Als die Berliner Wochenzeitung Freitag am 11. November 2005 im Filmkunsthaus babylon berlin:mitte in Berlin ihr 15-jähriges Bestehen mit Konstantin Wecker, dem Videokünstler Jürgen Kuttner, etwa 500 begeisterten Gästen feierte, dürften einige Gäste nicht schlecht gestaunt haben, als sie vor der Eingangstür einen chromblitzenden Lexus vorfanden. Der Freitag und Luxuslimousinen?
Bei einer Leserschaft, die Begriffen wie Marketing und Werbung mit Skepsis begegnet, dürfte auch der Begriff Sponsoring eher Abneigung hervorrufen. Aber: Sponsoring ist nicht dasselbe wie Werbung. Für klassische Werbung bezahlen Unternehmen Geld, um in den Medien präsent zu sein. Von Sponsoring hingegen spricht man dann, wenn ein Unternehmen Geld-, Sach- oder Dienstleistungen zur Verfügung stellt und dafür eine vertraglich definierte Gegenleistung erhält. Sponsoring unterscheidet sich damit von einer Spende, die von einer Privatperson oder auch von einem Unternehmen ohne Gegenleistung gestiftet wird.
Selbstverständlich würde der Freitag sein Jubiläum nicht mit einem "Kulturprogramm von Stefan Raab sponsored by Thyssen-Krupp" feiern. Bei Sponsoringpartnerschaften suchen zwar beide Seiten ihren Vorteil. Aber sie müssen sich schon verstehen. Sie sind dann besonders wirkungsvoll, wenn alle Beteiligten nach innen und außen gleiche Signale und Überzeugungen kommunizieren.
Das Freitags-Jubiläum wurde von der Berliner Sponsoring-Agentur Causales organisiert. Als Sponsoren konnte sie die Getränkehersteller Berliner Pilsener, Bionade, den Automobilhersteller Lexus und die Zigarrenmarke Balboa von Darier Cleef gewinnen. Als Dienstleister war das Victor´s Residenz Hotel vor Ort. Lexus konnte ein neues Modell mit Hybrid-Antrieb präsentieren. Balboa - benannt nach dem spanischen Seefahrer und Entdecker Panamas, Vasco Nuñez de Balboa - ist eine handgefertigte Zigarre, deren Tabak ausschließlich nach ökologischen Grundsätzen und ohne Kunstdünger und Pestizide kultiviert wird. Genauso Bionade: das weltweit erste und einzige alkoholfreie Erfrischungsgetränk, das rein ökologisch hergestellt wird.
Auch das Babylon konnte vom Freitag-Fest profitieren. Hier haben sich zwei Kulturmarken gefunden, die quasi zusammen gehören. Der Freitag als eine Zeitung für Andersdenkende und das Filmkunsthaus, das schon zu DDR-Zeiten ein kultureller Ort für Andersdenkende war. "Der Freitag hat wieder einige Staubfusseln mit uns weggeputzt, die sich über die letzten Jahre angesammelt haben", sagt Timothy Grossman, Geschäftsführer des Babylon.
Die Agentur Causales ist keine Agentur wie jede andere. Sie berät Kultureinrichtungen in Marketingprozessen. Zudem hat sie die Initiative "Kulturmarken" ins Leben gerufen, um ganz bestimmte Wirtschaftsunternehmen und ausgewählte, förderungswürdige Kulturprojekte zu langfristigen Sponsoring-Partnerschaften zusammenzuführen. Hans-Conrad Walter, Gründer von Causales, schreibt im Vorwort des Handbuchs Kulturmarken, dass Kultursponsoring ökonomische Synergieeffekte bietet und immer ein gesellschaftliches Engagement ist.
Für die Kultureinrichtungen liegt der Vorteil auf der Hand. Innerhalb einer Sponsoring-Partnerschaft erhalten sie Finanzierungshilfen von den Unternehmen, um ihre Angebote qualitativ und quantitativ zu erweitern. Neben dem ökonomischen Nutzen erschließen sich neue Arbeitsfelder und womöglich auch neue Interessenten für die Kultureinrichtungen.
In Deutschland gibt es nach Aussagen der Agentur Causales 3,2 Millionen Unternehmen, aber nur 10.000 Kultureinrichtungen. Für Eva Neumann von Causales heißt das: "Auf jede Kultureinrichtung kommen also 320 potenzielle Sponsoren. Daraus wird sichtbar, dass noch viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit ungenutzt sind. Zwar werden rund 92 Prozent der Kulturfinanzierung in Deutschland durch den Staatshaushalt mit einer jährlichen Ausgabe von sechs Milliarden Euro getragen, aber die fetten Jahre staatlicher Förderung sind vorbei. Geschätzte 500 Millionen Euro nicht staatlicher Fördergelder werden jährlich in den Kulturbereich investiert, wobei der Großteil, etwa 350 Millionen Euro, in Form von Sponsoring aufgebracht wird. Diese Investition der Wirtschaft ist erst der Anfang".
Auch der Freitag ist eine Kulturmarke. Markenkapital definiert sich wesentlich über die Geschichte, die Mitarbeiter und das Produkt selbst. Schon zum 10. Geburtstag des Freitag stellte die Münchener Journalistin Franziska Augstein 2000 fest: "Der Freitag hat kaum Geld und kaum Anzeigen, kaum Personal und zu wenig Leser. Trotzdem zählt er zu den wichtigen Zeitungen der Republik". Der Freitag hat ein einheitliches Erscheinungsbild, ein Selbstverständnis und ein Image, das nach außen und innen transportiert wird. Gemäß dem Slogan Politik der Kultur - Kultur der Politik, bereitet er nicht nur Woche für Woche Nachrichten auf; der Freitag übt - wie ein Kulturbetrieb - Gesellschafts- und Sozialkritik. Der Freitag könnte ein Beispiel dafür sein, eine zeitgemäße Verbindung zwischen Wirtschaft und Kultur zu schaffen, indem er diesen besonderen Sponsoren eine Plattform bietet, sich gemeinsam vor einem interessierten Publikum zu präsentieren. Manche Leser werden das vielleicht eher misstrauisch gesehen haben. Aber wäre es in einer Zeit, wo es mehr denn je darauf ankommt, neue sozialökologische Allianzen zu bilden, nicht eine Überlegung wert, einmal so über Kultursponsoring nachzudenken?
Siehe auch: www.kulturmarken.de
Nina Weber, geboren 1980, studierte von 2000 bis 2003 Kommunikationsmanagement in Berlin. Sie hat ihr Studium mit einer Arbeit über den Freitag abgeschlossen. Sie arbeitet derzeit freiberuflich als Kommunikationswirtin und hat zusammen mit der Agentur Causales den 15. Geburtstag des Freitag konzipiert und organisiert.
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