So sieht also ein Energiepreisschock aus. Am 20. Januar schreibt Twitter-Nutzer „Land-Ei“: „Hab gestern die Gasrechnung bekommen, 600 € nachzahlen weil Gas teurer geworden ist. Holz bestellt, immer noch 85 € je Raummeter.“ Im Dezember kündigte der Gasversorger gas.de Zehntausenden Kunden die Verträge: Auf einmal mussten sie statt 80 Euro im Monat Rechnungen über 500 und mehr Euro bezahlen. Und auch die Strompreise spielen verrückt. Stromanbieter gehen pleite oder stellen die Versorgung ein, Verbraucher zahlen auf einmal doppelt so viel wie vorher. Sogar bei den Lebensmitteln gibt es einen Preissprung, um sechs Prozent verteuerten sich Nahrungsmittel im Dezember im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres.
Auch die Geldentwertung hat jüngst an Fahrt aufgenommen, aber längst nicht so stark wie die Preise für Energie. Für das Jahr 2021 lag die Inflationsrate im Euroraum bei 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist höher als das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank, aber es ist nicht dramatisch. Jedenfalls nicht, solange sich die Inflation nicht festsetzt. Und lange nicht so dramatisch wie das, was gerade auf den Energiemärkten geschieht.
Volatil, das heißt sprunghaft und schwankend. Bei einer Angelegenheit wie der Versorgung eines Landes mit Gas zum Heizen und zur Stromerzeugung ist Sprunghaftigkeit so ziemlich das Letzte, was man brauchen kann. Umso problematischer also, dass der Gaspreis zuletzt extrem volatil geworden ist: Im Juli 2020 lag der europäische Referenzpreis der Dutch Title Transfer Facility (TTF) noch unter fünf Euro pro Megawattstunde. Im Januar 2021 stand er schon bei 20 Euro, dann verfünffachte er sich bis zum Oktober und schoss Ende Dezember kurzzeitig auf über 180 Euro hinauf. Seitdem fiel er wieder um die Hälfte und pendelt gerade um die 80 Euro.
Der Preis ist flatterhaft und nervös, er reagiert auf alle möglichen Signale. In Frankreich müssen Atomreaktoren abgestellt werden: Der Preis steigt. Aus den USA kommen verstärkt LNG-, also Flüssiggas-Lieferungen nach Europa: Der Preis fällt. Mehrere LNG-Tanker biegen ab und steuern nach China, weil dort mehr gezahlt wird: Der Preis steigt. In Nordamerika gibt es Schneestürme: Der Preis steigt weiter. Biden trifft Putin, es soll verhandelt werden, der Preis fällt; Russland findet, es gebe nichts mehr zu verhandeln, der Preis steigt wieder an.
Am schlimmsten findet der Gaspreis offenbar, dass die Gasreserven in Europa auf historisch niedrigen Niveaus befüllt sind. Begrüßen würde er eine Inbetriebnahme der Nord-Stream-2-Pipeline. Wetterprognosen, die für den Februar mildes Wetter vorhersagen, beruhigen ihn. Und jedes Mal, wenn sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zuspitzt, rastet er aus.
Russland und die Verträge
Aber warum schlägt der Gaspreis überhaupt so krass aus, viel stärker als in der Vergangenheit? Aleksandar Zaklan, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim DIW, sagt: „Immer mehr Anteile des Gasmarkts bestehen aus kurzfristigen Verträgen – und immer weniger aus langfristigen Lieferverpflichtungen. Früher war das ein ganz langweiliger Markt, wo man für Jahrzehnte Gas im Voraus gekauft hat. Aber diese Art von Verträgen nimmt ab, man ist stärker am sogenannten Spotmarkt, also an einem kurzfristigen Markt, orientiert.“
Wenn größere Teile des Gasmarkts auf dem Spotmarkt gehandelt werden, sind auch größere Teile davon dessen Preisschwankungen ausgesetzt. Umso mehr bietet sich der Gasmarkt also auch dazu an, den Preis in die Höhe zu treiben. Vor allem Russland, sprich Gazprom, wird derzeit oft vorgeworfen, Gaslieferungen absichtlich zurückzuhalten, um damit seine Interessen durchzusetzen. Kann das sein? Zaklan sagt: „Zuletzt war der Gaspreis getrieben von geopolitischen Spannungen. Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass jetzt Gaslieferanten wie Gazprom vertragsbrüchig werden: Diese erfüllen ihre langfristig bestehenden Lieferverpflichtungen. Aber es kann durchaus sein, dass sie weniger kurzfristige Lieferverträge eingehen, um damit Druck auf den Preis oder auf die Bewilligung von Nord Stream 2 zu erzeugen.“
Tatsächlich war der Gasmarkt schon ohne Ukraine-Krise extrem angespannt. Wenn das aber der Fall ist, dann braucht es nur noch kleine Ausschläge, um große Wirkung zu erzeugen. Umgekehrt heißt das: Jede geopolitische Verständigung beruhigt auch den Gasmarkt. Organisiert man ein vielversprechendes Gipfeltreffen, freuen sich Rentner und Geringverdiener über die nächste Heizkostenabrechnung.
