In einer Talkrunde fand sich keiner - weder die SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier noch Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung, einer der umtriebigsten Aufklärer der Affäre - der an persönliche Bereicherung des Walther Leisler Kiep glauben mochte. Der Herr hanseatischer Herkunft scheint ihnen integer, überzeugend die aristokratische Attitüde, mit deren Hilfe er sich Gesprächs partner noch immer gewogen zu machen verstand. Dass ausgerechnet er sich, wie einem Mafia-Thriller entlehnt, auf dem Parkplatz eines Schweizer Supermarktes trifft, um die Übergabe eines Metallkoffers mit einer Million Mark von einem dubiosen Waffenhändler an den Steuerberater der CDU zu überwachen, erstaunt Generalsekretärin Angela Merkel "auß
23;erordentlich". Kam aber nicht auch Brechts Mackie Messer in weißen Galoschen?Kiep, dessen zweiter Vorname Leisler einem nach Amerika ausgewanderten Onkel entlehnt ist, der dort 1689 Gouverneur von New York und 1691 gehenkt wurde, wollte ein kleines, biederes Leben nicht führen. Er trat 1961 der CDU bei, bereits 1965 zog er in den Bundestag ein - nach einem Wahlkampf im amerikanischen Stil. 1967 wurde er Schatzmeister und Präsidiumsmitglied der hessischen CDU; schon vier Jahre später übernahm er beide Ämter in der Bundespartei - und behielt sie 21 Jahre lang. Er griff wiederholt auch nach den Sternen: 1976 wurde er Finanzminister in der niedersächsischen Landesregierung, zog 1980 an der Seite von Franz Josef Strauß als "Schattenaußenminister" in den Bundestagswahlkampf, nahm noch einmal Anlauf: 1982 kandidierte er in Hamburg als Kandidat für den Bürgermeisterposten, aber zur Regierungsbildung reichte es nicht. Enttäuscht zog er in seinem Tagebuch Bilanz: "15 Jahre Politik, ohne eine Spur im Schnee ..."Ihm blieb nur der Platz in der zweiten Reihe. Fernab der Öffentlichkeit wurde er - nicht zuletzt von Helmut Kohl - immer wieder auf seine Aufgabe als "Geldeintreiber" verwiesen, sein "Kiep-smiling" wurde zum "Gib reichlich". Die Scheine nahm die Partei gern, aber der Beschaffer blieb ihr ein wenig suspekt. Schlimmer noch: Als Kiep später jahrelang in gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Parteispenden stand, versagte seine Partei ihm weitgehend die Solidarität. Und es sieht so aus, als wollte sie es wieder tun.Dabei hatte Kiep schnell die Fallstricke erkannt, die mit dem bundesrepublikanischen Spendenwesen ausgelegt waren. 1959 hatte das Bundesverfassungsgericht die Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden verfügt; danach bildete sich jenes System heraus, bei dem die Spenden über vorgeblich gemeinnützige und damit steuerbegünstigte Vereinigungen geleitet wurden, ehe sie bei den Parteien ankamen. Die "Staatsbürgerliche Vereinigung e.V." war die bekannteste, andere hörten auf solch klangvolle Namen wie "Gemeinschaft zur Erschließung unterentwickelter Märkte" oder "Gemeinschaft zur Förderung des gemeinsamen europäischen Marktes". Hatten erst diese "Vereine" die Spendenakquisition betrieben, so schaltete sich in den 70er Jahren der neue CDU-Schatzmeister oft selbst in die Geldbeschaffung ein - nicht ohne diskreten Hinweis, wie und wohin die Firmen die Gelder fließen lassen sollten, um den Fiskus zu prellen. Kiep wollte die damit verbundenen Risiken minimieren und arbeitete auf die Abschaffung der Grenzen für die steuerliche Absetzbarkeit hin. Eine von ihm als niedersächsischer Finanzminister eingereichte Normenkontrollklage wurde jedoch erst 1979 von Karlsruhe entschieden - im Kern negativ für das Begehren der Parteien.So blieb die Praxis erhalten, die in den 80er und 90er Jahren zu einer Reihe von Partei spendenprozessen führte - unter anderem auch zur Verurteilung Walther Leisler Kieps 1991 zu einer Geldstrafe von 675 000 Mark durch das Düsseldorfer Landgericht, die allerdings später wegen Verfahrensfehlern wieder aufgehoben wurde. Ihm wie seinem "Generalbevollmächtigten" Uwe Lüthje hatte man vorgeworfen, insgesamt 