Hitler ist 50 geworden, Berlin begeht den Tag mit einer gigantischen viereinhalbstündigen Militärparade, und auf dem Stadtfeld in Schleswig würdigt Garnisonskommandeur Oberst Stanislaus von Dewitz das Ereignis: "Und so wollen wir heute dem Gott danken, dass er uns vor 50 Jahren den Führer sandte und neigen in Dankbarkeit und Ehrfurcht das Haupt vor der verewigten Mutter, die den Führer gebar."
Die Reden, die 1939 in den Garnisonsorten überall im kräftig angewachsenen Großdeutschen Reich gehalten wurden, dokumentiert jetzt erstmals ein Aufsatz von dem Historiker Roland Kopp in der Militärgeschichtlichen Zeitschrift des Potsdamer Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. Er hat sie mühsam aus Stadt- und Zeitungsarchiven zusammengeholt. Der Führer-Geburtstag 1939 ist ein Wendepunkt, das Jahr zuvor hatte viel gebracht: Österreich angeschlossen, die Sudetengebiete heim ins Reich gewandert, das Memelgebiet nach Ostpreußen geholt. Und gerade erst, im März, der Einmarsch in Prag und die Zerschlagung der "Resttschechei", offiziell eine friedensschaffende Maßnahme. Die "beglückende Tatsache, dass wiederum die Karte Europas zugunsten des Reiches in weitestgehender Weise geändert worden ist" diene dazu - diese Parole hatte Goebbels tags zuvor in seiner Führerrede ausgegeben - "Frieden... zu schaffen".
Adolf Hitler hatte, als "Bürge des Weltfriedens", so verkündeten die Kommandeure in ihren Reden, "den gordischen Knoten mit dem Soldatenschwert durchhauen". Und Oberstleutnant von Czettritz und Neuhauß lobte nach der Parade in Meiningen die "eiserne Friedensarbeit des Führers", und Generalmajor Lang in Landshut freute sich schon: "Größeres steht uns - wohl nicht mehr ohne Kampf - bevor".
Der spätere Generalfeldmarschall Erich von Manstein hielt seine Führerrede 1939 als Kommandeur der 18. Division in Liegnitz. Er stellte gegen eine "feindliche Welt", die "Wälle um Deutschland" ziehen wolle, um den "Weg des deutschen Volkes in seine Zukunft zu sperren" das feierliche Gelöbnis für "unseren großen Führer": "allen Gewalten zum Trotz sein Werk auch im Kampf zu bewahren, seinen Willen zu vollstrecken, wohin er uns auch führe!". Und wie er führte.
Manstein, der den "Rassegedanken ... restlos" bejahte, setzte sich vorbehaltlos für die Vernichtung der Juden im Osten ein, weil sie "die Zelle für alle Unruhen und möglichen Erhebungen" seien. "Das jüdisch bolschewistische System muß ein für allemal ausgerottet werden", befahl Manstein 1942 und sorgte auch dafür in enger Zusammenarbeit mit der Einsatzgruppe D, eine der fanatischsten Todesschwadronen des Reichssicherheitshauptamtes, die auch Frauen und Kinder umbrachte. Manstein dazu: "Für die Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum... muß der Soldat Verständnis aufbringen". Manstein geriet immer wieder bei strategischen Fragen in Streit mit Hitler und verbreitete später in seinen Memoiren Verlorene Siege, er hätte den Krieg im Osten gewonnen, doch der Dilettant Hitler habe das verhindert.
Aber er gab nicht auf. Als verurteilter Kriegsverbrecher vorzeitig freigelassen, beteiligte er sich am Aufbau der Bundeswehr, die noch 1967 eine Festschrift zu Mansteins 80. Geburtstag veröffentlichte mit dem völlig zutreffenden Titel Nie außer Dienst. Und als er 1973 nach einem langen und so erfüllten Leben starb, stand eine Ehrenformation der Bundeswehr an seinem Grab.
Das war der typische Lebenslauf eines jener Kommandeure, die am 20. April 1939 den 50. Geburtstag Adolf Hitlers feierten. Es gab aber auch andere, die Dokumentation von Roland Kopp erwähnt auch sie. Generalmajor Hans Graf von Sponeck beispielsweise, Kommandeur der 22. Division in Bremen. Er ritt hoch zu Pferd die zur Parade aufgestellte Truppe ab und hielt - keine Rede auf den Mann, dessen 50. Geburtstag zu feiern war. Er wusste, was alle seine Generalskollegen wussten, aber ganz anders werteten: Hitler, das ist der Krieg. Zweieinhalb Jahre später befahl er in einer aussichtslosen Situation den Rückzug auf der Krim. Sein Oberbefehlshaber von Manstein enthob ihn seines Kommandos, er bekam lebenslängliche Festungshaft und wurde nach dem 20. Juli 1944 auf Anweisung von Himmler umgebracht.
Sein Name lebt weiter. Sein Sohn, Hans Graf von Sponeck - darauf kann die Dokumentation in der Militärgeschichtlichen Zeitschrift nicht eingehen - war bis zum November 2002 in Bagdad UN-Koordinator des Hilfsprogramms "Öl für Lebensmittel" und tat alles, um den Irak-Krieg zu verhindern. Er war schon gezeugt, als der Vater am 20. April 1939 keine Rede auf Hitler hielt. Geboren wurde er im August. Fünf Jahre war er alt, als der Vater ermordet wurde.
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