Der Zustand des Gasmarkts ist allerdings keine Naturkatastrophe, sondern eine menschengemachte Krise. Was würde Abhilfe schaffen? Zaklan muss da nicht lange überlegen: „Die derzeitige Entwicklung bestärkt die Argumente für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem Wind und Sonne. Nicht nur aus Klimaperspektive, sondern auch zum Zwecke der Versorgungssicherheit: damit wir in Zukunft im Winter weniger von geopolitischen Spielchen abhängig sind.“
Wir könnten das komplettieren, indem wir Reserven ausbauen und Versorger zu langfristiger Planung verpflichten. Damit in Zukunft Verbraucher nicht mehr mit billigen Angeboten von Versorgern geködert werden, denen schon nach wenigen Monaten stark gestiegener Preise die Luft ausgeht. Das wäre eine Aufgabe für die Politik: ein bessere Gasmarktdesign.
Was tun aber für die, die von den explodierenden Gaspreise am heftigsten getroffen werden? Geringverdiener geben prozentual am meisten von ihrem Einkommen für Energie aus, sie und Familien mit Kindern treffen die Preiserhöhungen am stärksten. Möglichkeiten der Abhilfe gäbe es mehrere: Einmalzahlungen ähnlich dem Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher, den das Bauministerium plant. Oder, wie es der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger vorschlägt: eine Mehrwertsteuersenkung auf Energie.
Denn es ist ja nicht nur der Gasmarkt alleine, der gerade aus den Fugen gerät: Auch beim Strom explodieren die Preise. Nach Jahren, in denen die Stromkosten auf hohem Niveau stagnierten, machten die Großhandelspreise im Laufe des Jahres 2021 einen Sprung: Von 53 Euro pro Megawattstunde im Januar auf 221 Euro im Dezember, das ist mehr als viermal so viel. Auch die Verbraucherpreise werden von vielen Anbietern gerade drastisch erhöht.
Warum ist das so? Andreas Löschel, Professor für Umwelt-und Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, sagt: „Das ist im Wesentlichen getrieben von den Großhandelspreisen. Die wiederum rühren daher, dass die marginalen – oder preissetzenden – Kraftwerke Kohle- und Gaskraftwerke sind.“ Ein „marginales Kraftwerk“, das ist jenes Kraftwerk, das als letztes dazu benötigt wird, um die nachgefragte Strommenge zu liefern. Es ist „preissetzend“, weil es den Preis für den gesamten Strom bestimmt, solange es zum Zuge kommt. Wenn das ein Gaskraftwerk ist, dessen Rohstoff sich eben um ein Vielfaches verteuert hat, treibt das den Strompreis nach oben.
Verkehrte Welt: Während es 2020 noch so aussah, als seien Kohlekraftwerke auf längere Sicht nicht mehr rentabel, wurden sie im vergangenen halben Jahr zur günstigeren Alternative zum Gas. Und das, obwohl der CO₂-Preis, der Kohleverfeuerung eigentlich verteuern sollte, im Emissionshandel für Kraftwerke auf 80 Euro pro Tonne CO₂ gestiegen war. Löschel sieht das Problem, ist aber für die Zukunft relativ optimistisch: „Es gibt keinen immanenten Grund“, sagt er, „für langfristig hohe Gaspreise. Prinzipiell gibt es genug Angebot. Aber natürlich kann es zu kurzfristigen Schocks kommen, die sich, weil sie teilweise politisch getrieben sind, auch länger hinziehen können. Das heißt, dass die Gaspreise auch zwei oder drei Jahre auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben könnten.“
Für Verbraucher ein Horrorszenario. Beim Strom wäre es allerdings für die Politik ein Leichtes, für Entlastung zu sorgen: Denn der Preis auf der Stromrechnung besteht ja nur zu rund 20 Prozent aus den Erzeugungskosten, der Rest sind Steuern und Abgaben wie Netzentgelte, die EEG-Umlage, die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer. Die EEG-Umlage wurde zu Jahresbeginn schon fast um die Hälfte gesenkt, von 6,5 Cent pro Kilowattstunde auf 3,7 Cent. Aber mittlerweile reicht wohl nur noch ihre Komplettabschaffung, um den Preisanstieg annähernd zu kompensieren.