17,7 Millionen Mark von 15 großen deutschen Unternehmen - Flick, Oetker, Henkel, Daimler-Benz, Karstadt, Bosch, Reemtsma ... - steuerfrei empfangen zu haben, wobei den Finanzämtern ein Schaden von 8,9 Millionen entstanden war. Ging es hier um Steuerhinterziehung, so gab es in Verfahren gegen Unternehmenschefs und Politiker Anklagen wegen Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit, denn natürlich - auch das zeigten die Prozesse deutlich - erwarteten die Geldgeber etwas für ihre Millionen; das Wort des Flick-Managers Eberhard von Brauchitsch von der "Pflege der politischen Landschaft" ist seither beinahe sprichwörtlich.Zwar verschärften die Verfassungsrichter nun erneut die Regeln, aber die Parteien fanden neue Wege, um sie zu umgehen. Das gilt beinahe für alle Parteien. Der zweite Korruptionsvorwurf dieser Tage gegen den niedersächsischen Ministerpräsidenten Glogowski zeigt nur, wieweit diese selbstverständliche Vorteilnahme reicht.Immer wieder aber ist vor allem in den 90er Jahren von "schwarzen Kassen" die Rede, "Treuhand-Ander-Konten", die den Parteien nicht direkt zuzuordnen sind, von denen sie sich aber gleichwohl bei Bedarf bedienen können. Eindeutige Beweise dafür fanden sich bislang nicht, doch könnte das nun anders werden. Denn die Million, die Horst Weyrauch - immerhin Chef der "Weyrauch und Kapp GmbH", über die die CDU nicht nur ihre Spendengeschäfte abwickelt, sondern auch die Gehälter für ihr Spitzenpersonal fließen lässt - am 26. August 1991 in St. Margrethen von Schreiber und im Beisein Kieps in Empfang nahm, zahlte dieser keineswegs auf ein offizielles CDU-Konto ein, sondern eben auf solch ein Treuhand-Ander-Konto bei der CDU-Hausbank Hauck Aufhäuser, das die Bezeichnung "CBN/891" tragen soll, Kürzel für "CDU Bonn". Auszahlungen erfolgten später an besagten Lüthje als "Sonder- und Schlussvergütung", um ihm nach der "Unbill in den zurückliegenden Jahren" nun den "neuen Lebensabschnitt erleichtern und verschönern" zu können, an Weyrauchs Unternehmen selbst, ebenfalls "Sondervergütungen für die lange Zeit der Zusammenarbeit und für besondere Erschwernisse", und wohl auch an Kiep beziehungsweise dessen Anwalt Günter Kohlmann.Dass Kiep, damals immerhin noch Schatzmeister seiner Partei, gewissermaßen "privat" handelte, ist wenig glaubwürdig. Er entlohnte damit Dienste für die CDU und hatte es wohl kaum nötig, sich persönlich zu bereichern, er versteuere zu Beginn der neunziger Jahre ein Jahreseinkommen von zwei Millionen. Und vor drei Wochen kostete es ihn nur einige Stunden, bis er 500 000 Mark Kaution bar auf den Tisch legen konnte. All das lässt nur den Schluss zu, hier erfolgten durchaus Zahlungen durch die CDU, allerdings ohne in deren Geldkreislauf verräterische Spuren zu hinterlassen.Vehement bestreitet die derzeitige CDU-Führung, dass es eine Parteispende, die in dieser Höhe in ihrem Rechenschaftsbericht hätte aufgeführt werden müssen, gab. Gleichwohl sprechen Geber Schreiber wie Empfänger Kiep von einer solchen; über ihren Hintergrund schweigen sie sich - noch - aus. Vorsitzender Schäuble wie Generalsekretärin Merkel verweisen auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die jedoch die an sie gestellten Fragen kaum beantworten dürfte. Wenn Ankläger Reinhard Nemetz in Augsburg ausdrücklich betont, er ermittle "nicht unter dem Gesichtspunkt Parteispenden", dann heißt das nichts anderes, als dass ihn derzeit weder das allgemeine Geschäftsgebaren Weyrauchs, noch die Funktion treuhänderischer Konten und auch nicht der Zweck einer Millionenspende an die CDU interessieren. Kiep gewissermaßen "vors Loch zu schieben", bedeutet nichts anderes, als mindestens Zeit zu gewinnen, wenn nicht gar die Aufklärung des Skandals überhaupt zu verweigern. Walther Leisler Kiep steht im Verdacht, er konnte der Farbe des Geldes - schwarz - nicht widerstehen. Schwarz, die Farbe, die seine Partei gern für sich reklamiert.
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