Schwierige Thermik

CDU Angela Merkel wird inzwischen gezwungen, in Bodennähe zu fliegen. Wenn das mal keine Bruchlandung gibt

Zwar spricht noch kaum jemand offen darüber, doch mehren sich die Anzeichen dafür, dass mit dem meteorologischem Sommer auch der politische Höhenflug der neuen CDU-Vorsitzenden sich schon dem Ende zuneigt. Zweimal hat sie - vor allem aus Angst vor der eigenen Courage, wodurch sie den kleinen Intrigen einiger alter Männer optimal zuarbeitete - ihrer Partei eine Blamage bereitet: Mit der Niederlage bei der Steuerreform im Bundesrat, wobei sie letztlich der Blockadegier in München aufsaß, und mit der quälenden Debatte über Kohls Nichtrede auf der Dresdener Einheitsfeier, die wesentlich durch ihre Schaukelpolitik in Sachen Altkanzler befördert wurde. Das wird ihr kaum verziehen - weder vom Altpatriarchen, der ihr die Demütigung eines Canossagangs nicht ersparte, ehe er eine Rede für die flugs organisierte CDU-Ersatzfeier zusagte, noch vom CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, der entgegen allen Appellen Merkels, doch den Staatsakt am Einheitstag nicht zu boykottieren, demonstrativ ins bayerisch-thüringische Modlareuth zieht, um dort - »Mir san mir« - der Vereinigung nach weiß-blauem Gusto zu gedenken. (Darauf, dass ihm alsbald sein baden-württembergischer Bewunderer Erwin Teufel mit einer Absage nach Dresden folgte, brauchte man nicht lange zu warten.)

Indem die innerparteilichen Dissidenten auf den Anti-Kohlianer Biedenkopf einschlagen, meinen sie allerdings nur den Sack, der für die Eselin in der Berliner Parteizentrale steht. Ihre Signale sind deutlich - und sie gelten nicht nur der Person Angela Merkel, sondern wohl mehr noch dem Führungsstil, den sie mit fröhlichem Optimismus in den Glaspalast am hauptstädtischen Tiergarten einführen wollte. Offene Diskussionen, erst Zuhören, dann Entscheiden, argumentatives Werben, Zulassen abweichender Meinungen - so planten Merkel und ihr neuer Generalsekretär Ruprecht Polenz, künftig zu führen und sich damit klar nicht nur vom »System Kohl«, sondern auch von Stoiberschem Autoritatismus abzugrenzen. Ihre Kontrahenten aber haben nie an die Praktikabilität solch »antiautoritärer Erziehung« des Parteilagers geglaubt und betrachten den neuen Stil überdies als Gefährdung eigener Macht. In Merkels und Polenz' Konzept war der Einfluss verlust eines Helmut Kohl förmlich eingewoben, und auch im mitunter recht aufmüpfigen Bayern hätte es bei Erfolg leicht Nachahmer finden können. Solcher Erfolg jedoch, mit dem sie die Union schnell aus der Talsohle der Union herausgeführt hätten, war Merkel und Polenz, aber auch Fraktionschef Friedrich Merz bisher nicht vergönnt.

Sie haben zweifellos unterschätzt, wie schwierig es ist, »neues Denken« in einer Partei durchzusetzen, die Jahrzehnte führungsfixiert geprägt wurde und mithin von ihren Spitzenleuten klare Vorgaben und natürlich Erfolg erwartet. Dass die neue Führung Beides noch nicht leisten konnte, hat seinen Grund auch im programmatischen Defizit, das Kohl und letztlich auch Schäuble hinterließen und das sie in ihrer Unentschlossenheit noch nicht ausgleichen konnte. So verebbte Zustimmungsapplaus schnell, welkten die Vorschusslorbeeren. Und hinter den Kulissen beginnt eine zersetzende Diskussion, die - das hat vor gerade einem halben Jahr der Abgang von Merkels Vorgänger gezeigt - schnell eine unaufhaltsame Eigendynamik gewinnen kann. Sie tarnt sich derzeit noch mit Erörterungen über den kommenden Kanzlerkandidaten; unter denen, die sie lostreten und weitertreiben, darf man getrost jene vermuten, die dereinst ihren Hut in den Ring werfen werden.

An erster Stelle steht da Roland Koch, der sich langsam, aber beinahe unaufhaltsam zum neuen Hoffnungsträger der CDU entwickelt. Dem hessischen Ministerpräsidenten scheint es zu gelingen, seinen erklecklichen Anteil am CDU-Spendenskandal ohne bleibende Blessuren zu überstehen - kein Wunder, dass die gebeutelten Christdemokraten mit wachsender Faszination zu ihm aufblicken. Viel mehr als Angela Merkel verkörpert er die Sehnsucht des Parteivolks nach dem starken Mann, an den sie glauben können. Nach einer Figur, die für sie denkt und handelt und nicht von ihnen eigenes Denken und Handeln verlangt.

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