Was, wenn es so bleibt?
Was würde es für die Inflation bedeuten, wenn die Preise für Gas und Strom auch mittelfristig nicht wieder fallen? Droht dann nicht, dass sie auch für dauerhaft höhere Inflationsraten sorgen? Ja, das könnte passieren, sagt Kerstin Bernoth, Ökonomin am DIW. Das Fatale daran: Es wäre eine Art von Inflation, mit der sich die EZB schwertäte. „Die Zentralbank kann am besten Inflation bekämpfen, wenn diese inländische Ursachen hat, sprich durch einen Anstieg der Löhne oder eine gestiegene Gesamtnachfrage von Haushalten und dem Staat verursacht wird. Sie kann weniger ausrichten, wenn die Inflation aus einem Preisanstieg von einzelnen Gütern herrührt, die auch noch aus dem Ausland importiert werden.“ Derzeit spreche ja viel dafür, dass die Inflationsraten wieder sinken würden, sagt Bernoth: „Solange die Indikatoren auf einen Trendrückgang hindeuten, wovon auch ich ausgehe, wäre es falsch, die Zinsen zu erhöhen, weil das – wie es 2011 der Fall war – die Erholung abwürgen könnte.“
Aber wenn die Erdgaskrise fortbesteht, dann kann auch das sich ändern. Es wäre also nicht nur für kommende Heizkostenabrechnungen, sondern auch für die Inflation von Vorteil, wenn die deutsche Regierung eine Lösung für die geopolitischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine fände. Und wenn sie obendrein durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und deren Rattenschwanz an Folgeproblemen beendete.
Kommentare 31
Das Problem ist nicht die Liefreung von Gas durch wen auch immer. Das Problem ist, daß laut EU Verordnung die Lieferanten kein Gas an ndkunden verkaufen dürfen, sondern daß das Gas zuerst mal an der Börse gehandelt werden muss. Das treibt den Preis von "Putingas" auf das 3fache des Lieferpreises. Die Subvention von Wohngeldempfängern aus Steuermittel füllt letztendlich die Taschen der Spekulanten. Das ist so gewollt. Bei Elektrizität ist das nichts anderes. Solange die Regierenden das nicht ändern und die Energieversorgen den Marktkräften überlassen werden die Ärmeren samt Steuerzahler von den Spekulanten zur Kasse gebeten. Verschärfend kommt hinzu, daß Gas aus deutschen Speichern rückwärts via Jamal-Pipeline nach Polen und die Ukraine gepumpt wird - damt kann kein Gas aus Russland hierher fließen.
Bellizisten ala Baerbock und Co. kochen damit ihr Süppchen und die LINKE gendert lieber als auf diese Fehlentwicklung aufmeram zu machen und Gegenmaßnahmen zu fordern.
Der Text, den du verlinkst, stellt das System etwas zu positiv dar. Aber: Hätten alle, auf deren Balkon oder Terrasse Sonnenlicht auftrifft, ein oder zwei Steckdosenmodule, könnten sicher einige Kraftwerke eingespart werden.
Allerdings braucht die anlage selbst 5 jahre um sich zu amortisieren und ob sie 25 jahre hält und mit welchen effektiven erzugungswerten, das ist zz. reinespekulation, zumal wir nicht wissen, was strom in ein, zwei jahren kostet.
Leider ist der schlusssatz - "Und wenn sie obendrein durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und deren Rattenschwanz an Folgeproblemen beendete." - nur eine freilich unbegründete, hoffnungsfrohe annahme, denn der ausbau von wind- und solarenergie wird ohne einen massiven ausbau von speicherkapazitäten niemals das grundlastproblem im stromnetz lösen.
