006 gegründet wurde, um den klischeehaften Darstellungen schwarzer Charaktere im deutschen Film etwas entgegenzusetzen. Ein guter Ansatz – das Problem ist nur, dass ich als Inder in diesem Verein nicht Mitglied werden kann.
Nie mehr Migrant vom Dienst
Ich habe zweimal versucht, mit dem SFD Kontakt aufzunehmen, jedoch keine Reaktion erhalten. Obwohl ich die gleichen Dinge wie die SFD-Mitglieder erlebt habe. Soll jetzt jede Volksgruppe ihren eigenen Verein gründen? Grenzt man sich damit nicht ein zweites Mal aus? Beim Sport, in der Oper, im Tanz, in der Musik und in der Moderation spielt Herkunft und Hautfarbe keine Rolle mehr, nur in der Schauspielerei. Glücklicherweise habe ich mittlerweile ein paar Redakteure, Regisseure und Casting-Leute gefunden, die mich als Schauspieler schätzen und daher gut besetzen: als Polizist, Arzt oder Unternehmer – spannende Charaktere, die nichts mit meiner Herkunft zu tun haben.
Dem Rest der Branche rufe ich zu: Engagiert gute Schauspieler mit Migrationshintergrund und besetzt sie in deutschen Filmen, und zwar nicht nur in solchen mit Migrationsthemen, sondern in ganz normalen Rollen und ohne zu erklären, warum sie so gut Deutsch sprechen. Dann sehen Millionen deutscher Fernsehzuschauer, dass die meisten Migranten gar nicht so anders sind: Sie gehen arbeiten und zahlen ihre Steuern, genau wie sie. Auf diese Weise baut man nicht nur Vorurteile der deutschen Mehrheitsgesellschaft ab – Zuschauer nicht-deutscher Herkunft bekommen im besten Fall auch positive Vorbilder zu sehen. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe!
Murali Perumal wurde 1978 in Bonn geboren. Seine Familie zog 1999 nach 30 Jahren zurück nach Indien, während Murali eine Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar Wien absolvierte. Seit 2007 beim Schauspiel Köln fest engagiert, tritt Perumal regelmäßig im TV auf und bekam in Madly in Love (2008; R.: Anna Luif) seine erste Kinohauptrolle. Seine Webseite:
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