Was gebraucht wird, ist eine stromquelle, die ständig (sekündlich) eine grundlast von 40 bis 50 prozent der gesamtlast stabil zur verfügungstellt (in D-land sind das zz. 30 bi 35 GW täglich). Mit der steten gefahr von dunkelflauten schwankt die stromerzeugung aus wind und solar viel zu stark, als das sie als alleinige stromquelle dienen könnten. Es bleiben eigentlichen nur zwei lösungen: ca. 200 gaskraftwerke bauen, die ggf. je nach bedarf ans netz geschaltet werden können (aber immer beriebsbereit gehalten werden müssen) oder der import von strom aus ländern mit stabilen grundlastkraftwerken, welches zunehmend atomkraftwerke sein werden.
ohne balkon oder dunklem balkon wohl eher nix
ich würd sogar sagen, den grünen kommen die preiserhöhungen zupass. schliesslich soll alles teurer werden. sparen müssen dann die armen, während die grünen besserbürger mit grünem gewissen konsumieren. die staatlichen aufschläge auf strom wären ganz schnell abzuschaffen- allein man will nicht. es gibt nur eine erde und die müssen grüne verbrauchen dürfen.
Danke für den Artikel.
"Wir könnten das komplettieren, indem wir Reserven ausbauen und Versorger zu langfristiger Planung verpflichten. Damit in Zukunft Verbraucher nicht mehr mit billigen Angeboten von Versorgern geködert werden, denen schon nach wenigen Monaten stark gestiegener Preise die Luft ausgeht. Das wäre eine Aufgabe für die Politik: ein bessere Gasmarktdesign."
Das sind wirklich unfassbare Zustände auf dem europäischen Gasmarkt. Dieses System ist komplett dyfunktional - wie man unschwer erkennen kann - und gehört komplett umgedreht und vom Kopf auf die Füße gestellt.
Es zeigt wieder einmal, wie der Markt versagt - besonders, wenn er auch noch absichtlich so behämmert konzipiert ist. Die oben erwähnten Aussagen aus dem Artikel sind natürlich richtig. Es gibt darüber hinaus aber keinen vernünftigen Grund dafür, die Energieversorgung (incl. Gas) nicht zu verstaatlichen.
"Bei einer Angelegenheit wie der Versorgung eines Landes mit Gas zum Heizen und zur Stromerzeugung ist Sprunghaftigkeit so ziemlich das Letzte, was man brauchen kann."
Perfekter Zeitpunkt, um mit dem Gaslieferanten Russland zu stänkern und eine nagelneue Pipeline nicht in Betrieb zu nehmen.
Aber wenn man den globalen Zielen des US-Verbrecherregimes Priorität einräumt, dann sind die Bürger, die auf das preiswerte Gas angewiesen sind, natürlich am Ar...
Schöne neue Welt der Hampel-Ampel unter Führung des Neoliberalen von der Waterkant.
>>Der Text, den du verlinkst, stellt das System etwas zu positiv dar.<<
Das ist bei Werbeseiten mit Bestellteil ("Onlineshop") normal.
Einer der Hauptgründe waren Firmen, die mit Billigangeboten den Markt überschwemmt haben, deren Gewinnmarge bei steigenden Strompreisen auf dem Energiemarkt sehr schnell in die existenzbedrohte Verlustzone gehen. Diese Billigamieter wie Stromio, BEV und wie sie alle heißen wurden zum Teil so aufgestellt, da mußte es zum Kollaps kommen. Nun ja - viele Deutsche sind halt gerne auf der Suche nach schnellen Schnäppchen und wundern sich dann, wenn sie auf Betrüger hereinfallen...
>>Mit der steten gefahr von dunkelflauten schwankt die stromerzeugung aus wind und solar viel zu stark, als das sie als alleinige stromquelle dienen könnten.<<
Ja, das wird in solchen Diskussionen gerne unterschlagen. Es wird mit installierter Nennleistung geprotzt ohne zu erklären, warum die nicht der tatsächlichen Einspeisung ins Netzt entspricht.
Und wenn doch mal über Speicher geredet wird, dann unterbleibt der Vergleich aller möglichen Speichertechniken hinsichtlich Betriebsdauer* und Produktionsaufwand vom Rohstoff bis zur fertigen Anlage.
= Haltbarkeit/Reparierbarkeit
Die EU-"Taxonomie" bezeichnet Kernkraft als "nachhaltig". Es gibt Regierungen, die das begrüssen (und wahrscheinlich durchgesetzt haben).
Willkommen im Zeitalter des massenhaft unnötigen Wissens.
Waren die 1920er Jahre die vermeintlich goldenen Jahre, was werden dann die 2020er? Die bleiernen?
Knowledge is a deadly friend, if noone sets the rules.
The fate of all mankind I see is in the hand of fools.
(King Crimson, Epitaph, 1970)
Schlafen kann soooo schön sein ...
>>Es zeigt wieder einmal, wie der Markt versagt - besonders, wenn er auch noch absichtlich so behämmert konzipiert ist.<<
Es kommt auf die Interpretation an. Der Markt versagt aus Sicht der breiten Masse, die den Strom kaufen muss. Die Monopolisierer machen vermehrt Profite, denn die gestiegenen Preise fließen in irgendjemandes Tasche. Und diese haben zusammen mit den willigen Politikern den Markt so gestaltet, wie er sich derzeit uns darstellt.
Die Grundversorgungen, wie Strom, Wasser, Müllverbrennungsanlagen, Krankenhäuser etc. gehören unter die Ägide der öffentlichen Hand.
Ich mach's mal konkret:
Im verlinkten Prospekt steht bei einem angenommenen Preis von 29 ct je Kwh: "Das heißt einmal 600 Euro in die Hand nehmen und über 25 Jahre lang jedes Jahr 174 Euro daraus erhalten."
Seit August 2021 besitze ich zwei Module für ca. 1.400 Euro. Strom geerntet habe ich innerhalb eines halben Jahres 73 Kwh. Angesetzt habe ich 30 ct je Kwh, das sind 21,9 Euro.
Mit einer Amortisation habe ich nicht gerechnet. Jedoch bei null Prozent Zinsen und gleichzeitiger Inflation von ca. 3 Prozent, lohnt sich die Investition schon irgendwie.
"Es zeigt wieder einmal, wie der Markt versagt - ...."
Nicht für alle. Es gibt in dieser marktradikalen Gesellschaft immer Gewinner und Verlierer.
Selbstverständlich mehr Verlierer, als Gewinner.
>>...zwei Module für ca. 1.400 Euro.<<
Da haben wir es wieder: Wer am meisten unter der Inflation zu leiden hat bringt das Geld nicht auf die Seite, denn Wohnungkosten plus steigende Strom- und Heizkosten fressen trotz der notwendig sparsamen Lebenshaltung das karge Einkommen komplett weg. Mal abgesehen von fehlenden Installationsmöglichkeiten in der Mietwohnung.
Natürlich muss das man als Politiker mit guten Lobbykontakten nicht wahrnehmen: Es sind Parallelwelten ohne Berührungspunkte.
Zur Zeit wird der interessierten LeserIn in fast allen Medien die diversen Gründe der Preissteigerungen im vergangen Jahr umfänglichst erklärt und sie dann abschliessend mit dem Hinweis auf ein temporäres, vorübergehendes Phänomen beruhigt.
Es soll erstens bloss niemand eine Erhöhung der Leitzinsen verlangen und die Party (andere sagen Blasen) am Aktien- und Immobilienmarkt darf, ungestört von höheren Leitzinsen, weitergehen. In dieses Horn bläst man gemeinsam mit der EZB und Lagarde.
Kerstin Bernoth, Ökonomin am DIW: „Die Zentralbank kann am besten Inflation bekämpfen, wenn diese inländische Ursachen hat, sprich durch einen Anstieg der Löhne oder eine gestiegene Gesamtnachfrage von Haushalten und dem Staat verursacht wird. Sie kann weniger ausrichten, wenn die Inflation aus einem Preisanstieg von einzelnen Gütern herrührt, die auch noch aus dem Ausland importiert werden. Derzeit spreche ja viel dafür, dass die Inflationsraten wieder sinken würden, sagt Bernoth: „Solange die Indikatoren auf einen Trendrückgang hindeuten, wovon auch ich ausgehe, wäre es falsch, die Zinsen zu erhöhen, weil das – wie es 2011 der Fall war – die Erholung abwürgen könnte.“
Nun erhöhen allerdings die USA (zusätzlich zum Zurückfahren der Anleiheaufkäufe) und die meisten Nicht-Euro Länder in Europa die Leitzinsen schrittweise im Unterschied zur Lagarde-EZB. Das führt erfahrungsgemäss zu einer Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar (weil in den USA die Zinsen höher als im Euroraum sind), was schon passiert, und wird die in US-Dollar notierten Einfuhren von Öl und Gas sowie anderer in US-Dollar notierten Waren verteuern und man bekommt einen zusätzlichen Inflationseffekt im Euroraum durch die Euro-Abwertung. Die EZB belässt aus rein politischen Gründen die Leitzinsen im Negativen, weil über die Inflation die Verschuldung der Staaten sich reduziert, und nicht aus ökonomischen. Sie hat nur eine scheinbare Unabhängigkeit. Bei Inflation profitieren wie jede weiss die Schuldner, weil die Kaufkraft des geschuldeten Betrages sich im Laufe der Tilgungszeit vermindert.
Es soll dann zweitens die LeserIn nicht auf die Idee kommen, mit angemessenen Löhnen im Tarifkampf die Inflation und den Kaufkraftverlust ausgleichen zu wollen, schließlich handele es sich um eine vorübergehende Erscheinung, wird ihr erkärt. Nun haben aber die Lohnabhängigen allein den Tarifkampf, um die Kaufkraft ihres Lohnes zu erhalten. Insofern kommt den Tarifauseinandersetzungen in diesem Jahr eine besonder grosse Bedeutung zu. Das Tarifgefüge muss an den höheren Mindestlohn angepasst werden und es braucht den kompletten Inflationsausgleich plus Produktivitätsanteil. Genauso leiden die Renten unter dem Kaufkraftverlust, wenn die Rentenanpassungen auf zu niedrigen Löhnen basiert.
Ich baue darauf, dass die französischen Gewerkschaften entsprechend kampfstark auf die Inflation reagieren und sich die französische Entwicklung auf die deutsche Linke und Gewerkschaften positiv auswirkt. Verpennen die das, sehen wir eine neue Gelbwesten Bewegung.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Gibt es etwas, worauf Sie Ihre aktuelle Hoffnung begründen? An einen überspringenden Funken von Frankreich nach Deutschland in den letzten Jahrzehnten kann ich mich nicht erinnern. Bedauerlicherweise.
"Gibt es etwas, worauf Sie Ihre aktuelle Hoffnung begründen? An einen überspringenden Funken von Frankreich nach Deutschland in den letzten Jahrzehnten kann ich mich nicht erinnern. Bedauerlicherweise."
Die französichen Gewerkschaften schliessen inflationsindexierte Tarifverträge ab und der Staat beruhigte die "Gemüter" mit einer 100.-Euro Zahlung im November für alle Personen mit Einkommen unter 2000.- Euro. wegen der Energiepreise. Leider weiss das hier kaum jemand, auch nicht die Freitags-Journalisten. ;-) . Insofern teile ich Ihr Bedauern.
Die IG-Bau schloss immerhin beispielhaft wegen des Baubooms mit 6,2 % im Westen und 8,5 im Osten plus hoher Einmalzahlung ab, leider Laufzeit bis März 2024, aber ein Abschluss knapp über der pronostizierten Inflation.
Es kommt z.B. darauf an, aktive Basiskollegen zu mobilisieren, um z.B. bei Verdi für vorzeitige Tarifverhandlungen zu kämpfen. (statt erst Sept. 2023!).
Wie ich sehe, sind Sie Optimist.
Also wie ein Exhibitionist ohne Mantel (Spruch ist geklaut).
Ich strecke meine Waffeln. :-)
Ich gebe Ihnen völlig Recht bzgl. Ihrer Ausführungen.
Allerdings finde ich, dass die Zentralbanken die Sache sowieso nicht mehr in der Hand haben - und auch sonst niemand. Alle Zeit, die die EZB der Politik in Europa gekauft hat ("Whatever it takes! And believe me, it will be enough."), hat diese vertendelt. Es gibt keine guten Lösungen mehr, das System ist am Ende. Freilich weltweit, nicht nur in Europa.
Aber um das zuerst abzuräumen: Natürlich braucht es bei einer gemeinsamen Währung auch eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik, also im Grunde genommen eine Zentralregierung. Sonst funktioniert das nicht. Der Euro wird also scheitern.
Was wäre denn eine ideale Zinspolitik? Aus globaler Perspektive, nicht nur europäischer.
Aus den von Ihnen genannten Gründen müssten die Zinsen erhöht werden, m.E. vor allem, um die immer stärker steigende Blase bei Immobilien - mit direkten Konsequenzen für Mieter und kleine Häuslebauer - nicht weiter aufzupumpen.
Wenn die Zinsen unverändert bleiben, gilt obiges ebenfalls.
Wenn die Zinsen gesenkt werden, schmiert die Wirtschaft ab. Viele Zombieunternehmen, die nur durch sehr günstige Kredite überlebt haben, werden aus dem Markt gefegt. Vieles wird auch nicht benötigt, was diese produzieren. Aber die dort beschäftigten Menschen haben natürlich ein Problem. So wie deren Gläubiger! Und es wird insgesamt die Oligopolbildung in einigen Märkten weiter verstärken.
Die Amis sagen das so schön, finde ich: "The Fed finds itself between a rock and a hard place!"
Fazit: Nur eine massive Umverteilung von reich nach arm könnte wirklich etwas verändern. Diese sehe ich aber nicht, und es ist dafür wohl schon zu spät.
Auf die darüber hinaus bestehenden großen geopolitischen Verwerfungen und die (temporäre?) Unterbrechung von Lieferketten sowie die ohnehin zunehmende Knappheit von Ressourcen gehe ich hier mal gar nicht erst ein.
Das war's - Game Over für den Kaputtalismus. Die nächste "Weltwirtschaftskrise" ist da bzw. der finale Zusammenbruch.
Durch (analoges oder digitales) Gelddrucken entsteht immer eine Inflation von Schulden und Vermögen. Um diese Schulden- und Vermögensberge wieder abzutragen müssen die Staaten handeln und massiv umverteilen über Steuern oder Schuldenschnitte. Die Zentralbanken können dabei nicht dauerhaft helfen, sie alleine können das Problem nicht kontrolliert wieder beheben. Nicht in der aktuellen Lage, wo schon seit X Jahren die Druckerpressen auf Hochtouren liefen in den Notenbanken.
"Aber um das zuerst abzuräumen: Natürlich braucht es bei einer gemeinsamen Währung auch eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik, also im Grunde genommen eine Zentralregierung. Sonst funktioniert das nicht. Der Euro wird also scheitern."
ich glaube, über diesen Grundfehler des Euro besteht bei den meisten Ökonomen Einigkeit. Eine zentralte Geldpolitik und Währung braucht auch eine gemeinsame Haushalts-, Fiskal- und Sozialpolitik.
"Was wäre denn eine ideale Zinspolitik? Aus globaler Perspektive, nicht nur europäischer."
IMHO, idealerweise eine nationale Leitzinspolitik, bei der die Zinsen als ein Faktor in der Regel eine Geldentwertung durch Inflation möglichst ausgleichen bzw. den zu erwartenden Kaufkraftverlust.
"Und es wird insgesamt die Oligopolbildung in einigen Märkten weiter verstärken."
Sicher, in jeder Krise erhöht sich die Zentralisation und Konzentration von Kapital.
"Das war's - Game Over für den Kaputtalismus. Die nächste "Weltwirtschaftskrise" ist da bzw. der finale Zusammenbruch."
Mit "Game Over"und finalen Zusammenbruchsvorstellungen wäre ich sehr zurückhaltend nach gut 200 Jahren der Industrialisierung, in denen der Kapitalismus sich in allen Krisen bisher ökonomisch als sehr anpassungsfähig erwiesen hat. (wenn ich jetzt mal von den zu erwartenden Katastrophen der Klimaerwärmung absehe.)
"Mit "Game Over"und finalen Zusammenbruchsvorstellungen wäre ich sehr zurückhaltend nach gut 200 Jahren der Industrialisierung, in denen der Kapitalismus sich in allen Krisen bisher ökonomisch als sehr anpassungsfähig erwiesen hat. (wenn ich jetzt mal von den zu erwartenden Katastrophen der Klimaerwärmung absehe.)"
Warum? Was sind schon 200 Jahre? Und warum sollte man die Klimaerwärmung ausblenden? Die ist ja nun mal das größte Problem überhaupt, vor dem wir - in wesentlich kürzerer Zeit - stehen.
Nochmal zu meiner Frage nach den Zinsen: Was wäre in der aktuellen Lage, im aktuellen System, der ideale Zinssatz (im Lauf des Jahres)?
Ich habe darauf keine zufriedenstellende Antwort. Letztlich können die Notenbanken tun und lassen, was sie wollen. Das Grundproblem werden sie nicht lösen können. Man kann nur mehr oder weniger Geld in den Kreislauf pumpen, aber Geld daraus entziehen könnten nur die Staaten. Oder eben ein unkontrolliertes Platzen von Blasen.
"Warum? Was sind schon 200 Jahre? Und warum sollte man die Klimaerwärmung ausblenden? Die ist ja nun mal das größte Problem überhaupt, vor dem wir - in wesentlich kürzerer Zeit - stehen."
ich habe das nur weggelassen, weil die politischen Prognosen im Umgang mit den harten naturwissenschaftlichen Klimafakten und -szenarien für mich sehr viel Spekulation bedeuten im Unterschied zu einer Auswertung der vergangenen Krisen des Kapitalismus, wo er sich als System als sehr überlebensfähig in Krisen erwiesen hat.
"Nochmal zu meiner Frage nach den Zinsen: Was wäre in der aktuellen Lage, im aktuellen System, der ideale Zinssatz (im Lauf des Jahres)?"
Man muss sich das ganz klar machen: Jetzt befinden wir uns, wenn man eine einfache Skala bildet, mit den Negativzinsen im Extrembereich. Das bedeutet z.B. für sehr viele private Rentenanlagen (Riester z.B.) in sicheren Anleihen bis zur Rente beträchtliche Entwertung der Vermögensanlagen. Oder wer für eine Immobilie oder eine teurere Anschaffung sich Geld anspart, bezahlt bei manchen Banken "Verwahrgeld". So werden die Konsumenten überall zum Kauf auf Pump "gezwungen". Die EZB müsste idealerweise ein Zinsniveau festlegen, dass die Geldentwertung (den Kaufkraftverlust) auch für Kleinsparer ausgleicht, d.h. ein Tagesgeldkonto z.B. sollte mit 3 % Zins verzinst sein, weil die Inflationsprognose der Notenbank 2022 für den Euroraum 3 % beträgt und 2023 mit 2 %, wenn da die Prognose 2 % ist.
"Man kann nur mehr oder weniger Geld in den Kreislauf pumpen, aber Geld daraus entziehen könnten nur die Staaten."
Die EZB hat für 4 Billionen Euro Anleihen aufgekauft und damit von ihr "gedrucktes Geld" in den Markt gepumpt. Sie könnte umgekehrt anfangen, diese Anleihen wieder zu verkaufen und das Geld einzusammeln. (Was sie nicht tut, weil das zum Crash führt und aus politischen Gründen wegen des Schuldenabbaus durch Inflation.)
Sie sind also für "moderate" Zinserhöhungen, zeitlich gestreckt, im Stile der Fed? Ich auch am ehesten, darauf wird es auch hinauslaufen. Allerdings kann man aus den riesigen Blasen in allen Vermögenswerten nicht kontrolliert die Luft herauslassen. Die platzen zu schnell.
"Sie sind also für "moderate" Zinserhöhungen, zeitlich gestreckt, im Stile der Fed?"
Ja. Dann entfiele auch dieser Grund für eine Euro.Abwertung bzw. Verteuerung der Importe.
"Die platzen zu schnell."
Gehört zu Krisen. Da nützt es nichts, Blasen weiter aufzupumpen.
Ich verstehe das als Vorwurf, 1.400 Euro für zwei Solarmodule ausgegeben zu haben. Ja, es ist besser, nix über sich zu schreiben, da kriegt man ziemlich schnell einen Strick gedreht, wenn man für so was so viel Geld ausgibt. Es gibt ja Menschen in D, die in Armut leben, "denn Wohnungkosten plus steigende Strom- und Heizkosten fressen trotz der notwendig sparsamen Lebenshaltung das karge Einkommen komplett weg", wie du an mich gerichtet schreibst.
Als ob ich das nicht wüsste. - Kein Wunder, dass die Erstwählerinnen in Scharen der FDP und den Grünen zustreben, wenn die antikapitalistische Linke höchstens trockenes Brot und Leitungswasser für die zukünftige Lebensplanung als angemessen erachtet.
>>Ich verstehe das als Vorwurf,...<<
Das war ein Missverständnis. Natürlich kannst Du sagen dass du Dir Solarmodule gekauft hast. gemeint war eher derjenige, dem als Antwort auf einen Artikel über eine Armutssituation nichts Klügeres einfällt als eine Werbeseite mit "onlineshop" zu verlinken.
Und natürlich politische Entscheider, die niemals über die Rand der Parallelwelten blicken.
Tut mir leid, wenn es falsch rüberkam.
Okay!